Doomscrolling: Wie die Sucht nach negativen Nachrichten die Gesundheit ruiniert
Ängste und Sorgen bestimmen, wohin wir unsere Aufmerksamkeit lenken. Die Medien nutzen diese Emotionen, um unseren Nachrichtenkonsum anzukurbeln.
Eine 2023 in „Nature Human Behaviour“ veröffentlichte Analyse zeigte, dass Schlagzeilen mit negativen Wörtern im direkten Zusammenhang mit mehr Klicks stehen. Die Forscher stellten fest, dass jedes zusätzliche negative Wort die Klickrate um 2,3 Prozent erhöhte.
Darüber hinaus verbreiten sich Artikel mit negativen Inhalten in der Regel schnell. Mit rasender Geschwindigkeit zirkulieren sie durch die Netzwerke und werden viel häufiger in sozialen Medien geteilt, wo sie noch mehr Aufmerksamkeit bekommen und weiterverbreitet werden.
Warum fühlen wir uns so zur Negativität hingezogen und warum neigen wir dazu, negative Inhalte zu teilen?
Die Illusion der Kontrolle
Das menschliche Gehirn hat eine natürliche Tendenz zur Negativität, das heißt, es ist eher auf negative Reize eingestellt – eine Eigenschaft, die unseren Vorfahren einst das Überleben sicherte, indem potenzielle Bedrohungen und Gefahren in ihrer Umgebung priorisiert wurden.
Social-Media-Plattformen nutzen diese Instinkte aus. Heute werden dieselben neuronalen Schaltkreise, die uns früher halfen, ein raschelndes Gebüsch wahrzunehmen, dazu missbraucht, unsere Aufmerksamkeit auf unsere Bildschirme zu lenken.
„Mithilfe von Verhaltensforschern ist es den Websitebetreibern gelungen, dass man ganz leicht in der Abwärtsspirale des Pessimismus und der Apokalypse hängen bleibt. Denn die Websites machen es schwierig, dem Doomscrolling zu widerstehen. So beschäftigt man sich im Handumdrehen mit einem besorgniserregenden Thema nach dem anderen“, sagte Larry Rosen, emeritierter Professor und ehemaliger Vorsitzender des Instituts für Psychologie an der California State University, Dominguez Hills, gegenüber Epoch Times.
Manchmal kann das Verfolgen von Nachrichten die Illusion von Kontrolle erzeugen. „Wenn wir ständig über schlechte Nachrichten informiert sind, fühlen wir uns vielleicht besser vorbereitet“, wird Cecille Ahrens, klinische Direktorin von Transcend Therapy in San Diego, Kalifornien, in einer in der Fachzeitschrift „Canadian Medical Association Journal“ veröffentlichten Studie zitiert.
Während der COVID-19-Pandemie, als die Bevölkerung zu Hause eingeschlossen war und von Angst und Zukunftssorgen geplagt wurde, versuchten viele Menschen, sich abzulenken, indem sie „auf dem Laufenden bleiben wollten“.
Auf diesem Nährboden konnte Doomscrolling entstehen und gedeihen. Studien bestätigen jedoch, dass die Berichterstattung über krisenbezogene Nachrichten – sei es eine Pandemie oder eine Naturkatastrophe – mit einem höheren Maß an unmittelbarem und anhaltendem Stress und Depressionen einhergeht.
„Wenn die Einschätzung und Erwartung von Problemen das tatsächliche Risiko übersteigen, bezeichnen wir das als Angst“, erklärte die Psychiaterin und Psychotherapeutin Dr. Marlynn Wei in einem Interview mit Epoch Times.
Wenn das weit Entfernte persönlich wird
Es mag harmlos erscheinen, beunruhigende Nachrichten aus der Ferne zu konsumieren, da sie sich zunächst so anfühlen, als seien sie weit weg und hätten nichts mit dem persönlichen eigenen Leben zu tun. Doch unabhängig von der Entfernung dringen negative Nachrichten in unseren persönlichen Bereich ein und nähren die Negativität in uns.
Dieses Phänomen lässt sich mit der bekannten Geschichte der „Zwei Wölfe“ vergleichen. In dieser Parabel erzählt ein Großvater seinem Enkel etwas über das Leben. „In jedem von uns leben zwei Wölfe“, erklärt er. „Der eine ist voller Angst, Wut und Verzweiflung. Der andere ist voller Hoffnung, Frieden und Liebe. Diese beiden Wölfe kämpfen ständig miteinander.“ Der Enkel fragt: „Und welcher Wolf gewinnt?“ Der Großvater antwortet: „Der, den du fütterst.“
In einem kontrollierten Experiment teilten Forscher die Teilnehmer in drei Gruppen auf und zeigten ihnen eine 14-minütige TV-Nachrichtensendung mit positiven, neutralen oder negativen Inhalten. Diejenigen, die negativen Nachrichten ausgesetzt waren, erlebten gesteigerte Angst und Traurigkeit.
Noch entscheidender war, dass diese Personen dazu neigten, persönliche Sorgen zu katastrophisieren – sie dramatisierten Probleme in ihrem Leben aus den Bereichen Studium, Beziehungen und Finanzen und malten sich die schlimmsten Szenarien aus.
Selbst wenn Menschen geografisch weit entfernt von Ereignissen – etwa dem 11. September oder dem Irakkrieg – sind, können sie durch den Medienkonsum erhöhten Stress und sogar posttraumatische Symptome erleben.
Gefahr für Psyche und Beziehungen
Inzwischen kann die Wirkung der sozialen Medien sogar noch stärker sein. In Studien mit Social-Media-Nutzern im Iran und in den USA wurde Doomscrolling mit Existenzangst, Pessimismus und einer negativen Einstellung zum eigenen Leben und zur Zukunft in Verbindung gebracht. Die Menschen äußerten Hoffnungslosigkeit in Bezug auf den Zweck, die Wichtigkeit und den Sinn des Lebens.
Als Psychiaterin bestätigte Wei, dass die Auswirkungen des Doomscrollings über das Individuum hinausgehen und zwischenmenschliche Beziehungen erheblich stören.
Sie wies darauf hin, dass soziale Medien unsere Aufmerksamkeitsspanne verkürzen und unsere Aufmerksamkeit von Familien und Freunden ablenken. Wenn Menschen in ihre Bildschirme vertieft sind, fühlen sie sich logischerweise weniger mit ihren Mitmenschen verbunden, fügte sie hinzu.
Verhängnisvolle gesundheitliche Folgen
Neben den psychischen Folgen hat das Doomscrolling auch Effekte auf den Körper, die häufig mit Schlafstörungen beginnen. Wei schilderte, dass es ganz natürlich sei, dass man Schlafprobleme bekommt, wenn man sich vor dem Schlafengehen aufwühlende Nachrichten ansieht.
Der Impuls, auf dem Laufenden bleiben zu wollen, kann zu nächtlichem Surfen führen, was Forscher als „Aufschieben vor dem Schlafengehen“ und sogar als „Morgen-Aversion“ bezeichnen, bei der man sich nach der Nutzung von Technologie vor dem Schlafengehen davor scheut, den nächsten Tag zu beginnen.
Das von Bildschirmen ausgestrahlte Blaulicht stört die Melatoninproduktion zusätzlich, was unsere Fähigkeit, uns auszuruhen, beeinträchtigt und uns insgesamt müde, reizbar und anfälliger für Stress macht. Solche Beeinträchtigungen ähneln denen, die bei einer Alkoholvergiftung auftreten.
Nicht jede Art von Scrollen ist schlecht
„Versuchen Sie, Ihr Handy wegzulegen, und Sie werden sehen, wie schwer es ist, auch nur eine kurze Zeit zu überstehen, ohne die Nachrichten innerhalb der alles verzehrenden virtuellen Welt zu checken“, sagte Rosen gegenüber Epoch Times.
In der Tat ist es schwierig, auf Technologie zu verzichten: Algorithmen manipulieren Emotionen, Schlagzeilen fesseln unsere Aufmerksamkeit und die ständige Angst, etwas zu verpassen, dominiert unser Zugehörigkeitsgefühl.
Allerdings „ist nicht jede Präsenz in den sozialen Medien schädlich für das Wohlbefinden“, so das Fazit einer Studie, die während der COVID-19-Pandemie durchgeführt wurde. Bei dem Experiment wurden die Teilnehmer dazu angehalten, sich mit sogenanntem Kindness-Scrolling zu beschäftigen, bei dem positive und herzerwärmende Inhalte gezeigt wurden, wie beispielsweise eine 99-jährige Urgroßmutter, die sich von COVID-19 erholt, und eine Tochter, die eine Fliege für die Online-Meetings ihrer Eltern bastelt.
Die Doomscrolling-Gruppe hingegen sah sich beunruhigende Inhalte an wie Berichte über steigende Todeszahlen, langfristige Komplikationen durch COVID-19 sowie Geschichten von überlasteten Krankenhäusern und über mangelndes medizinisches Personal.
Das Experiment ergab, dass im Vergleich zum Doomscrolling das Kindness-Scrolling die positive Stimmung und den Optimismus steigerte und gleichzeitig negative Gefühle reduzierte.
Angesichts dessen schlagen Studien vor, Doomscrolling durch Strategien wie zeitliche Begrenzung und inhaltliche Filterung zu managen, indem man sich auf glaubwürdige Quellen konzentriert und reißerische Inhalte bewusst vermeidet.
Wenn man sich mit Inhalten umgibt, die positive Handlungen wie Großzügigkeit und Freundlichkeit zeigen – was Forscher als Kindness-Media bezeichnen –, fühlt man sich glücklicher, ruhiger, dankbarer und weniger gereizt.
Tipps gegen Doomscrolling
Weitere Vorschläge zur Vermeidung von Doomscrolling, wie sie im „International Journal of Nursing Research“ hervorgehoben werden, sind:
- Deaktivieren Sie Benachrichtigungen von Nachrichten- und Social-Media-Apps.
- Setzen Sie einen Timer, um die Scrollzeit zu begrenzen.
- Protokollieren Sie Ihre Bildschirmzeit.
- Lesen Sie positive Nachrichten.
- Verbringen Sie mehr Zeit mit Familie und Freunden.
- Beginnen Sie ein neues Hobby oder greifen Sie ein altes wieder auf.
- Treiben Sie Sport.
- Meditieren Sie.
- Wenn Sie feststellen, dass Sie das Doomscrolling nicht lassen können, sollten Sie ruhig Hilfe in Anspruch nehmen.
Experten stimmen diesen Vorschlägen zu. Wei rät weiterhin, Gewohnheiten zu entwickeln, um sich zu entspannen, zum Beispiel eine oder zwei Stunden vor dem Schlafengehen gar nicht mehr am Bildschirm zu sein.
Rosen schlägt eine noch einfachere und altmodische Methode vor: Wenn selbst gesetzte Einschränkungen nicht funktionieren, geben Sie Ihr Telefon jemandem für die Zeiten, in denen Sie es nicht benutzen wollen.
Graham Davey, emeritierter Professor für Psychologie an der University of Sussex, empfiehlt, Aktivitäten vorzubereiten, die die Stimmung heben: Musik hören, Sport treiben oder, wenn alles andere fehlschlägt, ein entspannendes, warmes Bad nehmen.
Wei berichtete, dass es helfen kann, die Beine für ein paar Minuten gegen eine Wand zu stemmen, um Verspannungen zu lösen. Sie empfiehlt auch rhythmische Atemübungen – vier Takte einatmen, vier Takte den Atem anhalten und vier Takte ausatmen, mehrmals wiederholen –, um den Geist zu entspannen.
Indem wir unsere Inhalte bewusst auswählen, achtsame Pausen einlegen und proaktiv nach positiven Medien suchen, können wir verhindern, in die Falle des Doomscrollings zu geraten.
Dieser Artikel ersetzt keine medizinische Beratung. Bei Gesundheitsfragen wenden Sie sich bitte an Ihren Arzt oder Apotheker.
Zuerst erschienen auf theepochtimes.com unter dem Titel „How Doomscrolling Plunders Your Health“. (redaktionelle Bearbeitung ee)
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