Der Preis der Geduld: Die versteckten Kosten alltäglicher Entscheidungen

Kleine alltägliche Entscheidungen haben oft versteckte Wirkungen. Denn sie formen uns unerkannt zu den Personen, die wir werden wollen – oder auch nicht werden wollen.
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Auf den ersten Blick scheinen sich zwei alltägliche Entscheidungen nicht groß voneinander zu unterscheiden. Doch man sollte manchmal tiefer schauen.Foto: styf22/iStock
Von 27. Dezember 2024

Die Opportunitätskosten sind das, was man aufgibt, wenn man eine Sache einer anderen vorzieht. In vielen Fällen ist die Kostenrechnung einfach und es steht wenig auf dem Spiel. So könnte man etwa statt eines Vanillemilchshakes einen Schokoladenmilchshake wählen. 

Selbst wenn man diese Entscheidung jedes Mal treffen würde, beeinflusst sie das Leben nicht wesentlich. Man tauscht lediglich ein unmittelbares Vergnügen gegen ein anderes. Solche Entscheidungen sind nicht unumkehrbar – man kann beim nächsten Mal seine Wahl immer ändern.

Die Optionen abwägen

Wirtschaftswissenschaftler verwenden das Konzept der Opportunitätskosten, um Einzelpersonen und Gruppen bei der Entscheidung zwischen komplexen Alternativen zu helfen. Die Opportunitätskosten für die Finanzierung eines Projekts, wie beispielsweise das Pflanzen von 1.000 Bäumen, entsprechen dem Wert des nächstbesten Projekts, das man jetzt nicht finanzieren kann, zum Beispiel den Bau eines Gemeinschaftsgartens.

Wenn man alle langfristigen Vorteile des nicht gewählten Weges bedenkt, kann man erkennen, dass jede Entscheidung in der realen Welt mit Kosten verbunden ist – mit all den entgangenen Nutzen. Sobald wir diese Nutzen nebeneinander stellen – den Nutzen unserer ersten Wahl im Vergleich zum Nutzen unserer nächstbesten Alternative – können wir entscheiden, welchen Kompromiss wir eingehen werden.

Nur weil es Opportunitätskosten gibt, heißt das nicht, dass wir unsere Entscheidungen in einem negativen Licht sehen sollten. Wenn die Vorteile des gewählten Weges die Opportunitätskosten überwiegen, dann trifft man eine gute Entscheidung, denn der Nettogewinn ist positiv.

Kleine Entscheidungen, große Wirkung

Bei den Opportunitätskosten gibt es noch einen weiteren wichtigen Gedanken – und darum schreibe ich diesen Artikel. Die Opportunitätskosten einer einzigen Entscheidung erscheinen oft gering. Hier einige Beispiele:

  • Einem Freund beim Umzug helfen oder zu Hause bleiben und den Haushalt erledigen.
  • Eine Fernsehsendung schauen oder ein Buch lesen.
  • Während eines Spaziergangs die Eltern anrufen oder sich einen Podcast anhören.
  • Einen Keks oder ein Stück Obst essen.
  • Einen Gegenstand an seinen Platz zurücklegen oder ihn auf dem Tisch liegen lassen.
  • Etwas Neueres und Besseres kaufen oder sich mit dem, was man hat, zufriedengeben.
  • Mit Wut oder mit Geduld reagieren.

Wenn man jede Entscheidung als einmalige Ausnahme betrachtet, ist es leicht, die sofortige Befriedigung gegenüber dem Weg zu rechtfertigen, der den eigenen Werten besser entspricht.

Was mir geholfen hat, ist die Erkenntnis, dass diese Entscheidungen nie isoliert getroffen werden. Wenn man an einem Tag den Weg des Genusses, der Ungeduld oder des Egoismus wählt, fällt es einem leichter, dies auch in Zukunft zu tun.

Eine bessere Methode zum Abwägen von Kompromissen könnte daher sein, sich zu fragen: Wenn die Entscheidung, die man heute trifft, von nun an die Standardentscheidung wäre, wofür würde man sich entscheiden? Wenn man die Frage auf diese Weise formuliert, multipliziert man die Opportunitätskosten mit allen zukünftigen Entscheidungen und kann sie so auf einer Skala von Monaten und Jahren messen.

Das Ausmaß von Entscheidungen

Das Gewicht der Opportunitätskosten ist leichter zu spüren, wenn man sich bewusst macht, dass man sich nicht nur dieses eine Mal entscheidet. Im Gegenteil, man trifft eine Entscheidung, die alle künftigen Entscheidungen beeinflusst:

  • Man sagt heute nicht nur Nein zu einem Freund – man schwächt den Wert und die Verbundenheit dieser Freundschaft.
  • Man schaut sich nicht nur eine Fernsehsendung an – man verpasst die Chance, sich intellektuell weiterzuentwickeln.
  • Man versäumt nicht nur, seine Mutter anzurufen – man lässt eine Distanz zwischen sich und ihr entstehen.
  • Man isst nicht nur einen Keks – man wird ungesünder und nimmt wahrscheinlich zu.
  • Man lässt nicht nur einen Gegenstand auf dem Tisch liegen – man entscheidet sich dafür, in einem unordentlichen Haus zu leben.
  • Man gibt nicht nur dieses eine Mal impulsiv Geld aus – man verzichtet auf bessere Möglichkeiten, das Geld in Zukunft zu investieren, auszugeben oder zu verwenden.
  • Man ist nicht nur heute ungeduldig und wütend – man wird zu dieser Art Mensch. Je weiter man auf diesem Weg voranschreitet, desto schwerer lässt sich das ändern.

In diesem Licht betrachtet, wird jede Entscheidung ein klein wenig wichtiger.

Von einer einzigen Entscheidung zur Gewohnheit

Die wahren Opportunitätskosten umfassen den Menschen, zu dem man nicht wird, wenn man diese Entscheidung immer wieder trifft. Vielleicht sagt man sich: Das ist nur ein einziges Mal, nur eine Ausnahme. Aber ist das wirklich so? Wie oft hat man sich schon gesagt, dass man morgen etwas tun wird, und dann, wenn der morgige Tag kommt, hat man immer noch keine Lust dazu?

Wie lange will man schon zu einer bestimmten Art von Person werden, die eine bestimmte Reihe von Werten und Tugenden praktiziert? Und warum ist dieser Tag noch nicht gekommen? Wahrscheinlich hat man sich selbst etwas vorgemacht, indem man nur die Opportunitätskosten dieser einen einzigen Entscheidung betrachtete. 

Ich fordere jeden auf zu bedenken, dass jede Entscheidung mehr bedeutet, als man zu denken vermag. Man sollte sich sogar vorstellen, dass die heutige Entscheidung von nun an das eigene Standardverhalten sein wird.

Über den Autor

Mike Donghia und seine Frau Mollie betreiben den Blog „This Evergreen Home“. Dort sprechen sie über ihre Erfahrung, wie man ein einfaches, bewusstes und beziehungsorientiertes Leben führt.

Dieser Artikel ersetzt keine medizinische Beratung. Bei Gesundheitsfragen wenden Sie sich bitte an Ihren Arzt oder Apotheker.

Zuerst erschienen auf theepochtimes.com unter dem Titel „The Hidden Cost of Everyday Choices“. (redaktionelle Bearbeitung as)

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers oder des Interviewpartners dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.



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