Lebensdauer von Honigbienen binnen 50 Jahren halbiert

In den letzten Jahrzehnten beobachteten Imker einen weltweiten Rückgang von Bienenvölkern und der Honigproduktion. Zurückzuführen sei dies auf eine deutlich verkürzte Lebenserwartung von Honigbienen, deren Gründe jedoch nicht endgültig geklärt sind.
Insgesamt gibt es in Deutschland mehr als 100.000 Imker und eine Million Honigbienen-Völker.
Ein Rückgang der Lebenserwartung von Honigbienen könnte die Verluste von Bienenvölkern und die geringere Honigproduktion in den letzten Jahrzehnten erklären.Foto: Fabian Sommer/dpa/dpa
Von 19. Dezember 2022

In den letzten zehn Jahren haben Imker hohe Verlustraten in ihren Bienenvölkern gemeldet. Um den Betrieb aufrechtzuerhalten, mussten diese ersetzt werden. Die Fluktuation von Bienenvölkern ist in der Imkerei keine Besonderheit, da Honigbienen natürlich altern und sterben. Um jedoch zu verstehen, warum die Verluste massiv gestiegen sind, haben Forscher den Einfluss von Umweltstressfaktoren, Krankheiten, Parasiten, Pestizidbelastung und Ernährung untersucht. Dabei trat Erstaunliches zutage.

Eine neue Studie von Entomologen (Insektenkundlern) der University of Maryland zeigt, dass die Lebensdauer einzelner Honigbienen, die in einer kontrollierten Laborumgebung gehalten werden, um 50 Prozent kürzer ist als in den 1970er-Jahren. Das deute allerdings darauf hin, dass andere Faktoren als die Umweltbedingungen die Ursache für höhere Verluste von Honigbienenvölkern bei kommerziellen Bienenhaltern sein könnten.

Als die Wissenschaftler die Auswirkungen der heutigen kürzeren Lebensspanne modellierten, stimmten die Ergebnisse mit dem zunehmenden Verlust von Bienenvölkern und dem Rückgang der Honigproduktion überein, den die US-Imker in den letzten Jahrzehnten beobachtet haben.

Die Studie ist die erste, die einen allgemeinen Rückgang der Lebenserwartung von Honigbienen zeigt, der möglicherweise unabhängig von Umweltstressfaktoren ist. Stattdessen vermuten die beiden Forscher einen genetischen Einfluss, der die allgemeinen Trends in der Bienenzuchtbranche erklären könnte. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie Mitte November in der Fachzeitschrift „Scientific Reports“.

Standard-Protokolle für Honigbienen

Anthony Nearman, Doktorand in der Abteilung für Insektenkunde, bemerkte den Rückgang der Lebensspanne zum ersten Mal, als er zusammen mit seinem Professor Dennis van Engelsdorp eine Studie über standardisierte Protokolle für die Aufzucht erwachsener Bienen im Labor durchführte. In Anlehnung an frühere Studien sammelten die Forscher Bienenpuppen aus Honigbienenstöcken.

Nearman untersuchte eigentlich die Wirkung einer Ergänzung des Zuckerwasserfutters der Käfigbienen mit einfachem Wasser, um die natürlichen Bedingungen besser zu imitieren. Dabei stellte er fest, dass die durchschnittliche Lebenserwartung seiner Käfigbienen unabhängig von der Ernährung nur halb so lang war wie die der Käfigbienen in ähnlichen Experimenten in den 1970ern – 17,7 Tage heute gegenüber 34,3 Tagen vor 50 Jahren. Dies veranlasste ihn zu einer genaueren Überprüfung der in den letzten 50 Jahren veröffentlichten Laborstudien.

„Als ich die Lebensspannen über die Zeit aufzeichnete, wurde mir klar, dass es tatsächlich einen großen Zeiteffekt gibt“, so Nearman. „Standardisierte Protokolle für die Aufzucht von Honigbienen im Labor wurden erst in den 2000er-Jahren eingeführt, sodass man annehmen könnte, dass die Lebensspanne länger oder unverändert ist, weil wir immer besser werden. Stattdessen haben wir eine Verdoppelung der Sterblichkeitsrate festgestellt.“

In den letzten 50 Jahren (x-Achse) sank nicht nur die Lebensdauer in Tagen (y-Achse) von Honigbienen, sondern auch die Größe der Laborpopulationen (Punktgröße). Foto: Nearman, van Engelsdorp (2022); doi.org/10.1038/s41598-022-21401-2

Der Schlüssel liegt in den Genen?

Als das Team die Auswirkungen einer Halbierung der Lebensdauer auf eine Imkerei modellierte, in dem verlorene Bienenvölker jährlich ersetzt würden, lagen die resultierenden Verlustraten bei etwa 33 Prozent. Dies entspricht in etwa den durchschnittlichen Überwinterungs- und Jahresverlusten von 30 bis 40 Prozent, die von Imkern in den letzten 14 Jahren gemeldet wurden.

„Wir isolieren die Bienen aus dem Bienenvolk, kurz bevor sie erwachsen werden. Was auch immer ihre Lebensspanne verkürzt, geschieht also vor diesem Zeitpunkt. Das brachte uns auf die Idee einer genetischen Komponente“, erklärte Nearman. Wenn diese Hypothese richtig sei, weise sie auch auf eine mögliche Lösung hin: „Wenn wir einige genetische Faktoren isolieren können, dann können wir vielleicht länger lebende Honigbienen züchten“.

Obwohl sich eine Laborumgebung stark von einem Bienenvolk unterscheidet, deuten historische Aufzeichnungen über im Labor gehaltene Bienen auf eine ähnliche Lebensspanne hin wie bei Bienenvölkern in der Natur. Wissenschaftler gehen zudem im Allgemeinen davon aus, dass lebensverkürzende Faktoren unabhängig von der Umgebung wirken.

Frühere Studien hatten auch gezeigt, dass eine kürzere Lebensdauer der Honigbienen in der realen Welt mit weniger Zeit für die Futtersuche und einer geringeren Honigproduktion einhergeht. Nearman und van Engelsdorp sind allerdings die ersten, die einen Zusammenhang zwischen diesen Faktoren und der Fluktuationsrate der Bienenvölker herstellen.

Gene, Pestizide oder Viren?

Die Forscher wiesen darauf hin, dass ihre im Labor gehaltenen Bienen während ihres Larvenstadiums, wenn sie im Bienenstock brüten und von den Arbeitsbienen gefüttert werden, einer geringfügigen viralen Kontamination oder Pestizidbelastung ausgesetzt sein könnten. Fakt ist, allein zwischen 2007 und 2012 hat sich der Absatz von Pestiziden in der amerikanischen Landwirtschaft um 35,5 Prozent erhöht. Das geht aus den Zahlen der US-Umweltschutzbehörde EPA hervor. Anderen Berichten zufolge ist die US-Landwirtschaft „48-mal giftiger als vor 25 Jahren“.

Die Bienen hätten jedoch keine offensichtlichen Symptome dieser Exposition gezeigt. Diese Beobachtung könnte wiederum mit der kürzeren Lebensspanne zusammenhängen, zu der auch Imker ihren Teil beigetragen haben könnten.

„Welche Auswirkungen ‚langlebige Bienen‘ auf die Gesundheit der Bienenvölker haben, ist weitgehend unbekannt. [Während] allgemein angenommen wird, dass langlebigere Bienen mit größeren Völkern und einer höheren Honigproduktion einhergehen, […] können sich auch Krankheitserreger, die die erwachsenen Bienen nicht sofort töten, in der Population anreichern. Dadurch weisen Bienenvölker mit kürzerer Lebensdauer eine geringere Belastung mit Krankheitserregern und Krankheiten auf als Bienenvölker mit längerer Lebensdauer.“

In diesem Szenario würden Völker mit kürzer lebenden Bienen gesünder erscheinen und von Züchtern bevorzugt werden. Diese Selektion fördert möglicherweise unbeabsichtigt eine kürzere Lebensdauer der erwachsenen Bienen.“

„Erstaunlicherweise“, so die Forscher weiter, „sind Krankheitserreger und Parasiten, die erwachsene Honigbienen befallen, im Vergleich zu Krankheiten der Brut jedoch weniger zerstörerisch.“

Als Nächstes wollen die Forscher die Entwicklung der Lebenserwartung von Honigbienen in den USA und in anderen Ländern vergleichen. Wenn sie Unterschiede feststellen, möchten sie mögliche Faktoren wie Genetik, Pestizideinsatz und das Vorhandensein von Viren in den lokalen Bienenbeständen isolieren und gegenüberstellen.



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