Es gibt mehr gen-editierte Lebensmittel, als Sie denken
Das Verfahren der Genom-Editierung (auch Genome Editing) ist relativ neu und nicht mit klassischen Genveränderungen gleichzusetzen. Es wird vor allem in der Forschung sowie der Behandlung und Prävention von Krankheiten eingesetzt. Momentan findet es immer mehr Anwendung in der Pflanzenzucht, um „perfektere“ Arten zu schaffen.
In der Europäischen Union fallen genom-editierte Lebensmittel unter die GVO-Richtlinie und werden genauso wie genetisch veränderte Erzeugnisse behandelt. Das heißt, man darf sie nur in dafür zugelassenen Laboren und Gewächshäusern züchten. Freilandversuche müssen grünes Licht vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit erhalten. Ein Import solcher Produkte als Lebens- und Futtermittel ist aber prinzipiell möglich.
Viele andere Staaten regulieren genom-editierte landwirtschaftliche Erzeugnisse jedoch nicht so streng. So gibt das US-Landwirtschaftsministerium (USDA) genom-editierte Pflanzen meistens ohne Auflagen für den kommerziellen Anbau frei.
Dem USDA zufolge seien genom-editierte Lebensmittel sicherer als gentechnisch veränderte. Ähnlich äußerte sich 2019 auch das Beratungsgremium des japanischen Gesundheitsministeriums, was dem kommerziellen Verkauf von genom-editierten Lebensmitteln in Japan freie Fahrt gab. Auch in Australien, vielen südamerikanischen Staaten und Nigeria stehen genom-editierte Produkte zum Verkauf frei.
Doch sind diese Lebensmittel, die in immer mehr Ländern der Welt immer häufiger auf den Tisch kommen, wirklich ungefährlich?
Genmodifikation 2.0
Im September 2021 kam mit der Tomate „Sicilian Rouge“ das erste genom-editierte Lebensmittel der Welt offiziell in den Handel.
Japanische Forscher stellten die Tomate mit der sogenannten „Genschere“ CRISPR/Cas9 her – ein Verfahren, das im Jahr 2012 entwickelt wurde. Sie enthält das Fünffache der normalen Menge an GABA (Gamma-Amino-Buttersäure), die den Blutdruck senken und zur Entspannung beitragen soll.
Hierfür entfernten die Wissenschaftler ein Gen aus dem Genom der gewöhnlichen Tomate. Dadurch stieg die Aktivität eines Enzyms, das die Produktion von GABA fördert.
Laut Warren H. J. Kuo, emeritierter Professor der Abteilung für Agronomie an der National Taiwan University, handelt es sich sowohl bei genom-editierten als auch bei gentechnisch veränderten Organismen um genetische Veränderungen, die auch als Gentechnik bezeichnet werden.
Die früheste Technik war die genetische Veränderung. Dabei wird einer Pflanze oder einem Tier ein Gen einer anderen Spezies (Transgen), beispielsweise ein bestimmtes Bakterien-Gen, eingesetzt. Mit der künstlichen Veränderung sollen Pflanzen und Tiere resistenter gegen Krankheiten, Dürren, Kälte, Überschwemmungen sowie nährstoffreicher werden, schneller wachsen und höhere Erträge bringen. Das fertige Produkt trägt jedoch die Gene der fremden Spezies in sich.
Laut Kuo ist diese transgene Veränderung die „Genmodifikation 1.0“, während die Genom-Editierung die „Genmodifikation 2.0“ darstellt. Letztere verändert direkt die Gene des Organismus, sodass die meisten von ihnen keine fremden Gene aufweisen. Bei dem am weitesten verbreiteten Genome Editing-Verfahren, CRISPR/Cas9, dienen jedoch fremde Gene als Editierungswerkzeug. Sie werden anschließend entfernt.
Immer mehr Gen-editierte Lebensmittel
Im Jahr 2019 nutzten die USA eine andere, ältere Technologie, um Sojaöl ohne Transfette herzustellen und es in den Handel zu bringen.
Zu den genom-editierten Lebensmitteln, die inzwischen ebenfalls weltweit verkauft werden, gehören unter anderem Mais, Pilze, Raps und Reis. Auch an genmodifizierten Eiern wird geforscht. So wurde in Israel ein spezielles gentechnisches Verfahren entwickelt, durch das männliche Embryonen im Ei absterben. Die Verbraucher stellt das vor ein Problem, denn nach Ansicht der EU brauchen weder Eier noch Hühner entsprechend gekennzeichnet werden.
Die Zahl der auf dem Markt befindlichen genom-editierten Lebensmittel dürfte noch steigen: Seit 2014/2015 schoss die Anzahl der Patentanmeldungen für CRISPR-editierte, kommerzielle landwirtschaftliche Produkte in die Höhe. Wurden im Jahr 2015 etwa 50 Patente in diesem Bereich erteilt, waren es 2017 bereits 200. Nochmals drei Jahre später, im Jahr 2020, war der Zuwachs bereits vierstellig.
Die Risiken von genom-editierten Erzeugnissen
Laut den Befürwortern der genetischen Veränderung kann die Genmodifikation dazu beitragen, landwirtschaftliche Erzeugnisse zu perfektionieren und solche Probleme wie die Anfälligkeit gegenüber Schädlinge und Dürren sowie die Nahrungsmittelknappheit zu lösen. Doch die Technologie sei ein zweischneidiges Schwert und könnte langfristig zu Problemen führen, meinte Joe Wang, Molekularbiologe und Kolumnist bei der amerikanischen Epoch Times.
Ein gutes Beispiel für die langfristigen Folgen sind hornlose Rinder. Viele Milchrinderrassen haben Hörner. Damit sie Menschen und andere Tiere nicht verletzen können und um mehr Platz im Laufstall zu haben, werden die Tiere einzeln enthornt.
Das Biotechnologieunternehmen Recombinetics nahm sich des „Hörner-Problems“ an und züchtete 2015/2016 mithilfe von Genom-Editierung-Verfahren erfolgreich hornlose Rinder. Das Unternehmen fügte dafür in das Genom gewöhnlicher Rinder ein paar Buchstaben DNA ein. Das Ergebnis: Den Nachkommen dieser Rinder wuchsen keine Hörner mehr.
Im Jahr 2019 kam jedoch ein Problem ans Licht: Die US-Lebensmittelbehörde FDA entdeckte, dass das Erbgut von Bakterien, die im Rahmen der Genom-Editierung eingesetzt wurden, in das Erbgut der Rinder gelangt war. Dazu gehört auch ein Gen, das eine Antibiotika-Resistenz verleiht – was in den letzten Jahren ein weltweites Problem darstellt.
Wissenschaftler sind sich nicht sicher, ob dieses Gen in genom-editierten Rindern ein größeres Risiko ist als erwartet. Während die FDA betont, dass keine Gefahr bestehe, erklärte John Heritage, ein pensionierter Mikrobiologe von der Universität Leeds, in der Fachzeitschrift MIT Technology Review, dass das Antibiotika-Resistenz-Gen von den Darmbakterien der Rinder aufgenommen werden könnte – die Folgen seien nicht vorhersehbar. Dies ist eine der Gefahren, die von genom-editierten Produkten ausgehen.
Genetische Unfälle und neue Gifte
Unfälle treten vor allem bei gentechnisch veränderten Lebensmitteln im Prozess der Genmodifikation auf. Der Grund dafür ist, dass mit transgenen Methoden nicht kontrolliert werden kann, wo das fremde Gen im Chromosom eingebettet wird.
Der Agronom Kuo führte eine Studie als Beispiel an, in der das Protein von transgenen und nicht-transgenen Sojabohnen verglichen wurde. In die transgenen Sojabohnen wurde ursprünglich nur ein einziges fremdes Gen eingebettet – sie hätten also eigentlich nur ein einziges neues Protein haben sollen. Der Vergleich zeigte jedoch, dass es einen Unterschied von etwa 40 Proteinen zwischen den beiden gab: Die Hälfte der Proteine war ursprünglich vorhanden, verschwand aber nach der transgenen Veränderung; die andere Hälfte war nicht vorhanden, kam aber nach der transgenen Veränderung hinzu.
Im Gegensatz dazu ermöglichen die neuen Verfahren der Genom-Editierung eine präzisere Veränderung bestimmter Gene. Das ist so, als würde ein Schneider einen Abschnitt eines Reißverschlusses ändern, indem er ein bestimmtes Segment abschneidet und durch ein neues ersetzt. Allerdings kann es beim Schneiden und Reparieren zu Fehlern und unerwarteten Veränderungen kommen, sodass ein anderer, ähnlicher Abschnitt des Reißverschlusses ebenfalls abgeschnitten werden kann.
Kuo zufolge kann dieser Prozess zu unvorhersehbaren Nebenwirkungen führen, beispielsweise wenn dabei neue allergieauslösende Proteine oder neue Toxine entstehen.
„Das gentechnische Verfahren, und dazu gehört auch das Genome Editing, hat das Potenzial, die DNA zu schädigen“, sagte der Molekulargenetiker Dr. Michael Antoniou, Leiter der Gene Expression and Therapy Group am King’s College London, in einem Interview im April 2022. „Wenn man die Funktion von Genen verändert, verändert man automatisch auch die Biochemie der Pflanze. […] Diese veränderte Biochemie kann zur Produktion neuer Toxine und Allergene führen. […] Das ist meine Hauptsorge.“
Genom-Editierung und der Teufelskreis der Unkrautbekämpfungsmittel
Ein weiteres großes Problem bei gentechnisch veränderten Lebensmitteln sind Herbizidrückstände. Kulturpflanzen, egal ob genom-editiert oder gentechnisch verändert, sind mit herbizidresistenten Genen ausgestattet. Dadurch sollen beim Einsatz von Herbiziden zur Unkrautbekämpfung die Nutzpflanzen nicht geschädigt werden.
Dabei kommen zwei Effekte zum Tragen. Einerseits liefern genom-editierte Pflanzen meist höhere Erträge, sodass die Anbauflächen besser genutzt werden, was den Einsatz von Herbiziden senkt. Andererseits, wenn Landwirte herbizidresistente Pflanzen anbauen, können sie Herbizide relativ großzügig einsetzen. Langfristig wird dadurch jedoch auch das Unkraut, das die Landwirte bekämpfen wollen, zunehmend herbizidresistent. Das führt zu einem Kreislauf aus erhöhtem Herbizideinsatz und Resistenz.
Seit der Einführung herbizidresistenter gentechnisch veränderter Nutzpflanzen im Jahr 1996 stieg der Einsatz von Unkrautbekämpfungsmitteln jedes Jahr erheblich. Auch die Herbizidrückstände in den angebauten Pflanzen nehmen zu.
„Wahrscheinlich krebserregend“
Eines der am häufigsten verwendeten Herbizide ist Glyphosat mit dem Handelsnamen Roundup. Die Internationale Agentur für Krebsforschung stuft Glyphosat als Krebserreger der Gruppe 2A ein, das für den Menschen „wahrscheinlich krebserregend“ ist.
Die Forscherin Stephanie Seneff vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) und der wissenschaftliche Berater Anthony Samsel erklärten in ihrer Studie, dass 80 Prozent der gentechnisch veränderten Nutzpflanzen, insbesondere Mais, Sojabohnen, Raps, Baumwolle, Zuckerrüben und Luzerne, gezielt mit Glyphosat-Resistenz-Genen ausgestattet sind.
Zusätzlich zu seiner möglichen krebserregenden Wirkung könnte Glyphosat noch weitere schädliche Auswirkungen haben. Die Forscher analysierten 286 Studien und stellten fest, dass Glyphosat die Aktivität eines Enzyms in der Leber hemmt, das fremde toxische Substanzen entgiftet und abbaut. Darüber hinaus beeinträchtigt Glyphosat die Darmflora negativ.
Diese Folgen sind nicht sofort erkennbar, können aber langfristig zu verschiedenen Krankheiten beitragen: entzündliche Darmerkrankungen, Fettleibigkeit, Depressionen, Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen (ADHS), Autismus, Alzheimer, Parkinson, amyotrophe Lateralsklerose (ALS), Multiple Sklerose, Krebs, Unfruchtbarkeit und Entwicklungsstörungen.
Eine Tierstudie zeigte außerdem, dass Ratten Leber- und Nierenerkrankungen entwickeln, selbst wenn sie langfristig nur einer kleinen Menge Glyphosat ausgesetzt sind. Die Studie erschien in der Fachzeitschrift Environmental Health.
Die Debatte um die Sicherheit der Gentechnik
Die Debatte darüber, ob gentechnisch veränderte Lebensmittel sicher seien oder nicht, ist noch nicht beendet. Viele Befürworter der transgenen Modifikation und der Genom-Editierung sind der Meinung, dass die Menschen seit mehr als 20 Jahren gentechnisch veränderte Pflanzen essen und es noch immer keinen Beweis dafür gebe, dass sie der Gesundheit schaden. Andere argumentieren, dass sie langfristig Schäden verursachen, die noch gemessen werden müssen.
Wie Kuo meinte, seien gentechnisch veränderte Lebensmittel keine hochgiftigen Medikamente, die unmittelbar Probleme verursachen. Gesundheitsprobleme können jedoch das Ergebnis einer kumulativen Wirkung sein und lassen sich nur schwer auf ein einzelnes Lebensmittel zurückführen. Ob gentechnisch veränderte Lebensmittel der Verursacher solcher Gesundheitsprobleme sind, ist weder bewiesen noch ausgeschlossen.
Gegenwärtig wenden verschiedene Länder Frühwarnsysteme für gentechnisch veränderte Lebensmittel an und schreiben den Händlern vor, ihre Produkte zu kennzeichnen. Die Verbraucher entscheiden selbst, ob sie sie kaufen oder nicht.
Allerdings sind nach Europarecht die Lebensmittelhersteller von der Kennzeichnungspflicht befreit, wenn der genmodifizierte Anteil in einem Produkt weniger als 0,9 Prozent (also 9 Gramm pro Kilogramm) beträgt. Das schreibt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft auf seiner Website. Dazu gehören Süßwaren mit Zucker aus genetisch veränderten Zuckerrüben oder Tiefkühlpizza oder Frühstücksflocken, die Vitamine oder Geschmacksverstärker enthalten, die mithilfe von gentechnisch veränderten Mikroorganismen hergestellt wurden. Dies gilt auch für genom-editierte Produkte.
„Menschen sind keine Götter“
Wie oben bereits erwähnt, sind die Vorschriften für genom-editierte Lebensmittel in vielen Ländern viel lockerer als die für gentechnisch veränderte Erzeugnisse. Doch genau deswegen könnten die unerwarteten Gene, die sie in sich tragen, in die Umwelt gelangen und diese schädigen, meinte der Molekulargenetiker Antoniou. Sie könnten auch den Menschen schaden, da die Wissenschaft die Risiken nicht ausreichend kenne.
Auch das Argument, dass genom-editierte Produkte keine fremden Gene enthalten und daher nicht reguliert werden sollten, hält der Agronom Kuo für irreführend. Denn das Bearbeitungswerkzeug der ursprünglichen Gene waren schließlich Fremdgene. Die Methode birgt also das Risiko, dass diese Fremdgene nicht vollständig entfernt werden. „Wir Menschen verstoßen seit einer langen Zeit gegen die Naturgesetze“, meinte Kuo weiter.
Der Molekularbiologe Wang äußerte sich ähnlich. Ihm zufolge glauben die Wissenschaftler, die die Genom-Editierung befürworten, dass das, was sie jetzt tun, auch in der Natur passieren werde – nur langsamer. Sie würden es einfach beschleunigen.
„Menschen sind jedoch keine Götter und können nicht alles kontrollieren. Wenn Menschen solche Dinge tun, ist das Gefahrenrisiko und die Wahrscheinlichkeit von Fehlern definitiv höher als bei natürlichen Vorgängen“, erklärte er.
Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel: More Foods Will Be Gene-Edited Than You Think (redaktionelle Bearbeitung as)
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