WEF-Gründer Schwab im Regime-TV: „China für viele Nationen ein Vorbild“

Am Rande des APEC-CEO-Gipfels in Thailand gab WEF-Gründer Klaus Schwab dem chinesischen TV ein Interview. Darin fand er lobende Worte über das KP-Regime.
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Klaus Schwab.Foto: FABRICE COFFRINI/AFP via Getty Images
Von 25. November 2022

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Erneut ließ der Gründer des Weltwirtschaftsforums (WEF) Klaus Schwab in der Vorwoche am Rande des APEC-CEO-Gipfels mit kryptischen Aussagen aufhorchen. In einem Interview, das er am Rande des Treffens in Thailand dem chinesischen Regime gab, fand er lobende Worte für das dortige KP-Regime.

Schwab will „beste Köpfe“ für „systemische Transformation der Welt“ gewinnen

In der Zeit vom 16. bis 18. November hatte das Treffen in Bangkok stattgefunden. Mehr als 850 Führungskräfte aus Politik und Wirtschaft waren dazu angereist. Die meisten von ihnen kamen aus asiatischen Ländern. Neben Chinas KP-Machthaber Xi Jinping waren auch US-Vizepräsidentin Kamala Harris und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron anwesend. Aber auch der WEF-Gründer selbst richtete eine Grußadresse an das Forum.

Einen Tag nach Ende der Veranstaltung veröffentlichte der Regime-Propagandasender CGTN ein Interview mit Schwab. In diesem sprach er über seine Vorstellungen von „Global Governance“.

Man müsse „spezifische Elemente“ des globalen Systems „definieren“, erklärte Schwab und nannte dabei exemplarisch „Natur, Umwelt und Klimawandel“. Dort müsse man herausfinden, wo man „Fortschritt“ erzielen und Einfluss entfalten könne. Es sei erforderlich, die „besten Köpfe“ weltweit auf einer Plattform zusammenzufassen, um „strategisch“ die „systemische Transformation der Welt“ zu planen.

Globalisierung wegen zunehmender Digitalisierung nicht am Ende

Für Schwab steht fest:

Wir müssen uns überlegen, wie die Welt aussehen soll, die am Ende dieser Transformationsperiode steht.“

Schwab rechnet trotz der derzeitigen Verwerfungen nicht mit einer Deglobalisierung. Es werde zwar infolge der Schwächen in der globalen Lieferkette künftig mehr Wert auf heimatnahe Versorgungswege gelegt, dennoch werde die Welt noch enger zusammenrücken, da die Weiterentwicklung der Wirtschaft vor allem eine digitale sein werde.

Kritiker werfen dem WEF-Chef vor, seinen Einfluss und seine Vernetzung zu nutzen, um gefährliche und freiheitsfeindliche Ideen zu verbreiten. Insbesondere sein sogenanntes „Young Global Leader“-Programm sei dabei ein Werkzeug, um Staat, Wirtschaft und Gesellschaft mit ideologisch denkenden Personen zu unterwandern.

Schwab sieht sich selbst als Anhänger des sogenannten Stakeholder Values in Politik und Wirtschaft. Dieser aus der Unternehmensführung bekannte Ansatz stammt aus den 1990er-Jahren. Damals dominierte in den Führungsetagen großer Konzerne der sogenannte Shareholder Value. Diesem zufolge sei es die alleinige Aufgabe eines Unternehmens, maximalen Nutzen für seine Anteilseigner zu stiften. Jedoch stand dieser schon bald in der Kritik, da er soziale Verwerfungen produziere.

Stattdessen solle der Stakeholder Value auch Interessensgruppen berücksichtigen, die nicht als Miteigentümer an Unternehmen beteiligt sind. Dazu zählten beispielsweise Mitarbeiter und deren Familien, die Nachbarschaft oder die Gemeinde.

Stakeholder-Begriff lässt sich beliebig ideologisch interpretieren

Da es jedoch keinen einheitlichen Maßstab gibt, wie weit die Eigenschaft als Stakeholder in Bezug auf das Gebaren eines Unternehmens reicht, ist der Begriff weit interpretierbar. Klaus Schwab gehört dabei zu jenen Exponenten, die einen sehr weitreichenden Stakeholder-Begriff vor Augen haben. Dazu gehören unter anderem alle potenziell von Unternehmensentscheidungen Betroffene – und mit Blick auf Phänomene wie den Klimawandel wären das potenziell Milliarden von Menschen.

In diesem Zusammenhang sehen Kritiker ein Potenzial zu einer beliebigen und ideologischen Ausweitung des Stakeholder-Begriffs. Die von Schwab unterstützten Bemühungen zur Etablierung der sogenannten ESG-Kriterien gehen ihnen zufolge in diese Richtung.

Das Kürzel ESG steht für „environmental, social, and governance“. Es beschreibt ein Bewertungssystem, das Unternehmen und öffentliche Institutionen nach bestimmten Umwelt-, Sozial- und Führungskriterien kategorisiert. Dies soll Anlegern eine Einschätzung ermöglichen, welche Anstrengungen staatliche oder private Akteure in diesen Bereichen unternehmen.

S&P Global Ratings ist bereits dazu übergegangen, auch nationale und regionale Regierungen diesem System zu unterwerfen. In der EU will die Kommission ihre Taxonomie zur Nachhaltigkeit von Geldanlagen um solche des „gesellschaftlichen Nutzens“ erweitern.

KP-China „Vorbild für viele Länder“

Kritiker hingegen warnen vor einer „Politisierung der Kapitalmärkte“ und einer Art „Sozialkreditsystem“. Am Ende könnten willkürliche, nicht wirtschaftliche Erwägungen zur Grundlage für wirtschaftliche Einschätzungen werden – etwa im Bereich der Kreditwürdigkeit. Investitionsanalysen würden sich damit nicht länger an objektiven quantitativen Zahlen orientieren, sondern zunehmend an politischen und ideologischen Vorgaben.

Schwabs Aussagen im Gespräch mit CGTN dürften sich nur bedingt eignen, diesem Eindruck entgegenzuwirken. Dort äußert er „großen Respekt“ vor dem KP-Regime in China und dessen „enorme“ Leistungen bei der Modernisierung seiner Wirtschaft in den letzten 40 Jahren. Chinas KP-Regime sei, so Schwab, in dieser Hinsicht „ein Vorbild für viele Länder“.

Zwar relativierte er die Aussage, indem er auch betonte, jedes Land solle „selbst entscheiden, wie es sein System anpassen möchte“. Der 84-Jährige erklärte auch nicht, welche Aspekte davon er als empfehlenswert empfinde. Ein Lob des totalitären kommunistischen Regimes offenbart zugleich seine Einstellung zu westlich-demokratischen Werten. Diktatur, gravierende Menschenrechtsverletzungen bis hin zum Genozid, Beseitigung von Rede- und Glaubensfreiheit oder Ein-Kind-Politik sprach er nicht an. Dennoch lassen seine Aussagen breiten Raum für Interpretationen.

Schwab sieht sich als Erfinder des Stakeholder-Ansatzes

Die wirtschaftliche Entwicklung in China ist seit der kommunistischen Machtergreifung 1949 durchgehend vom Willen der totalitär regierenden Partei abhängig. Auch nach der Öffnung der Wirtschaft für einzelne Marktmechanismen galt stets: Je bedeutsamer und erfolgreicher ein Unternehmen wird, umso enger muss es seine Entscheidung mit der Partei abstimmen.
Schwab selbst schrieb über seine Vorstellung von Stakeholder-Kapitalismus:

Der ‚Stakeholder-Kapitalismus‘, ein Modell, das ich vor einem halben Jahrhundert erstmals vorgeschlagen habe, positioniert private Unternehmen als Treuhänder der Gesellschaft und ist eindeutig die beste Antwort auf die heutigen sozialen und ökologischen Herausforderungen.“

Private Unternehmen als „Treuhänder der Gesellschaft“ zu betrachten, läuft in letzter Konsequenz jedoch darauf hinaus, diese auf politisch definierte Interessen zu verpflichten. Es würden im Kern nicht mehr Unternehmenseigentümer und ihre Kunden, sondern Politiker entscheiden, was wie und wann unter welchen Bedingungen zu produzieren sei. Gleiches gilt für die Führung eines Unternehmens. Dies ist jedoch nicht mit Privatautonomie und Vertragsfreiheit als Grundlagen einer Marktwirtschaft in Einklang zu bringen.



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