Warum schürt das Mercosur-Abkommen erneut die Wut der Landwirte?
Bauernproteste haben Anfang 2024 europaweit die Politik unter Druck gesetzt. Nun erleben sie eine Neuauflage. Für Samstag, den 23. November hat der Verein Hand in Hand für unser Land zu einer Großkundgebung am Brandenburger Tor aufgerufen.
In Großbritannien treibt die sogenannte Traktorsteuer und Regierungspläne für Solaranlagen auf landwirtschaftlichen Flächen Bauern auf die Straßen.
In Frankreich demonstrieren Landwirte seit Montag an vielen Orten im Land. An der spanischen Grenze blockieren sie Lkw, die nach Frankreich fahren. Jetzt sollen auch Großhandel- und Logistikzentren abgesperrt werden, um Lebensmittellieferungen zu beeinträchtigen, meldet „Ouest-France“.
Ein zentraler Punkt der Forderungen ist der Stopp des geplanten EU–Mercosur-Abkommens. Dazu folgt ein Artikel der französischen Epoch Times.
Mit seltener Einmütigkeit mobilisieren Politik und die französischen Bauernverbände gegen die Unterzeichnung eines Freihandelsabkommens zwischen der EU und den lateinamerikanischen Mercosur-Staaten.
Mehr als 600 französische Parlamentarier schrieben an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, um ihre Ablehnung des Vertrags zum Ausdruck zu bringen. Sie befürchten einen „demokratischen Verfall“, falls das Abkommen unterzeichnet würde. Die Rede ist von einem „deutlichen Abstand“ in den Umwelt-, Gesundheits- und Tierschutzstandards zwischen den Mercosur-Ländern und Europa. Der Vertrag stelle „ein ernstes Gesundheitsrisiko für die europäischen Verbraucher“ und „einen unlauteren Wettbewerb für unsere Agrarproduzenten dar“.
Weniger als ein Jahr nach einer Rekordmobilisierung von Landwirten in Frankreich, die zu Autobahnblockaden und einer „Belagerung von Paris“ führte, rufen Agrargewerkschaften erneut zu einer landesweiten Mobilisierung auf.
Aber Frankreich, „das große Gründungsmitglied der Union“, verfügt möglicherweise nicht über genügend Unterstützung, um seiner Stimme im Europäischen Parlament Gehör zu verschaffen.
EU will Mercosur bis Ende des Jahres durchbringen
Die Europäische Union scheint zum großen Entsetzen Frankreichs entschlossen, bis Ende des Jahres ein Freihandelsabkommen mit den lateinamerikanischen Mercosur-Ländern zu unterzeichnen.
Die französischen Bauern beklagen die Bürokratie europäischer Standards und ihr niedriges Einkommen. Ebenfalls sind sie verärgert über die Kosten schlechter Ernten und Verluste im Zusammenhang mit neu auftretenden Tierseuchen. Die Aussicht auf die Unterzeichnung eines Abkommens wie Mercosur ist der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringen könnte.
„Unser Ziel ist es nicht, die Franzosen zu langweilen“, und „noch weniger, sie auszuhungern, wie wir gehört haben“, erklärte der Präsident des größten französischen Bauernverbands FNSEA, Arnaud Rousseau. Er bezog sich auf die Aussage des kleineren Verbands Coordination Rurale, Nahrungsmittellieferungen einzustellen.
„Ich möchte die Weihnachtszeit, die eine Zeit des Verbrauchs unserer Produkte ist, nicht in Geiselhaft nehmen“, sagte Rousseau und fügte hinzu, dass die Mobilisierung „im Januar“ wieder aufgenommen werden könnte, wenn die Belange der Bauern ignoriert würden.
Mercosur, ein „explosiver Cocktail“ für französische Landwirte
Die Europaabgeordnete Manon Aubry verurteilte das EU–Mercosur-Abkommen, das sie als „einen explosiven Cocktail, dessen Auswirkungen niemand bemessen kann“ bezeichnete.
Die EU und der Mercosur (Vollmitglieder sind Brasilien, Argentinien, Uruguay, Paraguay und Bolivien) verhandeln seit mehr als zwanzig Jahren über ein Abkommen, das die Schaffung einer Freihandelszone durch die Abschaffung der meisten Zölle zwischen den beiden Märkten beinhaltet. Das Ziel ist ein Markt mit 700 Millionen Verbrauchern.
Im Jahr 2019 wurde eine politische Einigung erzielt, die endgültige Verabschiedung wurde jedoch durch den Widerstand insbesondere Frankreichs blockiert, der durch die in Europa herrschende Agrarkrise noch verstärkt wurde.
Frankreich hofft, innerhalb der EU eine Sperrminorität gegen die europäische Übernahme des Textes zu erreichen. „Sie müssen daher 45 Prozent der Staaten auf ihrer Seite haben, die 35 Prozent der europäischen Bevölkerung repräsentieren“, so die Covorsitzende der Linksfraktion im Europäischen Parlament. „Österreich und die Niederlande haben Vorbehalte geäußert. Aber selbst mit Frankreich wären wir weit von der Sperrminorität entfernt“, so Aubry.
Deutschland hofft auf einen raschen Abschluss der Verhandlungen zu diesem Abkommen, und Bundeskanzler Olaf Scholz erinnerte Anfang Oktober daran, dass Länder wie Italien und Spanien dafür seien. Andererseits, so Aubry, „ist eine überwältigende Mehrheit der französischen Parlamentarier gegen“ diesen Vertrag mit dem Mercosur, was „manchmal gegen den Strich ihrer eigenen Fraktion geht“.
Die Abgeordnete bedauerte auch die große Undurchsichtigkeit des Vertragstextes:
Seit dieser Text ausgehandelt wurde, hatten wir europäische Parlamentarier keinen Zugang mehr dazu.“
Aubry erklärte weiter, dass ihre Fraktion in Brüssel „einen Kampf um Transparenz“ zu diesem Thema führen werde.
Mehr als 600 französische Parlamentarier warnen
„Wir können uns auch nicht vorstellen, dass sich die Kommission und der Rat gegen Frankreich, als das größte Gründungsmitglied der Union, stellen werden“. Sie schreiben: „Eine solche Situation würde zweifellos zu einem demokratischen Verfall in unserem Land führen, das sich bereits in einer politischen Bedrohung durch antieuropäischen Populismus befindet.“
Die Parlamentarier, die diesen Brief unterzeichnet haben, stellten „drei Bedingungen für die Unterzeichnung des Abkommens“:
„Die importierte Entwaldung in der Europäischen Union nicht verstärken, das Abkommen in Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen bringen und entsprechende gleichwertige Maßnahmen in den Bereichen Gesundheit und Umwelt einführen.“
Dieses Freihandelsabkommen, das die Öffnung des europäischen Marktes ohne Zölle für Rindfleisch, Geflügel, Mais, Zucker und Ethanol aus den Mercosur-Ländern vorsieht, „würde sich vor dem Hintergrund eines verzerrten Wettbewerbs zwangsläufig zum Nachteil der europäischen Produzenten und Züchter auswirken.“ Zusätzlich fehlten „Kontrollen für importierte Produkte“, so die Unterzeichner weiter.
Schließlich würde es „ein erhebliches Risiko für die Sicherheit der landwirtschaftlichen Versorgung und die Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln in Europa“ darstellen, behaupten sie. „Solche wirtschaftlichen, sozialen, ökologischen und gesundheitlichen Probleme können nicht mit ein paar vorübergehenden finanziellen Ausgleichszahlungen gelöst werden“, heißt es in dem Brief.
Premierminister Michel Barnier: Abkommen inakzeptabel
„Ich habe dem Präsidenten gesagt, dass dieses Abkommen unter den gegenwärtigen Bedingungen für Frankreich nicht akzeptabel ist und auch nicht akzeptabel sein wird“, erklärte der französische Premierminister Michel Barnier nach einem Treffen in Brüssel mit von der Leyen.
„Ich empfehle, dass wir die Position eines Landes wie Frankreich nicht ignorieren“, warnte er. Barnier prangerte „die katastrophalen Auswirkungen an, die dieses Abkommen auf ganze Sektoren haben würde, insbesondere auf die Landwirtschaft und Viehzucht“. Er versicherte, dass es „die gleichen Befürchtungen in vielen europäischen Ländern“ gebe.
Auf die Frage nach den Anpassungen, die den Text für Frankreich akzeptabel machen könnten, ging er nicht ins Detail. „Es geht nicht darum, zu flicken oder zu kompensieren“, sagte er.
Auch der Deutsche Bauernverband fordert einen Stopp des geplanten Freihandelsabkommens. Bauernpräsident Joachim Rukwied erklärte in einer Pressemitteilung:
„Das Mercosur-Abkommen würde – anders als bei anderen Handelsabkommen – dazu führen, dass die heimische Erzeugung durch Agrarimporte zu Standards aus dem vergangenen Jahrhundert verdrängt wird, zum Nachteil von Verbrauchern, Landwirten, Tieren, Umwelt und Klima.“
Dieser Artikel ist im Original in der französischen Epoch Times erschienen und wurde hier in einer gekürzten und angepassten Fassung wiedergegeben. (deutsche Bearbeitung os)
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