Vertrauliche Anweisungen, harte Fronten: Hinter den Kulissen brodelt es

Die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, CSU und SPD geraten ins Stocken. Vor allem bei Steuern, Migration und Ministerien gibt es heftigen Streit. Eine schnelle Einigung ist kaum in Sicht.
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Bis der Koalitionsvertrag steht, müssen CDU/CSU und SPD noch einen weiten Weg aufeinander zu machen.Foto: Ralf Hirschberger/AFP via Getty Images
Von 23. März 2025

Der Zeitplan ist sehr stramm: Bis Montag sollen die Unterhändler der Parteien konkrete Vereinbarungen aus den 16 thematisch gegliederten Arbeitsgruppen vorlegen. Dass bis dahin aber alle strittigen Punkte zwischen CDU, CSU und SPD abgeräumt sind, das wird wohl selbst in den eigenen Reihen für unmöglich gehalten.

Die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) nimmt selbst an den Verhandlungen teil. Gegenüber dem Sender „Welt TV“ sagt Rehlinger am Freitag, dass die Klärung strittiger Punkte über den Montag hinaus dauern wird. „Es wird natürlich auch einige strittige Punkte geben, die vielleicht dann in einer Arbeitsgruppe nicht geklärt werden konnten“, so Rehlinger. Diese Streitfragen müssten dann ab Montag auf höherer Ebene besprochen werden. Es werde „natürlich hart verhandelt“, so Rehlinger. Die saarländische Ministerpräsidentin betonte im Interview, dass am Montag ja „noch nicht der fertige Koalitionsvertrag“ vorliegen müsse. Dieser wird erst auf Grundlage der Ergebnisse der Arbeitsgruppen erstellt.

Wenig ist bisher aus den Arbeitsgruppen und dem Verhandlungsstand an die Öffentlichkeit gekommen. Keine Statements, keine Selfis und keine Äußerungen zu Zwischenergebnissen – das sind die Kommunikationsregeln, die sich alle Parteien vor Verhandlungsbeginn selbst auferlegt haben. Dennoch ist bekannt, dass es mitunter in den einzelnen Arbeitsgruppen erheblich hakt.

Steuerverhandlungen auf Arbeitsebene geplatzt

Ein Zankapfel ist dabei die Steuerpolitik. Wie die „Wirtschaftswoche“ berichtet, ging in der Arbeitsgruppe Haushalt, Finanzen und Steuern am Freitag nichts mehr. SPD und Union sollen ihre Forderungen nur noch vorgelesen haben – verhandelt wurde nicht mehr, schreibt die „Wirtschaftswoche“.

Offenbar habe es am Donnerstagabend interne Anweisungen aus dem Willy-Brandt-Haus, der SPD-Parteizentrale, an die SPD-Mitglieder der Arbeitsgruppe gegeben, keine Zugeständnisse bei Steuersenkungen zu machen. Eine geplante Unternehmenssteuerreform, wie von der CDU angedacht, scheiterte ebenso wie der von der SPD selbst geforderte Investitionsbonus – aus Kostengründen.

Die Union zeigte sich enttäuscht: Man sei mit dem Vorschlag eines 500-Milliarden-Euro-Infrastrukturfonds in Vorleistung gegangen, die SPD habe aber jede Entlastung für die Wirtschaft blockiert. Besonders die rheinland-pfälzische Finanzministerin Doris Ahnen (SPD) und ihr niedersächsischer Kollege Dennis Rohde (SPD) lehnten dem Bericht zufolge Steuersenkungen mit Verweis auf fehlende Wachstumseffekte ab.

Stattdessen forderte die SPD höhere Spitzensteuersätze – bis zu 49 Prozent für sehr hohe Einkommen – was bei der CDU Entsetzen ausgelöst haben soll. Ein CDU-Politiker, der wegen der vereinbarten Vertraulichkeit bei den Koalitionsverhandlungen nicht namentlich genannt werden möchte, wird von der „Wirtschaftswoche“ zitiert, dass damit für die CDU der „GAU“ eingetreten sei.

Dass es in der Arbeitsgruppe Finanzen keine Einigung gibt, das greift auch der „Spiegel“ auf. Die Vorstellungen von Union und SPD lägen laut Teilnehmerkreisen immer noch weit auseinander. Weder bezüglich Steuererleichterungen noch bei Einsparungen im Haushalt sei man sich bisher näher gekommen.

Keine Entscheidung beim Digitalministerium

CDU-Chef Merz wünscht sich ein Digitalministerium, wie die „Bild“ schon im Dezember berichtete. Laut dem „Spiegel“ hat es in dieser Frage bisher noch keine Entscheidung gegeben. Da es dafür kein zusätzliches Ministerium geben soll, müsste eines der 15 heutigen Ministerien weichen und die Zuständigkeit anders verteilt werden. Hier hakt es in den Gesprächen wohl. Diskutiert werden laut dem Magazin drei Möglichkeiten: die Überführung des Entwicklungsministeriums ins Außenressort, die Fusion der Bereiche Umwelt und Agrar oder die Abschaffung des Bauministeriums.

Um jedes Ministerium werde in den Arbeitsgruppen nun heftig gekämpft. Auch wenn der Ressortzuschnitt am Ende üblicherweise auf Parteispitzenebene vorgenommen wird, wäre eine Einigung auf Arbeitsgruppenebene sicherlich eine gute Entscheidungsgrundlage gewesen.

Migration: „Es wird einen grundlegenden Richtungswechsel geben“

Die Parteien haben es momentan offenbar nicht leicht, aufeinander zuzugehen. Das bestätigte gerade erst auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) in einem Interview mit dem Fernsehsender ntv. Mit Blick auf die Koalitionsverhandlungen sprach er von einem „anstrengenden Prozess“. Die Parteien müssten sich im Moment von sehr „großen Entfernungen“ aufeinander zubewegen, so Kretschmer.

Beim Thema Migration dringt im Moment wenig nach außen. Trotzdem hat CSU-Chef Markus Söder gerade erst in Richtung SPD davor gewarnt, die in der Sondierung gemachten Vereinbarungen aufweichen zu wollen. Gegenüber der „Augsburger Allgemeinen“ forderte Söder Konsequenzen in der Asylpolitik. „Die Sondierung gilt. Daran wird nichts geändert“, so Söder im Zusammenhang mit einer möglichen SPD-Blockade bei dem Thema Migration. „Die Begrenzung der Migration ist das zentrale Wahlkampfversprechen der Union“, fügte er in Richtung des möglichen Koalitionspartners SPD hinzu. „Es wird einen grundlegenden Richtungswechsel geben: Die illegale Migration muss begrenzt werden“, sagte Söder.

Ins gleiche Horn stößt auch der hessische Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) im Interview mit dem „Handelsblatt“.  „Zum Politikwechsel gehört zwingend auch, die illegale Migration auf null zu bringen. Deshalb: Zurückweisungen an den Grenzen und Stopp des Familiennachzugs“, so Rhein. „Die nächsten vier Jahre sind entscheidend. Das weiß die SPD. Wir müssen jetzt beweisen, dass wir die Probleme aus der demokratischen Mitte heraus lösen.“

Scheitern CDU-Migrationspläne an SPD?

Die Ansagen aus Bayern und Hessen an die SPD haben einen ernst zu nehmenden Hintergrund. Berichten zufolge will die SPD in den Koalitionsverhandlungen die Migrationspläne von CDU-Chef Merz nicht mittragen. Die SPD-Arbeitsgruppe „Migration und Vielfalt“ soll laut einem „Bild“-Bericht (Bezahlschranke) am Mittwochabend ein „Gegenkonzept“ veröffentlichen.

Der Inhalt des Papiers stünde den Einigungen aus dem Sondierungspapier von SPD und Union entgegen. Unter anderem würde darin „eine allgemeine Aufenthaltserlaubnis für vollziehbar ausreisepflichtige Personen“ gefordert.

„Ein ‚unfreiwilliges Verlassen‘ des Bundesgebiets ist oftmals weder umsetzbar noch sinnvoll“, zitiert die „Bild“ aus dem Konzept der SPD. Menschen sollte vielmehr die Möglichkeit gegeben werden, „sich aktiv und sinnvoll in die Gesellschaft einzubringen, die sich für sie lohnt und Bleibeperspektiven eröffnet, anstatt sie in einer Perspektivlosigkeit zu belassen“. Nur bei schweren Straftaten sollte eine Ausnahme gelten.

Deutschlandticket könnte kippen

Ein weiterer Knackpunkt in den Verhandlungen scheint das Deutschlandticket zu sein. Gerade erst hat sich Noch-Verkehrsminister Volker Wissing (parteilos) in die Debatte eingemischt. Nachdrücklich setzte er sich für den vergünstigten Fahrschein ein.

Im Interview mit dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ sprach er von einer „Rückschrittspolitik“, wenn er eine so große Reform wieder rückgängig machen wolle. „Vor dem Zorn von fast 14 Millionen Nutzerinnen und Nutzern kann ich nur warnen“, fügte Wissing hinzu. Das Deutschlandticket sei für den ÖPNV in Deutschland eine Riesenchance. „Es ist der größte Modernisierungsschub der letzten Jahrzehnte und eine Digitalisierungsoffensive“, betont der scheidende Verkehrsminister.

Regierungsbildung im Mai denkbar

Wenn am Montag die Ergebnisse der Arbeitsgruppen vorgelegt werden, dürfte es noch ein längerer Weg sein, bis der Koalitionsvertrag steht. Bis Ostern sollte eigentlich die neue Bundesregierung stehen. So plante es zumindest CDU-Chef Merz. Dieser Zeitplan scheint aber durcheinanderzugeraten.

Denkbar wäre auch eine Regierungsbildung und Kanzlervereidigung Anfang Mai, so heißt es nach Informationen der Nachrichtenagentur „Reuters“ unter Verhandlern. In der SPD ist man offen – verweist aber darauf, dass der auf zehn Tage geschätzte Zeitraum für die Mitgliederbefragung nicht ganz in den Osterferien liegen dürfe.



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