Künstler warnen vor „Angriff auf die Kultur“ – Internetaktivisten vor „Zensur“
Vor dem Europaparlament in Straßburg haben sich am Dienstagvormittag etwa hundert Demonstranten versammelt.
Sie verteilen Flugblätter, die vor einem Angriff auf die Kultur durch „globale Technologie-Giganten“ warnen. „Wir wollen eine faire Vergütung für unsere Arbeit“, fordern sie im Namen der Initiative „Europe for Creators“. Im Parlamentsgebäude werben derweil Aktivisten der Initiative „Save the Internet“ vor der Abgeordnetenbar für ein „freies Internet“.
Einen Tag vor der Abstimmung über die Reform des Urheberrechts im Europaparlament geht die Lobby-Schlacht weiter. Zwei Fronten stehen sich dabei gegenüber: Auf der einen Seite Medien und Kreative, die ihre Urheberrechte auch im Internet schützen wollen. Auf der anderen die Gegner der Reformpläne, Internetriesen wie Google, Facebook und Co, aber auch Verfechter eines „freien Internet“. Sie verweisen auf die Petition „Stoppt die Zensurmaschine – Rettet das Internet“, die nach Angaben der Initiatoren von fast einer Million Bürger unterzeichnet wurde.
Mit der Neuregelung will die EU das Urheberrecht dem Internet-Zeitalter anpassen. Suchmaschinen wie Google sollen zur Bezahlung für angebotene fremde Nachrichteninhalte verpflichtet werden. Dazu war zunächst auch die Einführung von sogenannten Upload-Filtern auf Online-Plattformen vorgesehen. Damit sollten urheberrechtlich geschützte Inhalte automatisch blockiert werden.
Angesichts massiver Proteste hat der deutsche Berichterstatter, Axel Voss (CDU), nun zwar das Wort Filter aus dem Text gestrichen. In der neuen Version soll nur noch verankert werden, dass Plattformen für etwaige Verstöße gegen das Urheberrecht „haftbar“ gemacht werden. Außerdem soll die Verpflichtung nur für Plattformen wie Google oder Facebook gelten, die „große Mengen“ an Uploads anbieten und diese „bewerben“. Kleine Unternehmen sollen davon ausgenommen werden.
Den Gegnern geht dies aber nicht weit genug. Wenn Plattformen für Urheberrechtsverstöße haften müssten, sei dies für sie ein Anreiz, Filter einzusetzen, argumentiert etwa Julia Reda von der Piratenpartei, die im Europaparlament der Grünen-Fraktion angehört. Eine Reihe von Abgeordneten, unter ihnen der SPD-Politiker Tiemo Wölken, schlagen stattdessen vor, Plattformen zum Abschluss von „fairen Lizenzen“ etwa mit Verwertungsgesellschaften zu verpflichten.
Strittig ist auch ein geplantes „verwandtes Schutzrecht“, das dem deutschen Leistungsschutzrecht ähnelt. Damit soll sichergestellt werden, dass etwa Verlage oder Nachrichtenagenturen für die Verwendung ihrer Inhalte vergütet werden. Gegner sehen darin eine Art „Linksteuer“. Wenn schon kleine Ausschnitte aus Artikeln oder eine Überschrift lizenziert werden müssten, sei der freie Austausch von Nachrichten im Internet nicht mehr möglich.
Im Europaparlament gehen die Meinungen quer durch die Fraktionen auseinander: Für die Abstimmung am Mittwoch wurden mehr als 250 Änderungsanträge eingereicht, der Ausgang ist völlig offen. Erst nach dem Votum im Plenum können die Verhandlungen mit dem Rat der 28 EU-Staaten beginnen. Ob die Reform noch vor der Europawahl im kommenden Mai unter Dach und Fach gebracht werden kann, ist aber fraglich.
Um die geplante Reform tobt seit Monaten eine selbst für EU-Verhältnisse ungewöhnlich massive Lobby-Schlacht. Am Rande des Filmfestivals von Venedig riefen mehr als 160 Regisseure, unter ihnen die deutschen Filmemacher Volker Schlöndorff und Margarethe von Trotta, die Euro-Abgeordneten auf, den Text zu verabschieden. Einen ähnlichen Appell unterzeichneten vergangene Woche etwa 200 französische Kulturschaffende. Mehr als hundert europäische Reporter und Chefredakteure schlossen sich Ende August einem Aufruf des AFP-Kriegsberichterstatters Sammy Ketz zugunsten der Reform an.
Gegen die Reformpläne machen Internet-Giganten wie Google oder YouTube mobil, die ihr Geschäftsmodell gefährdet sehen. Lobby-Verbände der Internet-Branche bombardieren die Europaabgeordneten seit Wochen mit Tausenden von mails. Einige Parlamentarierer berichten sogar von regelrechten Drohbriefen. (afp)
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