Zahl der Einbürgerungen steigt – Union und AfD wollen erleichterte Einbürgerung verhindern
Die Parteien der Ampelkoalition hatten vor knapp zwei Wochen eine Einigung bezüglich einer Reform des Staatsbürgerschaftsrechts verkündet. Dieses soll eine Einbürgerung künftig erleichtern, zudem will man Doppelstaatsangehörigkeit künftig auch bei Nicht-EU-Bürgern tolerieren. Union und AfD wollen dies nun in letzter Minute verhindern – und beziehen die Wahl des türkischen Präsidenten Erdoğan durch Deutsch-Türken mit in ihre Kritik ein.
Autokorsos als Argument gegen Reformen bei der Einbürgerung?
Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU, Thorsten Frei, nannte die Begeisterung vieler Türken über das Wahlergebnis „bedrückend“. Er sieht in den Plänen der Ampel ein Risiko, dass „mehr Menschen eingebürgert werden, die nicht ausreichend integriert sind“. Die Autokorsos zur Feier des Erdoğan-Wahlsieges sollten eine „Warnung“ darstellen.
Der innenpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Gottfried Curio, warnt vor einem erleichterten Zugang zu doppelten Staatsangehörigkeit. Diese sei vor dem Hintergrund der starken türkischen Anhängerschaft des „Autokraten Erdoğan“ in Deutschland zu überdenken.
Ampel will an geplanten Neuerungen festhalten
Die Ampel will an ihren Plänen festhalten. Gegenüber der „Welt“ erklärte der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Stephan Thomae, man passe lediglich die Rechtslage der Statistik an.
Bereits jetzt seien schnellere Einbürgerungen und Mehrstaatigkeit ein Normalfall. Eine Absenkung der Kriterien sei mit der geplanten Reform nicht verbunden:
Ganz im Gegenteil wird bei der Anspruchseinbürgerung der Kriterienkatalog verschärft.“
Vor allem bezüglich des Vorliegens der sprachlichen, rechtlichen und wirtschaftlichen Integration seien strengere Prüfungen vorgesehen.
Auch der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Sebastian Hartmann, betont, dass es keinen Einbürgerungsautomatismus gebe. Man wolle Menschen an Staat und Gesellschaft in Deutschland binden, die ohnehin schon seit Jahren hier lebten und gut integriert seien.
Maximal 1,5 Millionen Türken könnten nun die Einbürgerung anstreben
Tatsächlich könnte eine generelle Akzeptanz der Doppelstaatsangehörigkeit vor allem jenen 1,5 Millionen türkischen Staatsangehörigen zugutekommen, die ohne deutschen Pass im Land leben. Viele von ihnen sind bereits über Jahrzehnte hinweg in Deutschland ansässig, haben ein geregeltes Einkommen oder Rentenansprüche erworben. Viele von ihnen haben trotz des formalen Vorliegens aller sonstigen Einbürgerungsvoraussetzungen die deutsche Staatsangehörigkeit nie beantragt. Grund dafür war im Regelfall, dass Nicht-EU-Bürger ihre bisherige Staatszugehörigkeit ablegen müssen.
Laut Mikrozensus leben in Deutschland derzeit nur etwa 280.000 Menschen, die sowohl über eine türkische als auch eine deutsche Staatsangehörigkeit verfügen. In einigen Fällen beruht dies auf Ausnahmeregelungen, in den meisten jedoch auf dem Wegfall der Optionspflicht im Jahr 2014.
In Deutschland geborene Kinder türkischer Eltern erhalten seit 2000 den deutschen Pass, wenn ein Elternteil seit mindestens acht Jahren legal im Land gelebt hat. Die Ampel will diese Frist nun auf fünf Jahre senken.
Optionspflicht gilt nur noch in wenigen Fällen
Mit Vollendung des 21. Lebensjahres mussten sich diese sogenannten Ius-Soli-Deutschen jedoch zwischen der deutschen und der türkischen Staatsangehörigkeit entscheiden. Im Jahr 2014 fiel diese Optionspflicht für Kinder weg, wenn diese in Deutschland aufgewachsen waren.
Als „in Deutschland aufgewachsen“ gelten Kinder, die sich selbst für mindestens acht Jahre gewöhnlich in Deutschland aufgehalten hatten. Gleichgestellt sind jene, die mindestens sechs Jahre lang eine Schule in Deutschland besucht oder hier einen Schulabschluss oder abgeschlossene Berufsausbildung erworben haben.
Derzeit gilt die Optionspflicht nur noch für in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern, die keine dieser Voraussetzungen erfüllen. Im Wesentlichen sind das beispielsweise in Deutschland geborene, aber im Ausland aufgewachsene Kinder. Diese müssen sich nach wie vor zwischen der deutschen und der Staatsangehörigkeit ihrer Eltern entscheiden.
„Expresseinbürgerung“ schneller möglich – Voraussetzungen aber härter
Dem Statistischen Bundesamt zufolge war die Zahl der Einbürgerungen im Vorjahr um 28 Prozent auf 168.545 angestiegen. Am häufigsten stellten Syrer einen Antrag – von ihnen wollten 48.230 einen deutschen Pass erwerben. Im Schnitt bürgerten Behörden diese, wo sie eine positive Entscheidung über den Antrag trafen, schon 6,4 Jahre nach ihrer Einreise ein.
Von Türken kamen im Vorjahr 14.235 Einbürgerungsanträge. Das waren um knapp 2.000 mehr als im Jahr davor. Allerdings ist die Zahl der Anträge deutlich geringer als im Jahr 2000, als 82.860 Türken eine Einbürgerung beantragt hatten.
Dem Ampel-Entwurf zufolge soll Einwanderern eine Einbürgerungsoption bereits nach fünf statt wie bisher acht Jahren ermöglicht werden. Die vorzeitige Einbürgerung bei besonderem Engagement, etwa beim Spracherwerb oder im Ehrenamt, soll schon nach drei Jahren möglich sein. Derzeit gibt es diese Option ab sechs Jahren.
Allerdings muss dem Entwurf zufolge in Fällen der „Expresseinbürgerung“ zufolge der Lebensunterhalt der Familie ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel gesichert sein. Zudem müssen Antragsteller eine Sprachprüfung auf der anspruchsvollen Stufe C 1 abgelegt haben.
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