Wegen heutiger Schulden: Künftige Generationen ohne Handlungsspielraum?
Die Milliardenkredite, die während der Corona-Krise aufgenommen wurden, sollen bis 2058 getilgt sein. Für den sogenannten Abwehrschirm oder „Doppelwumms“ zur Abfederung der Energiekrise will die Bundesregierung weitere 200 Milliarden Euro an Schulden aufnehmen. Dazu kommen CO₂-Ziele, die ohne umfassende Investitionen in die „Energiewende“ ebenfalls nicht zu realisieren wären.
Die umfangreiche Ausgabenpolitik der vergangenen Jahre könnte den haushaltspolitischen Spielraum künftiger Generationen in tiefgreifendem Maße einengen. Dabei sind die genannten riesigen Baustellen noch nicht einmal das einzige Problem, das sich abzeichnet. Der dramatische Geburtenrückgang in Europa und die zunehmende Überalterung werden auch Auswirkungen auf die gesetzliche Renten- und Krankenversicherung haben.
Schulden als Ausdruck einer heiklen Gratwanderung
In der „Welt“ haben einige Juristen nun Alarm geschlagen. Bereits der Bundesrechnungshof hatte verfassungsrechtliche Bedenken mit Blick auf den 200-Milliarden-Euro-Schirm geäußert. Auch die Verfassungsrechtlerin Katja Rath von der Universität Halle sieht eine schwierige Gratwanderung.
Auf der einen Seite stehe die Generationengerechtigkeit – und damit das Erfordernis, künftigen Generationen einen Handlungsspielraum zu erhalten. Auf der anderen stehe die Notwendigkeit, einen möglicherweise akut drohenden Zusammenbruch des wirtschaftlichen und sozialen Gefüges zu verhindern. Immerhin hätte auch das potenziell schwerwiegende Auswirkungen auf das Deutschland von morgen.
Als ein entscheidendes Abwägungskriterium sieht Rath die absehbaren Folgen der Schulden in ihrer jeweiligen Höhe:
Wenn man jetzt schon wüsste, dass man die Folgen der Neuverschuldung nur stemmen kann, weil man Sozialleistungen in großem Umfang kürzt, dann wäre das ein Problem.“
Dies sei noch nicht zu befürchten. Allerdings hatte das Bundesverfassungsgericht bereits 2007 geurteilt, dass die Rechtmäßigkeit eines Bundeshaushalts vom Erhalt der „Handlungsspielräume künftiger Haushaltsgesetzgeber“ abhängt. Um dieser Vorgabe gerecht zu werden, hatte der Bundestag 2009 die Schuldenbremse beschlossen.
Schulden zu machen, sei demnach nicht verboten, diese dürften jedoch nicht die „politische Gestaltungsfreiheit künftiger Generationen“ über Gebühr einschränken. Was mittlerweile bedenklich werden könnte, so Rath, sei der mehrmalige Rückgriff auf Ausnahmeregelungen. Diese habe der Gesetzgeber sowohl in der Corona-Krise als auch beim Sondervermögen Bundeswehr und der Finanzierung der Gaspreisbremse herangezogen. Die „hohe Taktung“ solcher Sondermaßnahmen sei es, die man kritisch sehen müsse.
Kirchhof hält langfristige Schulden für verfassungswidrig
Gregor Kirchhof von der Universität Augsburg sieht vor allem die langen Tilgungsfristen als Problem. Zwar sei es offensichtlich, dass diese gewählt worden seien, um den Spagat zwischen Handlungsfähigkeit und Generationengerechtigkeit zu gewährleisten, allerdings setzte das Grundgesetz auch hier Grenzen:
Die Kredite sind in einem angemessenen Zeitraum zu tilgen.“
Bezüglich der Angemessenheit bleibt die Verfassung zwar im Unklaren, eine Tilgung bis zum Jahr 2058 sei aber sicher nicht mehr in diesem Rahmen gelegen:
Diese Tilgungsfrist, die nun in Horizonten von drei Jahrzehnten arbeitet, ist verfassungswidrig.“
Die Entwicklung der Staatsverschuldung widerspreche „ersichtlich“ dem Prinzip der Generationengerechtigkeit, da die Schulden der nächsten Generation „erhebliche Rückzahlungs- und Zinspflichten“ aufbürdeten. Weitere Lasten etwa durch Klimaschutz oder demografische Entwicklung gingen „gegenwärtig deutlich zum Nachteil der nächsten Generation“.
Im Vorfeld der Entwicklungen standen politische Präferenzentscheidungen
Welche Konsequenzen diese Überlegungen haben werden, ist ungewiss. Immerhin beruht eine Vielzahl an Entwicklungen, die zur Explosion der Schulden geführt haben, nicht auf Naturgesetzen. Im Regelfall liegen ihnen politische Entscheidungen und weltanschauliche Präferenzen zugrunde.
So hatten die politisch Verantwortlichen in Deutschland die Corona-Pandemie zwar nicht herbeigeführt, allerdings war der Umgang damit eine politische Frage. Dabei hatte der Gesetzgeber der Verhinderung einer Ausbreitung des Virus eine höhere Präferenz zuteilwerden lassen als etwa der Aufrechterhaltung von Wirtschaft und Mobilität.
Gleiches gilt für die Politik der Bundesregierung gegenüber der Ukraine und Russland inklusive der Sanktionen, die zu Veränderungen der Energiepartnerschaft mit Moskau führten. Zudem trifft auch die derzeitige jüngere Generation selbst Präferenzentscheidungen. Dem „Klimaschutz“ Vorrang einzuräumen gegenüber günstiger und vielfältiger Energieversorgung und Mobilität ist eine solche. Ebenso die Überlegung, aus ökologischen Beweggründen „kinderfrei“ zu bleiben – was potenziell künftige Sozialversicherungssysteme beeinflussen kann.
Danaergeschenk des Bundesverfassungsgerichts an die Klimajugend?
Mit Blick auf solche Entscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil zur Klimapolitik im Jahr 2021 der klimabewegten Jugend ein mögliches Danaergeschenk gemacht. Die Richter hatten auf der einen Seite dem heutigen Gesetzgeber eine Handlungspflicht gegenüber der „Fridays for Future“-Generation auferlegt.
Karlsruhe hatte sich das Narrativ zu eigen gemacht, dass ohne weitreichende Klimamaßnahmen ein „Kipppunkt“ erreicht werden könnte. Würde dieser überschritten, wäre demnach die Handlungsmöglichkeiten der nächsten Generation „so eingeschränkt, dass von den Freiheitsrechten nicht viel übrig bliebe“. Dies sei mit verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen nicht vereinbar.
Für die heutige Politik ist dieses Urteil gleichsam ein Freibrief dafür, keinen Aufwand zu scheuen, um radikale Klimaschutzmaßnahmen im vermeintlichen Interesse der künftigen Generationen durchzusetzen.
Gleichzeitig bedeutet dies, dass heutige Regierungen unter Berufung auf dieses Urteil auch hohe Schulden zu deren Finanzierung eingehen können. Ob die damit finanzierten Maßnahmen das Klima zugunsten der heutigen jungen Generation beeinflussen, wird sich zeigen. Die Schuldenlast bliebe ihr jedoch selbst dann erhalten, wenn dies nicht der Fall sein sollte.
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