Wagenknecht stellt BSW vor – neun Abgeordnete verlassen Linkspartei
Am Montag, 23.10., hat die langjährige Linkspolitikerin Sahra Wagenknecht in der Bundespressekonferenz in Berlin offiziell den Verein BSW – Für Vernunft und Gerechtigkeit e. V. vorgestellt. Deren Aufgabe wird es sein, bis Januar 2024 die offizielle Gründung einer politischen Partei vorzubereiten.
Zu Beginn der Pressekonferenz erklärte die scheidende Vorsitzende der Linksfraktion, Amira Mohamed Ali, dass mehrere Abgeordnete ihren Austritt aus der Linkspartei erklärt haben. Der „Spiegel“ schreibt von zehn „Wagenknecht-Getreuen“, von diesen seien neun gegenwärtige Bundestagsabgeordnete. Einen weiteren Verbleib in der Fraktion bis zur offiziellen Gründung der Partei habe man jedoch beantragt.
BSW wolle Polarisierung und Resignation entgegenwirken
In einem Eingangsstatement erklärte Mohamed Ali, die Linkspartei sei gescheitert. Sie habe seit der EU-Wahl 2019 eine Reihe zum Teil gravierender Wahlniederlagen eingefahren. Eine Auseinandersetzung mit den Gründen sei jedoch stets unterblieben.
Nun sei es erforderlich, eine bestehende Lücke im Parteiensystem zu füllen. Man wolle Menschen ansprechen, die sich von keiner der vorhandenen politischen Kräfte im Bundestag mehr angesprochen fühlen. Auf diese Weise könne man einen Beitrag gegen die zunehmende Polarisierung leisten.
Zudem wolle man Menschen aus der Wahlenthaltung herausholen. Dies gehe nur mit einem seriösen Angebot an die Arbeitenden und an die mittelständische Wirtschaft.
Wagenknecht kritisiert „blinden, planlosen Öko-Aktivismus“
Anschließend ergriff Sahra Wagenknecht selbst das Wort. Sie erklärte, dass Deutschland ausgerechnet in einer Zeit multipler Krisen die „schlechteste Regierung in der Geschichte der Bundesrepublik“ habe. Die Ampel, so die Politikerin, agiere ohne jeden strategischen Weitblick, trete arrogant auf und wirke vielfach schlicht inkompetent.
Der derzeitige Kurs der Bundesregierung versage in der Außenpolitik, die Sanktionen gegen Russland seien selbstschädigend und die Industrie verabschiede sich wegen zu hoher Kosten aus Deutschland. Dazu komme ein schlechter Zustand des Bildungswesens. Dadurch drohe ein massiver Wohlstandsverlust.
Auch ein „blinder, planloser Öko-Aktivismus“ helfe am allerwenigsten dem Klima. Um hier Ergebnisse zu erzielen, seien „Zukunftstechnologien made in Germany“ erforderlich, stattdessen wanderten diese nach China ab.
Für Entspannungspolitik und Ende der „Cancel Culture“
Die Politik der Bundesregierung bedrohe vor allem Klein- und Mittelbetriebe in ihrer Existenz, erklärte Wagenknecht weiter. Bereits seit Jahren finde eine „Umverteilung weg von den Fleißigen und hin zu den oberen Zehntausend“ statt. Es gebe immer weniger tarifgebundene Arbeitsverhältnisse. Zudem gehöre das Rentenniveau in Deutschland zu den niedrigsten in ganz Westeuropa.
Wagenknecht kritisierte zudem, dass die Regierung in Berlin das Erfolgsmodell der Entspannungspolitik verlasse. Konflikte ließen sich immer weniger militärisch lösen. Dies gelte für die Ukraine, wo neben dem globalen Süden etwa auch die US-amerikanische „Rand Corporation“ eine Verhandlungslösung fordere. Aber auch im Nahen Osten werde perspektivisch die Diplomatie zur Konfliktlösung gebraucht.
Ein weiteres Problem in Deutschland sieht Wagenknecht in der mangelnden Redefreiheit im Land. Aus Angst vor der „Cancel Culture“ wage es mittlerweile etwa die Hälfte der Bürger nicht mehr, außerhalb geschützter Räume ihre Meinung zu sagen. Der Meinungskorridor müsse dringend eine Erweiterung erfahren.
Wagenknecht und Suikat konkretisieren Positionen zur Vermögenssteuer
Die künftige Partei von Wagenknecht werde vier zentrale Themenbereiche in den Mittelpunkt stellen. Bei diesen handele es sich um „wirtschaftliche Vernunft, soziale Gerechtigkeit, Frieden und Freiheit“. Ein Gründungsmanifest fand im Rahmen der Pressekonferenz Verteilung. Dessen Inhalte sind auch auf der authentischen Website des BSW nachzulesen.
Wagenknecht mahnte gegenüber den anwesenden Journalisten eine faire Berichterstattung an. So wies sie unter anderem den Vorwurf zurück, eine „Staatswirtschaft wie in der DDR“ anzustreben. Ein möglicher Faktor, der zu dieser Darstellung Anlass gegeben hat, könnte möglicherweise die Rolle des IT-Unternehmers Ralph Suikat sein. Dieser hatte eine Kampagne für hohe Steuern auf Vermögen und Erbschaften ins Leben gerufen. Im Verein BSW fungiert er als Schatzmeister.
Wie Suikat selbst betonte auch Wagenknecht am Montag, es gehe dabei „nicht um eine Vermögenssteuer, die den Mittelstand belastet“. Außerdem werde nicht das „Häuschen für die Mittelschicht“ ins Visier genommen, auch wenn dieses in einigen Gegenden einen erheblichen Wert verkörpere. Stattdessen wolle man „Milliardenbesitzer, die auch Einfluss auf die Politik ausüben“, in die Pflicht nehmen.
BSW wird zur EU-Wahl kandidieren – Entscheidung über Landtagskandidaturen vertagt
In der Energiepolitik forderte Wagenknecht, die Energiepreise müssten mindestens auf das Niveau anderer EU-Länder oder der USA sinken. Perspektivisch sei ein Ausstieg aus fossilen Energieträgern zwar anzustreben, allerdings reichten Windkraft und Sonnenenergie für die Versorgung eines Industrielandes nicht aus. Dazu bedürfe es auch neuer Technologien.
Die erste Wahl, der sich die in Gründung befindliche Wagenknecht-Partei stellen werde, werde die EU-Wahl im Juni sein. In diesem Zusammenhang trat die Gründerin in spe für eine „neue Idee von Europa“ ein. Zwar müsse sich Europa zwischen den Machtblöcken USA und China eigenständig und souverän aufstellen. Dies bedeute jedoch nicht, noch mehr Machtbefugnisse an die EU-Kommission abzutreten.
Wagenknecht sprach von einem „Europa der souveränen Demokratien“. Dieses solle über Infrastruktur, wirtschaftliche Kooperation und einen Austausch zusammenwachsen, der nicht nur vom Geldbeutel der Eltern abhänge.
Ob und zu welchen Landtagswahlen die BSW-Partei im nächsten Jahr antreten werde, müsse diese nach ihrer Gründung entscheiden. Man sei sich jedoch der Erwartungshaltung bewusst, die vonseiten der Bevölkerung bestehe. Diese wolle eine Präsenz dort, wo politische Entscheidungen vor Ort stattfänden.
Mahnung zu Rückkehr zur Diplomatie im Nahostkonflikt
Mit Blick auf den Konflikt im Nahen Osten versuchte Wagenknecht augenscheinlich, die teilweise weit auseinandergehenden Positionen in ihrer Anhängerschaft auszubalancieren. Auf der einen Seite betonte sie das Recht Israels, sich gegen den brutalen Terror der Hamas zu wehren.
Andererseits verwendete sie mit Blick auf den Gazastreifen auch das Wort „Freiluftgefängnis“, ohne allerdings ausschließlich die Regierung in Israel für den Zustand verantwortlich zu machen. Vor einer groß angelegten Bodenoffensive in Gaza warnte sie jedoch. Diese würde zahlreiche zivile Opfer fordern.
Die „Zweistaatenlösung“ und ein Ausgleich der Interessen auf diplomatischem Wege werde perspektivisch die Situation entspannen können, meinte die Politikerin. Am Ende werde es auch für diesen Konflikt „keine militärische Lösung“ geben.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion