Veto gegen „Selbstbestimmungsgesetz“: Faeser-Ministerium befürchtet Vorteil für Kriminelle

Das Bundesinnenministerium unter Nancy Faeser hat mit einem Veto eine Abstimmung über das „Selbstbestimmungsgesetz“ verhindert. Sie befürchtet Vorteile für Kriminelle.
Mit dem Selbstbestimmungsgesetz sollen Geschlechtseinträge einfacher geändert werden können.
Mit dem Selbstbestimmungsgesetz sollen Geschlechtseinträge einfacher geändert werden können.Foto: Peter Steffen/dpa
Von 10. Juli 2023

Neben dem Heizungsgesetz ist die Ampelkoalition vorerst auch bei einem zweiten Prestigeprojekt gescheitert. Auch beim geplanten sogenannten Selbstbestimmungsgesetz ist es ihr nicht gelungen, dieses vor der parlamentarischen Sommerpause auf den Weg zu bringen.

Diesmal war es allerdings nicht das Bundesverfassungsgericht, das sich quergestellt hat, sondern der eigene Behördenapparat. Vor allem das Bundeskriminalamt (BKA) hat demnach darauf gedrängt, dass das Bundesinnenministerium sein Veto gegen den aktuellen Entwurf einlegt. Daraufhin sei das Thema im Bundestag – zum mittlerweile dritten Mal – von der Tagesordnung verschwunden.

Betrüger hatte sich bei Ämtern neue Dokumente besorgt

Wie „The Pioneer“ und die „Welt am Sonntag“ berichteten, hätten Bedenken bezüglich der Strafverfolgung den Ausschlag gegeben. So habe das BKA gewarnt, dass das behördliche Entstehenlassen einer „neuen Person“ unliebsame Folgen haben könne. Dies gelte umso mehr, als damit eine rückwirkende Änderung aller Dokumente verbunden sei.

Es ist demnach denkbar, dass damit „für Kriminelle die Möglichkeit entstünde, sich auf diesem Weg der polizeilichen Verfolgung zu entziehen“. Am Ende könne es möglich werden, sich durch den Gang aufs Standesamt der Strafverfolgung zu entziehen. Betrüger oder Sexualstraftäter könnten ihre neue Identität nutzen, um unterzutauchen.

Die „Berliner Zeitung“ hatte im Mai über einen entsprechenden Fall geschrieben. Demnach hatte sich ein Betrüger mit der Behauptung, transgeschlechtlich zu sein, bei mehreren Bezirksämtern neue Personaldokumente als Frau beschafft. Diese habe er zum Abschluss von Mobilfunkverträgen und zum Online-Shopping genutzt.

GdP: Gesetz darf nicht „zum Sicherheitsrisiko werden“

Die Bezirksämter hatten die geplante Neuregelung faktisch bereits vorvollzogen. Möglicherweise ging dort niemand eventuellen Verdachtsmomenten nach, um nicht in den Verdacht der „Transfeindlichkeit“ zu gelangen. Davor warnte bereits damals die Gewerkschaft der Polizei (GdP).

Das Magazin „Emma“ zitierte deren Pressesprecher Benjamin Jendro mit den Worten:

Es gibt leider jetzt schon Menschen, die die stetige Angst der Kollegen vor Diskriminierungsvorwürfen ausnutzen.“

Er gab seiner Befürchtung Ausdruck, dass das „Selbstbestimmungsgesetz“ es „Kriminellen leichter machen“ könnte. Es müsse eine Nachverfolgbarkeit gewährleistet werden, so Jendro. Die Polizei müsse sehen können, dass der Geschlechtseintrag geändert wurde – und worauf die frühere Identität gelautet hätte. Das Gesetz dürfe „nicht zum Sicherheitsrisiko werden“.

Keine Klärung der Frage in bisherigen Gesetzeswerken

Bereits am 21. Juni hatte das Bundesinnenministerium „Klärungsbedarf“ bezüglich des Gesetzes angemahnt. Dieses soll trans- und intergeschlechtlichen Bürgern eine vereinfachte Änderung von Namens- und Geschlechtseinträgen beim Standesamt ermöglichen. Auch eine Woche später kam ein Beschluss aus diesem Grunde nicht zustande.

Am Dienstag der Vorwoche, 4. Juli, sei es den Ministern Lisa Paus, Marco Buschmann und Nancy Faeser nicht gelungen, offene Fragen gemeinsam zu klären. Damit war das Vorhaben, das Gesetz noch vor der Sommerpause zu verabschieden, geplatzt.

Das Onlineportal „queer.de“ äußert sich verwundert darüber, dass die Thematik erst jetzt problematisiert werde. Offenbar habe man zwei Gelegenheiten, diese Frage einer Klärung zuzuführen, ungenutzt verstreichen lassen. So sei weder beim Transsexuellengesetz von 1981 noch beim geänderten Personenstandsgesetz mit der „dritten Option“ 2018 eine entsprechende Regelung erfolgt.

Ataman hält Kritik am Gesetz für „irrational“

Die Möglichkeit für Kriminelle, sich mittels neuer Identität der Strafverfolgung zu entziehen, stellt nicht die einzige Kritik an dem geplanten Gesetzesvorhaben dar. Konservative Kritiker halten es für einen Akt der Irrationalität, jährlich einen Geschlechtswechsel per Selbsterklärung auf dem Standesamt zu erlauben.

Dies wiege umso schwerer, als Jugendliche bereits ab 14 Jahren unter Umgehung der Eltern und ohne Konsultation eines Psychologen ihren Geschlechtseintrag selbst ändern lassen könnten. Zudem könnten Männer ihren Geschlechtseintrag ändern lassen, um in weibliche Schutzräume vorzudringen.

Der Deutsche Frauenrat und die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, halten diese Debatten hingegen für unrealistisch. „Wir haben in Deutschland überwiegend gemischtgeschlechtliche Saunen“, äußerte Ataman dazu. „Kein Mann muss seinen Geschlechtseintrag ändern lassen, um in Deutschland eine nackte Frau zu sehen.“

„Genozidal-faschistische Bedrohung“

Die Vorsitzende des Deutschen Frauenrates, Beate von Miguel, erklärte, „vermeintliche Schreckensszenarien“ würden „gezielt missbraucht, um gefährliche Vorurteile gegenüber Transmenschen zu schüren“.

Kritik am geplanten „Selbstbestimmungsgesetz“ kommt jedoch auch von ganz links. So gab es im vergangenen Mai eine Vandalismusattacke auf das Privathaus von Bundesjustizminister Marco Buschmann.

In einem Bekennerschreiben warfen dessen Urheber Buschmann vor, Teil einer „genozidal-faschistischen Bedrohung“ gegenüber der Transcommunity zu sein. Anlass dazu gab der Passus des Entwurfs, wonach in Kriegszeiten die Erklärung eines Geschlechterwechsels unterbunden werden könne.

(Mit Material von dpa)



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