Verstaatlichung des deutschen Stromnetzes? Tennet prüft Verkauf an Bund
Die deutsche Bundesregierung ist an der Übernahme des deutschen Stromnetzes interessiert. Der niederländische Netzbetreiber Tennet hat sich nun zum Verkauf seines deutschen Stromnetzes an den deutschen Staat bereit gezeigt. Einige Wettbewerbsökonomen kritisieren allerdings diesen Schritt.
Tennet zeigt sich offen, „Gespräche mit der deutschen Regierung aufzunehmen, um die Möglichkeit eines vollständigen Verkaufs der deutschen Aktivitäten (…) zu akzeptablen Bedingungen auszuloten“, erklärte das Unternehmen am Freitag. Der Netzbetreiber befindet sich vollständig im Besitz des niederländischen Staates.
Tennet (im Original auch TenneT geschrieben) ist mit 24.500 Kilometern der größte der vier Übertragungsnetzbetreiber in Deutschland und versorgt insgesamt 42 Millionen Haushalte und Unternehmen mit Strom. Das Unternehmen ist zuständig für einen Nord-Süd-Korridor von der Nordsee bis zur österreichischen Grenze und bislang auch für sämtliche Offshore-Netzanbindungen aus der Nordsee.
Will die Bundesregierung das gesamte Stromnetz übernehmen?
Deutschland will den Ausbau von Stromtrassen insbesondere von Norden nach Süden stark beschleunigen, um mit Windkraftanlagen in der Nordsee produzierten Strom zu transportieren. Dass ein Großteil der Finanzierung mit der niederländischen Regierung ausgehandelt werden muss, weil diese über Tennet das deutsche Stromnetz besitzt, ist der Bundesregierung schon länger ein Dorn im Auge.
Eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums sagte am Freitag, die Bundesregierung führe seit Oktober Gespräche mit der niederländischen Regierung. „Diese dauern an.“ Dass Tennet nun den vollständigen Verkauf prüfen wolle, „begrüßen wir“, sagte die Sprecherin.
Das Unternehmen erläuterte: „Tennet erkennt an, dass sowohl die niederländische als auch die deutsche Regierung es vorziehen, ihre jeweiligen nationalen Stromnetze zu finanzieren, kontrollieren und besitzen.“ Denn beide Länder konzentrierten sich derzeit auf den Ausbau der Infrastruktur für die Energiewende. Der einzige Anteilseigner, die niederländische Regierung, habe aber noch keine endgültige Entscheidung getroffen. Die nächsten Schritte würden „in enger Zusammenarbeit“ mit Den Haag unternommen.
Niedersachsens Energieminister Christian Meyer (Grüne) erklärte, mit einem Großteil des Stromnetzes in öffentlicher Hand „hätten wir viel mehr und stärkere Steuerungsvorteile für die Energiewende“. Der Bund könnte mit einer Übernahme stärker in die Verantwortung für den notwendigen Netzausbau gehen. Zuspruch kam auch von den Linken: „Stromnetze gehören in öffentliche Hand“, erklärte deren Bundestagsabgeordneter Klaus Ernst.
Aus der möglichen Tennet-Netzübernahme sei laut der Sprecherin des Wirtschaftsministeriums nicht zu schließen, dass die Bundesregierung das gesamte deutsche Stromnetz übernehmen wolle. Das werde von Fall zu Fall entschieden. Der Preis für die Übernahme dürfte laut einem Bericht der „Welt“ für den Steuerzahler im zweistelligen Milliardenbereich liegen.
Verstaatlichung löst Kritik aus
Mit Gazprom Germania und Uniper gewann der Bund im vergangenen Jahr bereits mehr Einfluss auf unser Gasnetz. Nun scheint die Energie-Infrastruktur im Visier der Ministerien zu sein. Mehrere Wettbewerbsökonomen sehen diese Entwicklung kritisch.
„Staatseinstiege sind ja wieder en vogue. Der Staat selbst sollte sich aber kritisch fragen, in welchen Fällen eine Beteiligung dem Gemeinwohl dient“, sagte Daniel Zimmer, Direktor des Instituts für Handels- und Wirtschaftsrecht an der Universität Bonn. „Dass der Bund als Eigentümer kein verlässlicher Garant für die Qualität einer Infrastruktur ist, sieht man am maroden Schienennetz der Bahn.“
Ähnlicher Meinung ist auch Justus Haucap, Direktor des Düsseldorfer Instituts für Wettbewerbsökonomie (DICE). „Ich kann verstehen, dass es für das Fortkommen der Energiewende denkbar ungünstig ist, wenn der niederländische Staat als Tennet-Eigentümer nicht mehr ins deutsche Netz investieren will“, sagte Haucap der „Welt“. Er finde es aber unverständlich, dass „ausgerechnet der deutsche Staat das Netz kaufen soll.“
Die Historie der Infrastrukturen in Staatshand würde kaum überzeugende Beispiele aufweisen. Haucap bezweifle zudem, ob die Bundesnetzagentur den Strommarkt dann noch unabhängig regulieren könne, wenn ein substanzieller Teil des Stromnetzes im Eigentum der Regierung ist. „Wir sehen gerade so etwas wie die Re-Verstaatlichung der gesamten Energiewirtschaft“, sagte Haucap. „Ich bin skeptisch, ob das langfristig der beste Weg ist.“
(Mit Material von AFP)
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