Urteil zu Corona-Quarantäne bei Einreise: Verweis auf RKI verstieß gegen Rechtsstaatsprinzip

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat eine Corona-Verordnung aus dem Jahr 2020 für unwirksam erklärt. Bayern sah eine Pflicht zu zehntägiger Quarantäne bei Einreise aus Risikogebieten vor.
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Symbolbild: Quarantäne.Foto: iStock
Von 5. August 2023

Am Mittwoch, 2. August, hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) eine kontrovers diskutierte Verordnung des Freistaats Bayern aus der Corona-Zeit für unwirksam erklärt. Dabei ging es um die Pflicht zum Antritt einer zehntägigen Quarantäne nach der Einreise aus einem Risikogebiet. Die Verordnung datiert vom 5. November 2020.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit ließ der BayVGH die Revision an das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zu. Ob der Freistaat diese einlegen wird, ist noch unklar.

Quarantäne ohne weitere Anhaltspunkte auf Infektion angeordnet

Wie die „Legal Tribune Online“ (LTO) schreibt, sah das Gericht sowohl Mängel in der inhaltlichen Begründung der Verordnung als auch Verstöße gegen das Rechtsstaatsprinzip. Dem Urteil (Az. 20 N 20.2861) zufolge sei die bloße Einreise aus einem Risikogebiet grundsätzlich nicht geeignet, einen ausreichenden Ansteckungsverdacht zu begründen.

Vielmehr müssten weitere Elemente für eine solche Annahme hinzutreten. Dazu gehörten entweder eindeutige Symptome, eine entsprechende Anamnese oder ein Kontakt mit einer infizierten Person. Die Verordnung sah jedoch eine pauschale Pflicht zur Quarantäne für alle Personen vor, die aus einem ausländischen Risikogebiet nach Bayern einreisten.

Geklagt hatte ein Ehepaar aus München gegen die Regelung. Dieses hatte eine Reise in eine Region geplant, der das Robert Koch-Institut (RKI) zum Zeitpunkt der Einreise ein höheres Ansteckungsrisiko attestiert hatte.

BayVGH beanstandet Verweis auf tagesaktuellen Bericht des RKI

Das Ehepaar hatte unter anderem vorgebracht, dass lediglich Regionen im Ausland gemäß der damaligen Verordnung als Risikogebiete eingestuft waren. Eine ähnliche Regelung für inländische Gebiete mit hoher Inzidenz habe die Verordnung nicht beinhaltet.

Dies, obwohl nicht nur zahlreiche andere deutsche Gebiete, sondern auch Bayern selbst eine höhere Sieben-Tage-Inzidenz aufgewiesen hatte. Dies habe die Regelung, die in ihre Freiheitsrechte eingriff, gleichheitswidrig und intransparent gemacht.

Der BayVGH folgte nicht nur dieser Auffassung, er nahm auch Anstoß daran, dass das RKI laut der Verordnung de facto zu einem Ersatzgesetzgeber wurde. Die Verordnung hatte bezüglich der Einstufung als Risikogebiet auf die jeweilige tagesaktuelle Veröffentlichung des RKI verwiesen.

Dies sei ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip gewesen. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung habe es an einer gesetzlichen Grundlage für die rechtswirksame Festsetzung von Risikogebieten gefehlt.

Bundesverwaltungsgericht erklärte bereits erste Lockdown-Verordnungen in Bayern für rechtswidrig

Bereits im November 2022 hatte das Bundesverwaltungsgericht Teile der ersten Lockdown-Verordnungen des Freistaats für unverhältnismäßig erklärt. Unter anderem nahm das Gericht an dem darin enthaltenen Verbot Anstoß, allein oder mit Angehörigen des eigenen Hausstands im Freien zu „verweilen“.

Für das erklärte Ziel der Verordnung, hausstandsübergreifende Kontakte zu verhindern, sei die Regelung nicht erforderlich gewesen. Außerdem sah das Gericht sie als unverhältnismäßig an. Unter anderem hatte das Gericht einen Größenschluss vollzogen: Demnach konnte das Lesen eines Buches oder Sitzen auf einer Bank nicht strenger geahndet werden als Sport und Bewegung an der frischen Luft. Diese waren allein oder mit Angehörigen des Hausstandes ausdrücklich gestattet.

Einige Tausend Personen erhielten aufgrund der Bestimmung Bußgeldvorschreibungen. Im März des Jahres kündigte die Bayerische Staatsregierung an, die zu Unrecht verhängten Bußgelder zurückzuerstatten.

Bayern will schriftliches Urteil zu Quarantäne nach Einreise „genau prüfen“

Ob der Freistaat eine Erstattung von Schadensersatz für die Folgen der nun für unwirksam erklärten Pflicht zur Quarantäne nach Einreise erwägt, ist ungewiss. Möglicherweise würde dies erst nach einem gleichlautenden Revisionsurteil zum Thema.

Wie der BR berichtet, verweist das Gesundheitsministerium darauf, dass ein solches Vorgehen auf EU-Ebene abgestimmt gewesen sei. Zudem gab der Freistaat vor Gericht an, er habe die Verordnung zur verpflichtenden Quarantäne nach Einreise „auf Grundlage einer Musterverordnung des Bundes“ erlassen. Nun wolle man „das schriftliche Urteil genau prüfen“.



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