„Unanständiger“ Vorteil: Faeser erklärt Twitter-Account des Ministeriums für „privat“
Bundesinnenministerin Nancy Faeser könnte mit der Umwidmung ihres Twitter-Accounts gegen die Verfassung und das Parteiengesetz verstoßen haben. Diese Meinung vertreten unter anderem Oppositionspolitiker und Juristen wie der Kölner Rechtsanwalt Dr. Christian Conrad.
Am Donnerstag der Vorwoche, 2. Februar, hatte Faeser verkündet, parallel zu ihrem Ministeramt auch die SPD-Spitzenkandidatur für die Landtagswahlen in Hessen zu übernehmen. Zurück in die Landespolitik will die Landesvorsitzende der hessischen SPD aber nur als Ministerpräsidentin. Diese bedingte Rückkehrbereitschaft politisch zu bewerten, ist Sache des hessischen Wählers. Allerdings wirft das damit zusammenhängende Gebaren der Minister offenbar auch juristische Fragen auf.
Faeser fügt Amtsbezeichnung politische Funktion hinzu
Am Donnerstag hatte Faeser nicht nur offiziell ihre Spitzenkandidatur für die Hessenwahl angekündigt. Sie hat diesen Anlass zudem genutzt, um ihren bis dahin amtlich als Bundesinnenministerin genutzten Twitter-Account kurzerhand zu „privatisieren“ – unter Mitnahme aller bis dahin 142.707 Follower.
Dazu erklärte sie:
Ich bin mit voller Kraft Bundesinnenministerin. Künftig werde ich hier aber auch über meine Arbeit als SPD-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl in Hessen informieren, daher wird dieser Kanal nicht mehr von meinem Ministerium betreut.“
In weiterer Folge änderte sie ihr Profilbild und fügte der Amtsbezeichnung „Bundesministerien des Innern und für Heimat“ die Funktionsbezeichnung als „Landesvorsitzende SPD Hessen“ hinzu. Das Impressum lautete nicht mehr auf das Bundesinnenministerium als Amt, sondern auf die Parteiseite „nancy-faeser.de“.
Follower des Ministeriums kurzerhand „mitgenommen“
Faeser ging offenbar davon aus, damit ihrer bis zum Herbst wahrgenommenen Doppelrolle in angemessener Weise gerecht geworden zu sein. Stattdessen stieß sie mit dem Schritt jedoch auf heftige Kritik. Die CDU-Bundestagsabgeordnete Serap Güler warf ihr eine Zweckentfremdung ihrer Follower vor, die ihren Account mit einer anderen Erwartungshaltung abonniert hätten:
Menschen sind Ihnen gefolgt, weil Sie hier als Innenministerin kommuniziert haben. Mit einem Profilbildwechsel und der Bio-Änderung sind Sie nicht plötzlich die SPD-Spitzenkandidatin aus Hessen. Es gibt so etwas wie Demut vor dem Amt, auch im Netz.“
Ihr Fraktionskollege Matthias Hauer erklärte es für „unanständig“, eine vom Ministerium aufgebaute und lange Zeit administrierte Seite zur privaten parteipolitischen Wahlkampfseite umzuwidmen. Dies gelte umso mehr, als sie mit einem für diesen Zweck neu eröffneten Account erst wieder Reichweite hätte aufbauen müssen. Stattdessen habe sie fast 130.000 Follower, die seit Dezember 2021 dem Ministerium gefolgt seien, einfach kurzerhand mitgenommen.
Amt darf nicht für parteipolitische Zwecke ausgenutzt werden
Rechtsanwalt Conrad, der auch Herausgeber eines Standardwerks zum öffentlichen Äußerungsrecht ist, sieht das Vorgehen Faesers auch juristisch als problematisch. In der „Legal Tribune Online“ (LTO) schreibt er in einer Analyse, dass es zwar in der Natur der Sache liege, dass ein Minister in vielfältiger „Rolle“ in der Öffentlichkeit auftreten könne.
Allerdings habe ein Accountname, der auf eine Amtsbezeichnung laute, nach gefestigter Rechtsprechung einen hoheitlichen Charakter. Daraus folge, es müsse sichergestellt sein, dass der Rückgriff auf Mittel, die mit dem Regierungsamt verbunden seien, keinen Vorteil gegenüber dem politischen Wettbewerber verschaffe.
Faesers Account mag demnach zwar ursprünglich privat gegründet worden sein, mit der Erklärung, dass „dieser Kanal nicht mehr vom Ministerium betreut“ werde, sei explizit deutlich geworden, dass es zuletzt ein amtlicher Account gewesen sei.
Faeser könnte Hessens SPD durch unzulässige Spende in Schwierigkeiten gebracht haben
Staatsorgane dürften ihren amtlichen Account jedoch nicht für parteipolitische Zwecke nutzen. Auch dürfen sie sich nicht mit politischen Parteien oder Wahlbewerbern identifizieren oder solche unter Einsatz staatlicher Mittel unterstützen oder bekämpfen. Andernfalls liege ein unzulässiger Eingriff in die Willensbildung der Bürger und in den politischen Wettbewerb vor.
Conrad sieht diesen Grundsatz durch die Übertragung eines vormals amtlichen Accounts zu Wahlkampfzwecken an einen Wahlkampfwerber verletzt. Im Übrigen ergäben sich auch Probleme des Daten- und Persönlichkeitsschutzes, sofern der Account zum Nachrichtenverkehr genutzt worden sei.
Hessens SPD könnte sogar eine Rückzahlungspflicht in dreifacher Höhe aufgrund eines geldwerten Vorteils durch eine unzulässige Parteispende drohen. Dies sei denkbar, weil die Übertragung des Accounts mit einem automatischen Zuwachs von rund 130.000 Followern verbunden war. Dies könne als nach Paragraf 25 Abs. 2 Nr. 1 PartG unzulässige Spende eines Ministeriums an eine Partei oder Politikerin gelten. Derartige unzulässige Spenden müssten nach der Regelung des Paragraf 25 Abs. 4 PartG unverzüglich an den Präsidenten des Deutschen Bundestages weitergeleitet werden.
Olaf Scholz zeigt sich als Vorbild
Conrad empfiehlt Faeser, den Account stillzulegen und zwecks Archivierung an das Ministerium zurückzuübertragen. Politische Mitbewerber könnten dies andernfalls sogar mit Erfolgsaussicht einklagen. Faeser solle sich stattdessen einen eigenen privaten Account zu Wahlkampfzwecken zulegen – und erforderlichenfalls Geld zum Aufbau von Reichweite investieren. Eine Vielzahl von Followern des Bundesinnenministeriums dürfte an hessischer Landespolitik ohnehin kein Interesse haben.
Als Vorbild könne ihr dabei ihr Parteikollege und Bundeskanzler Olaf Scholz dienen. Dieser unterhalte seit Mai 2009 einen Politikeraccount. Einen amtlichen Account des unter seiner Leitung stehenden Bundeskanzleramts gibt es dazu seit Februar 2022.
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