Faeser will als Ministerin in den Landeswahlkampf

In Hessen Wahlkampf machen, aber in Berlin Ministerin bleiben: Auf Nancy Faeser könnte eine Doppelrolle zukommen. Kritik kommt auch aus der Ampel.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser neben DFB-Präsident Bernd Neuendorf auf der Tribüne.
Artikel in „Antifa“-Publikationen, „One Love“-Binde, Beweislastumkehr: Nancy Faeser könnte als hessische SPD-Spitzenkandidatin vor allem verlorene Stimmen vom linken Rand zurückgewinnen.Foto: Federico Gambarini/dpa
Von 31. Januar 2023

Am kommenden Freitag (3. Februar) will Bundesinnenministerin Nancy Faeser verkünden, ob sie als Spitzenkandidatin der SPD für die Landtagswahlen in Hessen zur Verfügung steht. Die Wahl wird am 8. Oktober stattfinden. Derzeit regiert in dem Bundesland eine schwarz-grüne Koalition unter Ministerpräsident Boris Rhein.

Faeser will nur im Fall eines Wahlsieges nach Hessen zurückkehren

Wie die „Süddeutsche“ berichtet, soll Faeser mit Bundeskanzler Olaf Scholz bereits über die Kandidatur und die damit verbundene Doppelrolle gesprochen haben. Demnach ist dieser mit einer solchen einverstanden – und Faeser soll im Fall einer Niederlage Ministerin im Bundeskabinett bleiben. Einen Wechsel Faesers zurück in die Landespolitik werde es demnach nur als designierte Ministerpräsidentin geben.

Der „Welt“ zufolge wird die SPD am Freitag in Friedewald bekannt geben, wer als Spitzenkandidat ins Rennen geht. Für die CDU will Bouffier-Nachfolger Boris Rhein die Bestätigung vonseiten der Wähler suchen. Die Grünen gehen mit Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir ins Rennen.

Ein Sprecher der SPD Hessen sprach am Montagabend noch von „Spekulationen“. Am Freitag werde aber „eine weise Entscheidung“ getroffen, hieß es weiter. Aus dem Bundesinnenministerium gab es auch noch keinen Kommentar.

CDU ist mit wechselwilligen Bundesministern mehrfach gescheitert

Ein direkter Wechsel aus dem Bundeskabinett in ein Ministerpräsidentenamt ist in der Geschichte der Bundesrepublik kein Regelfall. Üblicherweise legen Landesverbände der Parteien Wert darauf, für das höchste Amt in ihrem Bundesland Personen zu nominieren, die aus der Landespolitik kommen. In den meisten Fällen nominierten die Parteien vormalige Landesminister oder Oppositionsführer.

Häufig hat es auch die Wählerschaft eher als Makel betrachtet, wenn amtierende Bundesminister Ambitionen entwickelt hatten, ihre weitere Karriere als Ministerpräsidenten zu planen. So scheiterte 1990 der damalige Bundesumweltminister Klaus Töpfer ebenso deutlich bei der Landtagswahl im Saarland wie später Bundesarbeitsminister Norbert Blüm in NRW. Auch Bundesinnenminister Manfred Kanther gelang es 1995 nicht, in Hessen Ministerpräsident zu werden.

In der SPD wechselte 2017 die vormalige Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig in die Staatskanzlei in Schwerin. Und seit 2021 regiert in Berlin ihre ehemalige Amtsnachfolgerin Franziska Giffey. Schwesig führte allerdings keinen Landtagswahlkampf als Bundesministerin, sondern beerbte den zurückgetretenen Erwin Sellering. Giffey wiederum war von ihrem Amt im Kabinett Merkel IV zurückgetreten, ehe sie in die Landespolitik wechselte.

Wechsel von Bundesamt in die Landespolitik gilt als Risiko

Warum amtierende Bundesminister es als Landesspitzenkandidaten häufig schwer haben, ist Gegenstand von Debatten. Ein möglicher Grund, warum die Doppelrolle als Minister und Wahlkämpfer Argwohn hervorruft, könnte der Eindruck sein, Politiker sähen sich ihrem Bundesministeramt nicht gewachsen. Außerdem scheint es eine weitverbreitete Überzeugung in der Wählerschaft zu sein, dass ein künftiger Ministerpräsident unmittelbar aus der Landespolitik kommen sollte.

Im Fall von Nancy Faeser liegt die Tätigkeit in der Landespolitik immerhin noch nicht so lange zurück. Sie gehörte von 2003 bis zu ihrem Wechsel in den Bund 2021 dem hessischen Landtag an. Im Jahr 2014 übernahm sie das Amt der Generalsekretärin der hessischen SPD, 2019 folgte sie Thorsten Schäfer-Gümbel als Landesvorsitzende nach.

Im Landtag leitete Faeser mehrere Ausschüsse, unter anderem jenen für den Justizvollzug. Sie saß auch der Parlamentarischen Kontrollkommission für den Verfassungsschutz und der G10-Kommission vor. Zuletzt war sie auch Oppositionsführerin.

Kubicki: Faeser „missbraucht Ministeramt als Wahlkampfbühne“

Ein Spaziergang wird der Landtagswahlkampf trotz der langen landespolitischen Erfahrung auch für Faeser nicht. In der früheren SPD-Hochburg hat die Partei in den vergangenen Jahrzehnten deutlich nach links an die Grünen verloren – und nach rechts an die AfD.

Einer Umfrage des Instituts Wahlkreisprognose vom Ende des Vorjahres zufolge liegt die CDU mit 28 Prozent nach wie vor in Front. Die Sozialdemokraten konnten jedoch Boden gutmachen und stehen mittlerweile wieder bei 25 Prozent. Bei den Landtagswahlen von 2018 erlitten sie mit 19,8 Prozent eine historische Wahlschlappe. Die Grünen würden bei 19 Prozent stagnieren.

Aus den Reihen von FDP und Grünen kommt bereits jetzt Kritik. FDP-Vize Wolfgang Kubicki erklärte, Faeser würde die Bundespolitik als Wahlkampfbühne missbrauchen. Grünen-Politiker Konstantin von Notz wittert eine mögliche Überforderung Faesers:

Ein Landtagswahlkampf als Spitzenkandidatin fordert die ganze Person, genauso wie das Amt der Bundesinnenministerin – gerade in diesen Zeiten.“

Dünne Personaldecke der SPD in Hessen

Auch der Vorsitzende der Bundespolizeigewerkschaft, Heiko Teggatz, forderte Faeser auf, sich für eine der beiden Aufgaben zu entscheiden. Es gehe immerhin um das „Amt einer Verfassungsministerin, welches mit mehr als nur der vollen Hingabe ausgeführt werden sollte“, erklärte Teggatz gegenüber dem „Handelsblatt“. Ein „politisches Taktieren um Posten“ würde zudem das Vertrauen seiner Polizeikolleginnen und -kollegen in die oberste Dienstherrin nicht besonders fördern.

Demgegenüber geht die zuletzt notorisch erfolglose Landes-SPD davon aus, dass ihre Personaldecke zu dünn sein könnte, um einen aussichtsreichen Kandidaten zu finden. Faeser hätte demgegenüber den Vorteil, dass ihr Bekanntheitsgrad im Bundesland hoch ist. Außerdem versteht sie es, im Zuge der Symbolpolitik auch Stimmen auf der äußersten Linken zu binden.
Dies könnte den Sozialdemokraten helfen, im Revier der Grünen zu wildern – und in jenem der Linkspartei. Diese hatte 2018 noch mit 6,3 Prozent den Einzug in den Landtag geschafft. Mittlerweile sehen sie Umfragen nur noch bei 1,5 Prozent.

Sollte es Faeser gelingen, in Hessen einen Regierungswechsel herbeizuführen, würde das der SPD ermöglichen, die Blockadeoptionen der Union auszuhebeln.



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