Ukraine-Krieg: Studie bescheinigt deutschen Medien Einseitigkeit und Eskalationsdrang

Eine Studie der Otto-Brenner-Stiftung bescheinigt deutschen Medien Einseitigkeit im Ukraine-Krieg. Waffen werden befürwortet, Diplomatie nicht.
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Dieses am 21. Dezember 2022 aufgenommene Foto zeigt eine blockierte Straße in Bachmut, Ostukraine. -Foto: SAMEER AL-DOUMY/AFP via Getty Images
Von 21. Dezember 2022

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Bereits zu Beginn des Ukraine-Konflikts im Jahr 2013 hatten Teile der Bevölkerung deutschen Medien eine parteiische Berichterstattung vorgeworfen. Damals ging es um die Bewertung des sogenannten Euromaidan und seine westlichen Unterstützer auf der einen Seite und der gewählten Regierung Janukowytsch sowie Russlands auf der anderen.

Deutsche Leitmedien, so der Vorwurf, dämonisierten Janukowytsch und Russlands Präsident Wladimir Putin. Gleichzeitig habe man die teilweise radikal nationalistischen Aufwallungen und die russophoben Ziele der Maidan-Akteure verharmlost. In sozialen Medien und auf Demonstrationen machte der Begriff der „Lügenpresse“ die Runde. Gegen deutsche Leitmedien erhoben sich Vorwürfe der „Kriegstreiberei“.

Studie wertete 4.300 Beiträge aus acht führenden Medien aus

Eine jüngst vorgelegte Studie der Otto-Brenner-Stiftung über die Berichterstattung zum Ukraine-Krieg des Jahres 2022 bestätigt nun im Kern die Vorwürfe fehlender Ausgewogenheit. Die gewerkschaftsnahe Einrichtung untersuchte dazu die Berichterstattungen von acht deutschen Leitmedien mit hoher Reichweite. In der Vorwoche legte sie dazu das Papier mit dem Titel „Die Qualität der Medienberichterstattung über den Ukraine-Krieg“ vor.

Die Autoren hatten für ihre Arbeit rund 4.300 Beiträge aus der Zeit zwischen dem 24. Februar und dem 31. Mai ausgewertet. In der Zeit danach habe die Berichterstattung zum Ukraine-Krieg insgesamt nachgelassen. In die Analyse mit einbezogen hatte man „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ), „Süddeutsche Zeitung“, „Bild“, „Spiegel“, „Zeit“, „Tagesschau“, „ZDF heute“ und „RTL Aktuell“.

Die Stiftung betont, dass die daraus erlangten qualitativen Aussagen nur für diese acht Medien repräsentativ seien und nicht für „die Medien“ insgesamt.

Die Berichterstattung anderer etablierter Nachrichtenmedien (z. B. Regionalzeitungen) ist dieser aber mit einer relativ hohen Wahrscheinlichkeit zumindest ähnlich.“

Die Bedeutung von Agenturmeldungen in Medien mit weniger Reichweite spricht ebenfalls dafür, dass es diesbezüglich wenige Unterschiede gibt. Für Nischen- oder Freie Medien trifft die Analyse zweifellos nicht zu – allerdings unterscheidet sich deren Zielpublikum von jenem der untersuchten Medien.

„Tatsächlich sehr einheitlich“ über Krieg in der Ukraine berichtet

Der thematische Schwerpunkt habe auf Ursachen, Entwicklungen und möglichen Maßnahmen zur Beendigung des Krieges gelegen. Diese Themen seien überwiegend aus der Perspektive Deutschlands dargestellt worden.

Die Otto-Brenner-Stiftung zieht dabei ein „durchaus differenziertes“ Fazit. In einigen Fällen hätten die untersuchten Medien „tatsächlich sehr einheitlich über den Krieg berichtet“. Dies betreffe insbesondere die Zuschreibung der Kriegsverantwortung an Russland und die Bewertung der beiden Kriegsparteien.

Die Autoren, die schon im ersten Satz der Vorstellung der Studie auf der Internetseite von einem „völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Souveränität der Ukraine“ schreiben, halten dies auch für legitim:

Dieses Berichterstattungsmuster ist aber wenig verwunderlich, weil Russland – bei allem möglichen Verständnis für eine dort vielleicht als bedrohlich wahrgenommene Ost-Erweiterung der NATO – einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt, der wenig Spielraum für andere Bewertungen lässt.“

Es ist ungewiss, ob sich die Autoren dabei des Umstandes bewusst sind, dass sie sich eines klassischen Zirkelschlusses bedienen. Zudem ist die NATO-Problematik nur ein Teilaspekt der Ukraine-Krise. Mit Blick auf die Vorgeschichte des Krieges spielten bereits seit 2014 auch andere Aspekte eine tragende Rolle – vom innenpolitischen Einfluss ukrainischer Nationalisten bis hin zum Krieg im Donbass.

Dass auch die Autoren selbst diese nicht ansprechen, lässt jedoch den Schluss zu, dass sie auch in den ausgewerteten Medien nicht erwähnt sind. Die Autoren äußern bezüglich dieser Problematik nur allgemein, dass Medien eine (Mit-)Verantwortung der Ukraine oder „den Westen“ (NATO, USA usw.) „zwar auch thematisiert“ hätten. Dies sei jedoch „relativ selten“ passiert. Ein möglicher Beitrag der Ukraine zum Kriegsausbruch sei nur in zwei Prozent der Beiträge angeklungen.

Medien schossen sich auf Bundeskanzler Scholz ein

Die Studie attestiert den untersuchten Medien eine „weit überwiegend positive“ Bewertung der Ukraine und ihres Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in der Berichterstattung. Demgegenüber habe man Russland und Präsident Putin „fast ausschließlich negativ bewertet“.

Noch positiver als die Ukraine hätten die deutschen Leitmedien nur Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock bewertet. Politiker aus der Regierung und den Koalitionsparteien seien auf eine mehr als viermal höhere Medienpräsenz als die Opposition gekommen. Positionen der Linkspartei oder der AfD hätten „in der Kriegsberichterstattung praktisch keine Medienpräsenz“ gehabt.

Dennoch sei die Berichterstattung der untersuchten Medien nicht durchgehend regierungskonform gewesen. Es kam vielmehr auf die jeweiligen Akteure an. Bei Bundeskanzler Olaf Scholz war demnach eine Entwicklung besonders augenfällig:

Wurde Scholz nach seiner Zeitenwende-Rede am 27. Februar in den ersten drei Wochen nach Kriegsausbruch noch überwiegend positiv bewertet, verschlechterte sich seine Bewertung bis Mitte April.“

Diese Verschlechterung stand im Kontext mit den anhaltenden Debatten um Waffenlieferungen und einen möglichen Besuch in der Ukraine. Unionschef Friedrich Merz erfuhr demgegenüber eine positivere Bewertung als Scholz und die Bundesregierung insgesamt.

Grüne Minister von der Kritik an der Bundesregierung ausgenommen

Im Zusammenhang mit der Frage einer einheitlichen Berichterstattung fiel den Autoren der Studie noch etwas auf. Weit überwiegend hätten deutsche Leitmedien demnach einen Siegfrieden für die Ukraine als erstrebenswerten Ausweg aus dem Krieg dargestellt.

Dementsprechend befürworteten diese fast einhellig Waffenlieferungen inklusive schwerer Waffen an die Ukraine. Wenig Unterstützung erhielten demgegenüber Ansätze, die eine diplomatische Lösung befürworteten. In diesem Zusammenhang bewerteten die untersuchten Medien Bundeskanzler Scholz durch die Bank als zu zögerlich.

Eine Ausnahme sei dabei der „Spiegel“ gewesen. Er sei es gewesen, der „als einziges Medium zumindest über die Lieferung schwerer Waffen sehr abwägend berichtete und eine diplomatische Lösung als sinnvoller darstellte“.

Warum sich die anderen so einhellig für die militärische Unterstützung der Ukraine ausgesprochen hätten, sei „eine sehr wichtige Frage, die wir mit unseren Inhaltsanalyse-Daten aber nicht klären können“.

Bei der Berichterstattung waren zudem „nicht alle Regierungsmitglieder gleichermaßen von der Kritik betroffen“, so die Studie. Die grünen Minister habe diese im Regelfall nicht betroffen. Die Autoren der Studie sehen insgesamt eine Tendenz in der deutschen Medienberichterstattung, die sich auch schon in der Corona-Zeit offenbart habe.

Vieles deute darauf hin, dass diese „nicht regierungsnah war, sondern die Regierung eher für ihre zögerliche Haltung kritisierte“. Anders ausgedrückt: Die deutschen Medien gefielen sich einmal mehr in der Rolle von Scharfmachern, die sich von der Regierung Eskalation statt Ausgleich wünschten.

Selenskyj besucht am Mittwoch Washington

Am heutigen Mittwoch (21.12.) will der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj US-Medien zufolge Washington besuchen. Zugleich will Russlands Präsident Wladimir Putin die militärischen Ziele für 2023 festlegen.

Für Selenskyj stellt der Besuch die erste Auslandsreise seit Beginn der russischen Militäroperation am 24. Februar dar. Nach Angaben eines hochrangigen Regierungsbeamten wird Präsident Joe Biden Selenskyj im Weißen Haus zu bilateralen Gesprächen empfangen. Im Anschluss daran wird es wahrscheinlich eine Pressekonferenz geben.

Selenskyj soll auch auf einer gemeinsamen Sitzung im Kongress sprechen. Auf diese Weise wolle man die „starke parteiübergreifende Unterstützung für die Ukraine“ unterstreichen. Mit Biden soll der ukrainische Präsident über militärische Perspektiven, Sanktionen und Exportkontrollen sowie wirtschaftliche Unterstützung sprechen.

Der Besuch soll „ein wichtiger Impuls und eine Unterstützung für die amerikanische und verbündete Unterstützung [für die Ukraine] für die kommenden Monate und so lange wie nötig“ werden.
Im Kongress steht eine Abstimmung über ein umfassendes Omnibus-Gesetz an. Darin geht es unter anderem um 44,9 Milliarden US-Dollar, die an Soforthilfe für die Ukraine und die NATO-Verbündeten vorgesehen sind.

USA gehen nicht von zeitnahem Ende des Krieges in der Ukraine aus

Die Regierung Biden will zudem Patriot Boden-Luft-Raketen nach Kiew schicken, um die Verteidigung gegen Angriffe auf die kritische Infrastruktur des Landes zu unterstützen. Es solle ein Signal an Präsident Putin gehen. Dieser habe „den Beginn dieses Konflikts falsch eingeschätzt, als er davon ausging, dass das ukrainische Volk nachgeben würde und dass die NATO uneins sein würde“.

Russland hat Berichten zufolge in der Vorwoche eine Offerte Selenskyjs zurückgewiesen. Dieser habe Verhandlungen unter der Bedingung eines Rückzugs russischer Truppen aus den von ihnen kontrollierten Gebieten vorgeschlagen.

Unterdessen geht man auch in den USA nicht davon aus, dass der Abnutzungskrieg in der Ukraine in absehbarer Zeit enden werde. Der Sprecher des Weißen Hauses, John Kirby, sagte bei einem Briefing in der vergangenen Woche, die Regierung Biden habe „keine Erwartung“, dass die Kämpfe in der Region im Winter nachlassen würden.



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