Stromnetze: Spitzenglättung möglicherweise gar nicht machbar – stattdessen droht echter Zusammenbruch
Wärmepumpen für die „Heizwende“, E-Autos für die „Verkehrswende“ – und das bei einer „Energiewende“, die Deutschland immer mehr von Importen abhängig macht: Da kann eine Überlastung der Stromnetze zum Thema werden. Um in einer solchen Situation einen Blackout zu vermeiden, soll die Bundesnetzagentur berechtigt sein, die sogenannte Spitzenglättung zu veranlassen.
Dies bedeutet, die Stromnetzbetreiber sollen in Abstimmung mit ihr bei zu hoher Nachfrage berechtigt sein, partiell die Versorgung zu drosseln. Vor allem Wärmepumpen und E-Autos sollen in solchen Krisensituationen damit rechnen müssen, vorübergehend mit weniger Strom beliefert zu werden.
Netzbetreiber für Spitzenglättung gar nicht ausgerüstet?
Ab Januar 2024 soll die entsprechende Ermächtigung vonseiten der Regierung in Kraft treten. Zwar heißt es, dass auch bei einer konkreten Überlastung dem Verbraucher eine Mindestleistung von 4,2 Kilowatt zur Verfügung stehen muss. Das ist jedoch deutlich weniger als der Verbrauch einer Wärmepumpe im Volllastbereich und kann zu entsprechenden Einschränkungen der Heizleistung führen.
Auch die Dauer des Ladevorgangs von E-Autos kann sich auf diese Weise erheblich verlängern. Wer im Besitz sowohl eines Elektroautos als auch einer Wärmepumpe ist, hat eine potenziell empfindliche Einschränkung seiner Lebensqualität zu befürchten.
Dies könnte unterdessen nicht das einzige Problem bei der Spitzenglättung sein. Wie „Bild“ berichtet, gibt es Zweifel daran, ob diese überhaupt in der vorgesehenen Form technisch machbar ist. Das Blatt schreibt gar, dass eigenen Informationen zufolge keiner knapp 900 deutschen Netzbetreiber tatsächlich in der Lage sei, die Drosselung umzusetzen.
Graichen sah dynamische Steuerung im Januar nicht machbar
Bereits am 27. Januar 2023 hatte dies auch der damalige Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Patrick Graichen, in diesem Sinne geäußert. Auf eine Kleine Anfrage der Unionsfraktion hin hieß es damals:
„In der Niederspannung ist derzeit keiner der abgefragten Verteilnetzbetreiber in der Lage, Netze dynamisch im Sinne des Eckpunktepapiers der Bundesnetzagentur zu steuern.“
Auch ein Sprecher von Netzbetreiber E.ON sprach gegenüber „Bild“ von einer „großen Aufgabe“, die das Umsetzen der Vorgaben der Bundesnetzagentur bedeute. Die Niederspannungsnetze sind im Wesentlichen jene, die den Großteil der täglichen Haushaltselektrizität betreffen.
Vor allem dort könnte es zu stark ausgelasteten Bereichen kommen, hieß es vonseiten der „Netze BW“ zufolge im Kontext eines Feldversuches gegenüber „golem.de“. Entsprechende Steuerungsanlagen, die man bis zum vollständigen Netzausbau benötige, seien nicht flächendeckend vorhanden. Allerdings erwarte man derzeit „keine unmittelbare Notwendigkeit für Steuermaßnahmen“.
Octopus Energy: Mehr Wärmepumpen und E-Autos könnten zu Überlastungen führen
Am Dienstag, 28.11., hatte die Bundesnetzagentur ihre „Regelungen zur Integration steuerbarer Verbrauchseinrichtungen“ verkündet. Diese regeln die Details zur Reduktion der Netzbelastung, sollte dessen Überlastung drohen, und seien als Notfallmaßnahmen gedacht.
Allerdings warnt Sebastian Schaule von Octopus Energy gegenüber vor mangelnden Produktionskapazitäten und unzureichender intelligenter Nutzung von Netzen. Diese könnten angesichts des beabsichtigten Ausbaus des Anteils von Wärmepumpen und E-Autos „durchaus öfter zu Überlastungen“ führen.
Wo die Rationierungen mangels entsprechender Steuerungsanlagen technisch nicht möglich seien, drohten „echte Engpässe“. Die Politik solle es entsprechend „mit Marktanreizen versuchen und nicht mit der Möglichkeit von Drosselungen“. CSU-Generalsekretär Martin Huber sprach in Anbetracht der drohenden Rationierungen von „grünem Heiz-Sozialismus“.
Stromnetz Berlin: Spitzenglättung „zum jetzigen Zeitpunkt unwahrscheinlich“
Die Bundesnetzagentur hatte im Juni 2023 einen überarbeiteten Entwurf zur „Spitzenglättung“ vorgestellt. Dieser sah konkrete Regelungen dafür vor, wie sich steuerbare Verbrauchseinrichtungen wie Wallboxen und Wärmepumpen „sicher und zügig“ in das Stromnetz integrieren ließen. Als Alternativen gelten die Drosselung der Stromversorgung für bestimmte Einrichtungen oder erhöhte Entgelte zu Stoßzeiten.
In der Praxis könnten Vereinbarungen zum Beispiel vorsehen, dass über reduzierte Netzentgelte ein Anreiz geschaffen wird, die Ladevorgänge an der eigenen Wallbox in die Nacht zu verschieben. Dies würde dazu beitragen, die Lastspitzen zu glätten und das Netz zu entlasten. Allerdings setzt auch dies die praktische Durchführbarkeit dieser Konzepte voraus.
Großstädtische Stromanbieter wie Stromnetz Berlin sehen die Thematik eher gelassen. Ein Sprecher betonte gegenüber „golem.de“, dass eine Drosselung steuerbarer Verbrauchseinrichtungen in Berlin „zum jetzigen Zeitpunkt unwahrscheinlich“ sei:
„Das Drosseln der Anlagen soll Engpässe im Netz kompensieren helfen. Diese Engpässe gibt es im Netz von Stromnetz Berlin aktuell nicht.“
Trotz geringen Anteils bereits ein Belastungsfaktor für das Stromnetz?
Der Anteil von Wärmepumpen am deutschen Gesamtmarkt für Geräte zur Wärmeerzeugung lag 2021 bei etwas über 16 Prozent. Verbreitet sind sie in erster Linie in Neubauten. E-Autos machten 2023 etwa 3,9 Prozent des Pkw-Bestandes und 17,7 Prozent der Neuzulassungen aus.
Nach dem Willen der Bundesregierung soll es bis Ende 2030 mindestens 15 Millionen zugelassene E-Autos auf deutschen Straßen geben. Experten rechnen damit, dass dieses Ziel mindestens zur Hälfte verfehlt wird. Beim Beheizen von Wohn- und Geschäftsräumlichkeiten soll die Wärmepumpe bis 2045 sogar den Regelfall darstellen.
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