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Steinmeier ruft Demonstranten zur Abgrenzung von Rechts auf – Seibert fordert: keine Pauschalisierung

Wer auf den Straßen den Schulterschluss mit Rechtsextremisten suche oder auch nur gleichgültig neben "Neonazis, Fremdenfeinden und Antisemiten" herlaufe, mache sich mit ihnen gemein, sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Die Verteidigung der freiheitlichen Demokratie sei nicht nur Aufgabe der Polizei. Jeder müsse seinen Beitrag leisten.

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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier spricht mit Polizeibeamten, die am Samstag bei der Großdemonstration gegen die Corona-Beschränkungen am 31. August 2020 in Berlin im Einsatz waren.

Foto: Maja Hitij/Getty Images

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Lesedauer: 7 Min.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die Teilnehmer von Corona-Demonstrationen dazu aufgerufen, sich von Rechtsextremisten abzugrenzen. „Wer sich über die Corona-Maßnahmen ärgert oder ihre Notwendigkeit anzweifelt, kann und darf dagegen demonstrieren“, sagte Steinmeier in einer Pressekonferenz am Montag in Berlin. „Mein Verständnis endet aber dort, wo Demonstranten sich vor den Karren von Demokratiefeinden und politischen Hetzern spannen lassen.“
Bei einem Treffen mit Polizisten hat Steinmeier deren Einsatz und „vorbildliches Verhalten“ bei den Protesten gegen die Corona-Politik und der Eskalation am Reichstagsgebäude gewürdigt. „Wir werden solche Ausschreitungen nicht hinnehmen“, sagte Steinmeier am Montag nach dem Gespräch mit Einsatzkräften. „Wir dulden keine antidemokratische Hetze und keine Herabwürdigung der Bundesrepublik Deutschland am Bundestag.“ Die Gewaltausschreitungen hätten „wieder einmal deutlich gezeigt: Der Rechtsextremismus hat tiefreichende Wurzeln in unserer Gesellschaft“.
Regierungssprecher Steffen Seibert sagte in einer weiteren Pressekonferenz: „Die überwiegende Mehrheit der Deutschen, der Menschen in Deutschland, über 80 Millionen verhalten sich ganz offensichtlich ganz anders in dieser Pandemie.“ Diese halten sich an die Regeln und das Abstandsgebot. Zudem benutzen sie die Masken. Das würde nicht immer leicht fallen, aber „die überwiegende Mehrheit tut es“, so Seibert. Aus diesem Grund fordert er, dass das Demonstrationsgeschehen am Wochenende nicht als Verkörperung eines großen Teils der Bevölkerung gesehen werden solle. Wenn eine Demonstration unter bestimmten Auflagen genehmigt werde, müssten sich die Teilnehmer daran halten. Allerdings müsse sich jeder überlegen, mit wem er marschiere.

Polizeieinsatz am Reichstag

Bei einer angemeldeten Dauerkundgebung mit dem Thema „Für Freiheit und Volksdemokratie – für Heimat und Weltfrieden (…)“ am Platz der Republik versammelten sich nach Polizeiangaben  ab 10 Uhr einige hundert Menschen, die in der Folge lautstark dazu aufforderten, den Platz freizugeben. Der Versammlungsleiter der Demonstration, von der sich die Initiative Querdenken distanziert hat, habe gegen 14.40 Uhr die Teilnehmer dazu aufgefordert, die an der Reichstagswiese aufgestellten Absperrgitter umzustoßen, um auf die Grünfläche zu gelangen. Um kurz nach 16 Uhr überwanden rund 50 Teilnehmende die Gitter und gelangten auf die Wiese vor dem Reichstag. Polizeikräfte begannen die Teilnehmer von der Wiese zu drängen.
Um kurz nach 19 Uhr strömte eine Vielzahl an Personen aus dem Bereich Brandenburger Tor kommend in Richtung Wiese vor dem Reichstag. Um dies zu lenken beziehungsweise zu unterbinden, sollten für den Bereich Simsonweg Ecke Scheidemannstraße Einsatzkräfte zusammengezogen werden. Diese Phase nutzte nach Polizeiangaben eine größere Personengruppe von etwa 300 bis 400 Personen. Sie überwanden aufgestellte Absperrgitter und gelangten so auf die Außentreppe des Reichstages.
Am Samstagabend hatten am Rande der Proteste gegen die Corona-Politik mehrere hundert  Demonstranten die Treppe zum Sitz des Bundestags gestürmt. Videos im Internet zeigen Szenen, wie ein Beamter versucht, sich verbal zur Wehr zu setzen. Ein Mann, der sich als Journalist ausgibt, appelliert: „Nicht schlagen“. Auch die anderen Demonstranten fordern: „Keine Gewalt“, während der Polizist bemüht ist, die wütende Menge zurück unterhalb der Treppe zu bewegen.

Verstärkung angefordert – Demonstranten zurückgedrängt

Wie durch den Pressesprecher der Polizei Berlin mitgeteilt wurde, haben die zur äußeren Sicherung des Reichstags am Ort befindlichen Einsatzkräfte unverzüglich reagiert und interveniert. Ein Eindringen in den Reichstag sei den Personen daher nicht möglich gewesen. Mit weiteren zur Sicherung des Bereiches eingesetzten Kräften wurden die Personen von der Treppe zurückgedrängt. Hierbei kam es nach Polizeiangaben zu Angriffen auf Einsatzkräfte. Die Versammlung wurde im Nachgang um kurz vor 20 Uhr aufgelöst, woraufhin sich die Personen vom Ort entfernten.
Unter den von Steinmeier zu seiner Pressekonferenz eingeladenen sechs Polizisten waren auch die drei Einsatzkräfte, die sich am Eingang zum Reichstagsgebäude zunächst alleine der wütenden Menge entgegengestellt hatten, bis Verstärkung eintraf.
Dass die Gewalt nicht hingenommen wurde, sei der Polizei Berlins, der Länder und des Bundes zu verdanken, „den vielen tausend Polizeibeamtinnen und -beamten, die am Samstag unter hohem persönlichem Risiko mit großer Professionalität Recht und Gesetz verteidigt haben“. Sie hätten dafür gesorgt, dass zehntausende Menschen ihr Grundrecht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit ausüben konnten.
„Als aber die Auflagen willentlich und wissentlich missachtet wurden und die Demonstranten zur Gewalt aufriefen, haben Sie unter äußerst schwierigen Bedingungen die Demonstration aufgelöst und das Recht durchgesetzt“. Für den Einsatz und das „vorbildliche Verhalten“ gebühre den Polizisten „großer Dank, Respekt und Anerkennung“.

Kritik an Reichsflaggen vor dem Reichstag

„Reichsflaggen, sogar Reichskriegsflaggen darunter, auf den Stufen des frei gewählten deutschen Parlaments, das Herz unserer Demokratie – das ist nicht nur verabscheuungswürdig, sondern angesichts der Geschichte dieses Ortes geradezu unerträglich“, betonte Steinmeier. Der Rechtsextremismus „ist eine ernste Gefahr“, betonte der Bundespräsident. „Ihn wirksam zu bekämpfen, seine Umtriebe in den Netzen frühzeitig aufzudecken, ist eine wichtige und andauernde Aufgabe.“ Die Sicherheitsbehörden, Polizei wie Verfassungsschutz, müssten daher die notwendige Unterstützung erhalten und gut ausgestattet sein. Die Verteidigung der freiheitlichen Demokratie sei allerdings auch „Aufgabe und Pflicht der gesamten Gesellschaft – und jedes Einzelnen“. Es gehe darum, „gemeinsam den Feinden unserer Demokratie die Stirn“ zu bieten.

Schwarz-weiß-rot ist nicht verboten

Alle nationalsozialistischen Symbole sind in Deutschland strikt verboten. Alle Kennzeichen mit NS-Bezug sind laut deutschem Strafgesetzbuch als Propagandamittel verfassungswidriger Organisation verboten. Sie dürfen weder hergestellt, noch verkauft oder getragen werden. Dazu gehören das Hakenkreuz in allen Varianten sowie historische Abzeichen von NS-Organisationen, auch wenn diese keine Hakenkreuze enthalten. Das trifft unter anderem auf SS- oder SA-Kennzeichen zu.
Einschlägige NS-Losungen wie „Meine Ehre heißt Treue“ (SS), „Blut und Ehre“ (Hitlerjugend) oder „Deutschland erwache“ (NSDAP) fallen ebenfalls darunter und dürfen nicht gezeigt werden. Gleiches gilt für einzelne S-förmige Runen sowie alle Kennzeichen rechtsextremer Vereinigungen, die im Laufe der Jahrzehnte verboten und aufgelöst wurden. Diese haben zumeist mehr oder weniger deutlich erkennbare Bezüge zu NS-Symbolen.
Historische Flaggen vordemokratischer Zeiten sind dagegen nicht generell verboten. Das gilt für die schwarz-weiß-rote Flagge des Deutschen Kaiserreichs sowie die vom damaligen Militär genutzte Variante. Diese enthielten unter anderem ein eisernes Kreuz, teilweise auch noch einen Reichsadler. (dts/afp/sua)

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