Spahn will Kinder-Impfungen ohne STIKO-Empfehlung – Mediziner warnen vor Druck
Wenige Tage vor der erwarteten Entscheidung über eine EU-weite Zulassung des BioNTech-Impfstoffs für die Altersgruppe der 5- bis 11-Jährigen warnen Mediziner vor wachsendem Druck auf Kinder in der Pandemie. „Wir haben kaum Kinder, die an Covid erkranken, wir haben kaum schwere Verläufe oder Todesfälle. Insofern gibt es keinen Grund, hier Tempo zu machen“, sagte der Bundessprecher des Berufsverbands Kinder- und Jugendärzte, Jakob Maske, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Montagausgaben).
Es gebe „aus medizinischer Sicht keinen großen Druck, Kinder ab 5 Jahren gegen Covid-19 zu impfen“. Laut Maske wollen die deutschen Kinderärzte nach einer EU-weiten Zulassung des Impfstoffs für Kinder ab fünf zunächst eine entsprechende Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) abwarten. Dies gelte, „auch wenn sich die Politik wohl auch diesmal wieder früher für Impfungen ausspricht“, sagte Maske. Eine Stiko-Empfehlung bedeute, „dass der Nutzen der Impfung größer ist als das Risiko. Das wollen wir als Ärzte auch den Eltern sagen können. Wir wollen, dass Kinder eine sichere Impfung haben.“
Der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will die Kinder-Impfungen dagegen auch ohne Stiko-Empfehlung ermöglichen. Maske sagte, man sollte auch bei hohen Inzidenzen in der Altersgruppe der 5- bis 11-Jährigen „ganz gelassen bleiben“. „Wir haben keine hohe Krankheitslast, bei der wir in Panik ausbrechen müssten“, sagte er. Die hohe Inzidenz hänge vor allem mit häufigen Testungen der Kinder zusammen. Dadurch würden mehr Infektionen entdeckt als bei den meisten Erwachsenen.
Ziel müsse es sein, „die tatsächlich gefährdeten Gruppen zu impfen: die Älteren, die mit Impfdurchbrüchen, die Ungeimpften“. Mit Blick auf den Schulalltag fügte Maske hinzu, bevor man wegen hoher Inzidenzen bei Kindern erneut über Schulschließungen spreche, müsse man „zur Not“ auch über eine Impfpflicht sprechen. „Eine Impfpflicht ist die weniger eingreifende Maßnahme verglichen mit Schulschließungen. Sie bringt weniger Schaden für Kinder und Jugendliche wie für Erwachsene“, sagte Maske.
Lauterbach hält Maskenpflicht an Schulen im gesamten Winter für nötig
Indes hält SPD-Politiker Karl Lauterbach eine Maskenpflicht in den Schulen voraussichtlich über den gesamten Winter hinweg für notwendig. Seiner Einschätzung nach sei die Wahrscheinlichkeit „sehr gering“, dass durch den weiteren Verlauf der Corona-Pandemie die Maskenpflicht an den Schulen in den Wintermonaten nicht mehr gebraucht werde, sagte Lauterbach dem Redaktionsnetzwerk Deutschland in einem am Montag veröffentlichten Podcast-Interview.
Der SPD-Politiker und Mediziner übte harte Kritik am nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU) dafür, dass dieser die Maskenpflicht an den Schulen aufgehoben hatte. Diese Entscheidung sei „verantwortungslos“ gewesen: „Da haben sich viele Kinder infiziert. Das war vollkommen unnötig.“
Lauterbach warnte vor Langzeitwirkungen von Covid-Erkrankungen bei Kindern: Es sei damit zu rechnen, dass etwa vier bis sieben Prozent der infizierten Kinder mit Covid-19-Symptomen das sogenannte Long Covid entwickeln.
Long Covid sei bei Kindern zwar zum Glück nicht so gravierend wie bei Erwachsenen, aber auch keine Kleinigkeit. Es führe etwa dazu, dass Kinder „durchweg Schwierigkeiten haben können, sich zu konzentrieren“, sagte der SPD-Politiker. Es werde Kinder geben, die nach einer Covid-Erkrankung „nicht mehr so schwungvoll und auch nicht mehr so gut in der Schule“ seien wie vorher. (afp/dts)
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