So läuft die Abstimmung in der Länderkammer

Der Bundesrat, das „Parlament der Länderregierungen“, hat am Freitag das letzte Wort zur geplanten massiven Neuverschuldung per Grundgesetzänderung. Wie läuft das Abstimmungsverfahren dort eigentlich ab? Könnten die Pläne von Union und SPD vielleicht doch noch platzen?
Die Grundgesetzänderungen können nur in Kraft treten, wenn auch der Bundesrat am Freitag mit Zweidrittelmehrheit zustimmt. (Archivfoto)
Das Archivbild zeigt den voll besetzten Plenarsaal des Bundesrats.Foto: Kay Nietfeld/dpa
Von 20. März 2025

Um die umstrittenen Änderungen des Grundgesetzes (GG) für neue Staatsschulden in Billionenhöhe nach der erfolgreichen Abstimmung im Bundestag in Kraft zu setzen, ist am Freitag, 21. März 2025, noch die Zustimmung des Bundesrats zur Lockerung der Schuldenbremse und neuer sogenannter Sondervermögen nötig. Die insgesamt 69 Mitglieder der Länderkammer tagen ab 9:30 Uhr in der Leipziger Straße in Berlin.

Für eine GG-Änderung ist eine Mehrheit von zwei Dritteln der Bundesratsmitglieder erforderlich, also 46 Stimmen. Die Opposition der Landesparlamente ist nicht im Verfassungsorgan vertreten, sodass die Zustimmung allein in den Händen der Vertreter der Landesregierungen liegt.

Jedes Land muss gemäß Artikel 51 (3) GG seine Stimmen einheitlich abgeben. Abweichungen innerhalb einer Landesdelegation darf es nicht geben.

Prinzip „Ein Land, eine Stimme“ – mit verschiedenen Gewichtungen

Das bedeutet, dass sich jede Landesregierung schon im Vorfeld einer Bundesratssitzung auf einen gemeinsamen Kurs für jeden Tagesordnungspunkt einigen muss: Ja, Nein oder Enthaltung.

Enthaltungen werden wie ein Nein behandelt. Geheime Abstimmungen sind laut Website des Bundesrats nicht möglich. Das Abstimmungsverfahren soll gewährleisten, dass der Wille des Landes und nicht der des einzelnen Bundesratsmitglieds zum Ausdruck kommt.

Der verabredete Wille einer jeden Landesregierung wird bei einfachen Mehrheitsentscheidungen durch Handzeichen eines Stimmführers im Bundesratsplenum angezeigt. Benötigt man eine Zweidrittelmehrheit, wie etwa bei einer GG-Änderung, dann werden die Länder in alphabetischer Reihenfolge einzeln aufgerufen und müssen „durch Zuruf“ antworten. Gezählt werden nur die Ja-Stimmen der 16 Bundesländer. Abhängig von der Einwohnerzahl haben sie allerdings ein unterschiedliches Gewicht.

So besitzen die nach Einwohnerzahl schwächsten Bundesländer Bremen, Saarland, Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg nur je drei Stimmrechte. Die bevölkerungsreichsten Länder Nordrhein-Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen jeweils sechs. Der Rest liegt dazwischen.

Die Grafik zeigt die aktuelle Zusammensetzung des Bundesrates (Lizenz: CC BY-NC-ND 3.0 DE). Foto: Bildschirmfoto/Bundesrat.de

Die Grafik zeigt die aktuelle Zusammensetzung des Bundesrats (Lizenz: CC BY-NC-ND 3.0 DE). Foto: Bildschirmfoto/Bundesrat.de

Bei Widerspruch innerhalb der Delegation: Landesstimme ungültig

Falls ein Bundesratsmitglied dem Votum des Stimmführers seines Landes während der Abstimmung widersprechen sollte, würde die gesamte Stimme des Landes für ungültig erklärt: „Der gespaltene Landeswille wird im Abstimmungsergebnis des Bundesrats nicht berücksichtigt“, heißt es auf der Website des Verfassungsorgans.

Genau hier läge prinzipiell eine theoretische Möglichkeit, die Grundgesetzänderung für eine Neufassung der Schuldenbremse und weitere Milliardenkredite („Sondervermögen“) noch zu kippen.

Doch damit ist kaum noch zu rechnen: Nachdem Hubert Aiwanger, der Bundesvorsitzende der Freien Wähler sowie Wirtschaftsminister und stellvertretende Ministerpräsident des Freistaats Bayern, noch am Wochenende seine Ablehnung in Aussicht gestellt hatte (Video auf X), machte er am Montag nach einer Sitzung des Koalitionsausschusses in München einen Rückzieher. „Auch wenn das völliger Wahnsinn ist: Die CSU kann auch ohne uns im Bundesrat zustimmen“, begründete Aiwanger seine Kehrtwende.

Könnte es vielleicht doch noch einen „Abweichler“ geben? Die Epoch Times bat die Staatsregierung in München schriftlich um die Namen aus den Reihen jener bayerischen Bundesratsmitglieder, die am Freitag nach Berlin geschickt werden, um abzustimmen. Bis zur Veröffentlichung dieses Artikels lag noch keine Antwort vor.

Bruch der Koalition in Bayern stand im Raum

Falls Aiwanger bei seinem ursprünglichen Nein geblieben wäre, hätte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) die Regierungskoalition in Bayern wohl zerbrechen lassen, zumal sich ihm die SPD bereits als Ersatzpartner angeboten hatte.

Ohne das Nein aus Bayern aber fehlen zugleich sechs Stimmen auf der Seite der Änderungsgegner. Somit wird es ihnen höchstwahrscheinlich nicht gelingen, die nötige „Sperrminorität“ von 24 Stimmen im Bundesrat zusammenzubekommen.

Die neun ausschließlich von CDU, SPD oder Grünen gestellten Landesregierungen kommen derzeit nämlich allein bereits auf 41 Stimmen. Ihre Zustimmung zur GG-Änderung gilt als sicher. Falls sich Bayern ihnen wie zu erwarten anschließen würde, besäße das Pro-Lager 47 Stimmen. Damit wäre der größte Freifahrtschein für neue Staatsschulden in der Geschichte der Bundesrepublik besiegelt.

Die abschließende Unterschrift des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier (SPD) und die Verkündigung im Bundesgesetzblatt gelten nur noch als Formsache.

Widerstand von FDP, BSW, Linken und AfD genügt nicht

Die Verfechter der Schuldenbremse von der FDP könnten lediglich für acht Nein-Stimmen im Bundesrat sorgen: Aus Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt, den einzigen beiden Ländern, in denen die Liberalen in Regierungsverantwortung stehen, ist mit einem Ja also nicht unbedingt zu rechnen.

Zudem hatte die FDP am Dienstag auf X angekündigt, „einen Antrag auf einstweilige Anordnung bei den jeweiligen Landesverfassungsgerichten“ in fünf Bundesländern zu stellen. Betroffen wären Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Bremen. Damit solle „verhindert werden, dass die jeweiligen Landesregierungen der geplanten Änderung des Grundgesetzes im Bundesrat zustimmen“, hieß es. Der Ausgang des Vorstoßes ist bisher ungewiss.

Das BSW hatte in persona Sahra Wagenknecht bereits angekündigt, im Bundesrat nicht für das Änderungspaket zu stimmen (Video auf Bundestag.de). Damit könnten die jeweils vier Stimmen aus Thüringen und Brandenburg ebenfalls fehlen – sofern sich nicht noch Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) mit seinem Wunsch durchsetzen sollte, das BSW möge sich „nicht querstellen“.

Die Linken regieren derzeit in Mecklenburg-Vorpommern und in Bremen mit. Jeweils drei weitere Nein-Stimmen könnten dazukommen, zumal die Linken-Gruppe im Bundestag schon am 18. März ihre Zustimmung im Reichstagsgebäude verweigert hatte.

AfD ohne Stimme im Bundesrat

Die AfD steht bekanntlich in keinem einzigen Bundesland in Regierungsverantwortung und spielt deshalb auch keinerlei Rolle im Bundesrat. Sie hatte sich im Vorfeld der Bundestagsabstimmung vergeblich um die Verhinderung der beiden jüngsten Sondersitzungen des Bundestags bemüht.

Die blaue Partei rief nicht nur mehrfach das Bundesverfassungsgericht an, sondern bat auch die Gruppe der Linken im Bundestag, ebenfalls einen Antrag auf sofortige Einberufung des neuen Bundestags beim Bundestagspräsidium zu stellen. Damit wäre womöglich die zweite Sondersitzung zur GG-Änderung geplatzt, die Grundgesetzänderung wäre wegen des Diskontinuitätsprinzips nicht mehr durchgekommen.

Die Linke lehnte das aber ab, um sich nicht nachsagen lassen zu müssen, mit der AfD zusammengearbeitet zu haben. Ihrer Meinung nach hätten die addierten Stimmen der neuen AfD- und der neuen Linksfraktion ohnehin nicht ausgereicht, um eine unverzügliche Konstituierung des 21. Bundestags zu erreichen. Beide Fraktionen verfügen darin mit 152 Sitzen (AfD) und 64 Sitzen (Linke) über mehr als ein Drittel der Sitze.

Ungeklärter Streit um Einberufungsrechte des neuen Bundestags

Der Staatsrechtslehrer Ulrich Vosgerau ist überzeugt, dass dieses gute Drittel der Stimmen des neuen Bundestags genügt hätte, um das neue Parlament zeitnah zusammentreten zu lassen. „Die besseren Gründe sprechen für Art. 39 GG und mithin für ein Drittel der Abgeordneten“ als ausreichende Zahl, schreibt Vosgerau auf seinem X-Kanal.

Die Linkenfraktion geht allerdings davon aus, dass es einer absoluten „Mehrheit der gesetzlichen Mitglieder“ bedurft hätte, um zumindest die zweite Sondersitzung noch rechtzeitig abzublasen. In diesem Sinne äußerten sich jedenfalls der künftige Alterspräsident Gregor Gysi (Linke) und die Co-Vorsitzende der Linksfraktion, Heidi Reichinnek (Video circa ab Minute 4:27 auf YouTube). Alles andere sei „faktenfreies Krakeele“.

Das Bundesverfassungsgericht hatte erst am Tag vor der Bundestagsabstimmung nicht weniger als sechs Eilanträge künftiger Oppositionsparteien abgewehrt, die sich „gegen die Gestaltung des Gesetzgebungsverfahrens zur Änderung des Grundgesetzes“ gewendet hatten.



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