Sachsen schlägt Alarm: 86 Brücken in schlechterem Zustand als Carolabrücke
Der teilweise Einsturz der Carolabrücke in Dresden war ein Warnsignal für die Behörden des Freistaates Sachsen. Inzwischen schauen sie bei der Frage nach dem Zustand der bestehenden Brücken wohl genauer hin.
So hat eine interne Analyse der sächsischen Landesregierung aktuell ergeben, dass sich 86 Brücken des Bundeslandes in noch schlechterem Zustand befinden als der eingestürzte Abschnitt der Carolabrücke.
Diese Erkenntnis zieht Maßnahmen nach sich, die zahlreiche Verkehrsteilnehmer betrifft. Zunächst werde die Risikobewertung bestehender Brücken angepasst. In einem internen Papier des Verkehrsministeriums, das der „Leipziger Volkszeitung“ vorliegt, steht:
Zunehmend ist mit Verkehrseinschränkungen durch Tonnage- oder Geschwindigkeitsbeschränkungen bis hin zu vollständigen Sperrungen von Brückenbauwerken zu rechnen.“
„Nicht ausreichend“ und „ungenügend“
Die Carolabrücke erfuhr ihre letzte Überprüfung im Jahr 2023. Der kollabierte Abschnitt erhielt damals die Note 3,0. Bei der entsprechenden Skala fällt dies in den Bereich „nicht ausreichend“, der von 3,0 bis 3,4 reicht.
Die Analyse des Ministeriums kam jüngst zu dem Ergebnis, dass in dem Freistaat 54 Brücken oder Brückenelemente, die an Bundesstraßen angebunden sind, eine ähnliche Zustandsbewertung haben wie die Carolabrücke. Dasselbe trifft auf 93 Brücken an Staatsstraßen zu.
Doch es gibt Dutzende Brücken, die mit einer schlechteren Note im Bereich von 3,5 bis 4,0 als „ungenügend“ eingestuft wurden. Damit ist ihr Zustand noch alarmierender als der von der Carolabrücke. „Ungenügend“ sind laut der Analyse 15 Brücken oder Brückenelemente bei Bundesstraßen und 71 bei Staatsstraßen – in Summe also 86.
Doch es sind bei weitem nicht alle Brücken in Sachsen in bedenklichem Zustand. Nach Angaben der Landesregierung befinden sich rund 90 Prozent der untersuchten Brücken an Bundes- und Staatsstraßen in „sehr gutem“ bis „ausreichendem“ Zustand.
Der sächsischen Straßenbauverwaltung unterliegen derzeit rund 870 Brückenbauwerke bei Bundesstraßen. Bei Staatsstraßen sind es rund 1.650 Konstruktionen. Die regelmäßigen Kontrollen fallen in den Zuständigkeitsbereich des Landesamts für Straßenbau und Verkehr.
Leipzig kündigt Brückensanierung an
Welche Brücken konkret in ähnlichem oder schlechterem Zustand sind als die Carolabrücke, nennt die Landesregierung laut LVZ in der Studie nicht. Aus einem anderen Bericht geht jedoch hervor, dass erste Brücken, wie die Brücke Wundtstraße in Leipzig, in Kürze saniert werden sollen. Noch im September sollen die Arbeiten an dem 160 Meter langen Bauwerk beginnen.
Die Brücke hat bei ihrer letzten Prüfung vor fünf Jahren die Note 2,8, also „ausreichend“, erhalten, gilt aber dennoch als baufällig. Eine ähnliche Einstufung haben rund 27 Prozent der Brücken im Landkreis.
In einer Meldung der Stadt Leipzig informierte Michael Jana, Leiter des Mobilitäts- und Tiefbauamtes, über den derzeitigen Zustand der Brücke. „Wir haben auch an der Brücke Wundtstraße witterungsbedingte Schäden. Doch es handelt sich um eine nicht mit der Carolabrücke vergleichbare bauliche Konstruktion.“ Weiter sagte Jana: „Die nun geplante Instandsetzung ist dennoch unumgänglich, weshalb wir bei den Leipzigern um Verständnis für die damit verbundenen Behinderungen werben.“
Bei einer Prüfung der Brücke Wundtstraße entdeckten die Verantwortlichen, dass Tausalz in deren Rahmenstützen gelangt ist. Zwar könne der Abschnitt weiterhin normal befahren werden, jedoch habe sich die Standsicherheit reduziert. Hinzu kommen auch einige sichtbare Schäden. So ist an vielen Stellen der Asphalt ausgebrochen, Fugen sind geweitet und der Beton ist an vielen Stellen abgeplatzt.
Die Kosten für die Arbeiten kalkuliert die Stadt auf rund 3,7 Millionen Euro. Die dafür eingesetzten Steuermittel kommen aus dem vom Sächsischen Landtag dafür beschlossenen Haushalt.
Was hat die Carolabrücke instabil gemacht?
Holger Kalbe ist bei der Stadt Dresden zuständig für Brücken- und Ingenieurbauwerke. Er vermutete nach dem Einsturz der Carolabrücke, dass an der Abbruchstelle „massiv Chloride eingedrungen“ sind. Das könnte zu einer „Korrosion der Bewehrung“ geführt haben. Oder anders ausgedrückt: Salzhaltiges Wasser durchdrang den Stahlbeton und führte letztlich zu Lochfraß im Stahl. Dadurch verlor die Brücke an Stabilität und konnte am 11. September die Last der Konstruktion nicht mehr tragen.
Das ist allerdings keine neue Erkenntnis. Mehrere Fachleute wussten über das Eindringen der Chloride in die Brücke Bescheid – und das seit Jahren. Auch Simone Prüfer, Leiterin des Straßen- und Tiefbauamtes, sprach nach dem Brückeneinsturz von einem „Versagen der Spannglieder“, also die von Beton umgebenen Stahldrähte. Sie wies jedoch darauf hin, dass man in die Brücke nicht hineinschauen könne.
Nach Aussage von Tilo Wirtz wäre eine Entlastung der teilweise eingestürzten Brücke empfehlenswert gewesen. Der Ingenieur war bis vor wenigen Monaten noch für die Linke im Dresdner Stadtrat tätig.
Wirtz dachte auch an die Loschwitzer Brücke, stadtbekannt unter dem Namen Blaues Wunder, die mehr als 100 Jahre alt ist. Bei ihrer Überprüfung schnitt sie mit der Note 3,5 schlechter ab als die Carolabrücke. Die Stadt reduzierte auf der Loschwitzer Brücke jedoch längst den Verkehr, Lastfahrzeuge und Straßenbahnen dürfen sie nicht mehr überqueren.
In Dresden haben vier Prozent der Brücken eine ebenso schlechte oder eine noch schlechtere Einstufung wie die Carolabrücke, also Note 3,0 und schlechter. Ein „noch ausreichend“, also eine ähnliche Bewertung wie die Leipziger Brücke Wundtstraße, erhielten weitere 24 Prozent der Brücken.
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