Pflegeversicherung: Lauterbach will Beiträge in Eigenregie anpassen können
Derzeit arbeitet die Ampelkoalition an Details zu ihrer geplanten Pflegereform. Wie andere Säulen der Sozialversicherung leidet auch die Pflege an Problemen wie steigenden Kosten, Fachkräftemangel und demografischer Entwicklung. In dieser Situation scheint Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach den Drang zu verspüren, mehr Entscheidungskompetenzen auf sich zu ziehen.
Bislang fordert das SGB XI zwingend eine gesetzliche Regelung
Wie die „Bild“ berichtet, sieht ein Gesetzesentwurf eine Ermächtigung an die Bundesregierung zur Anpassung des Beitragssatzes zur sozialen Pflegeversicherung (SPV) vor. Dieser soll zwar nur dann zum Tragen kommen, wenn der Mittelbestand der SPV „absehbar das gesetzliche Betriebsmittel- und Rücklagesoll der Pflegeversicherung nach § 67 Absatz 2 zu unterschreiten droht“.
Dafür soll in diesem Fall aber eine Anpassung durch einfache Rechtsverordnung stattfinden können. Bundestag und Bundesrat würden in diesem Fall außen vor bleiben. Bislang sieht das Sozialgesetzbuch unter § 55 SGB XI eine ausdrückliche Festsetzung des Beitragssatzes durch Gesetz vor.
Derzeit liegt dieser Satz bundeseinheitlich bei 3,05 Prozent der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder. Für Kinderlose kommt ein Beitragszuschlag in Höhe von 0,35 Beitragssatzpunkten dazu.
Bekommt Lauterbach eine Blankoermächtigung?
Emmi Zeulner von der CSU wittert in dem Vorhaben einen „Freifahrtschein für Beitragserhöhungen, ohne die nötigen Strukturreformen anzugehen“. Aber auch aus der Koalition kommt Kritik. Die pflegepolitische Sprecherin der FDP, Nicole Westig, spricht sich ebenfalls gegen eine Ermächtigung zur jederzeitigen Beitragserhöhung an die Exekutive aus. Gegenüber „Bild“ äußert sie:
Das hieße ja, die Verschuldung des Umlagesystems zulasten der Jüngeren am Parlament vorbei ins Uferlose steigern zu können. Mit meinem Verständnis vom Rechtsstaat lässt sich das jedenfalls nicht vereinbaren.“
Vergleich mit Verordnungsermächtigung zu durchschnittlichem Zusatzbeitrag
Die Grünen sehen den Vorstoß hingegen als unproblematisch. Deren Pflegeexpertin Kordula Schulz-Asche weist auf analoge Bestimmungen zur Regelung des durchschnittlichen Zusatzbeitrages in der gesetzlichen Krankenversicherung hin. Zudem könne der Bundestag über das Haushaltsverfahren „Einfluss auf die wesentlichen Stellschrauben der Beitragsentwicklung“ nehmen.
Allerdings ist die Festsetzung des durchschnittlichen Zusatzbeitrages nach § 242a SGB V von einigen Prämissen abhängig. Er ist eine jährlich neu bestimmte rechnerische Größe und ist von der Einschätzung eines Expertengremiums, dem sogenannten Schätzerkreis, abhängig.
Diesem gehören unter anderem Fachleute des Bundesministeriums für Gesundheit, des Bundesamtes für Soziale Sicherung sowie des GKV-Spitzenverbandes an. Auf diese Weise haben etwa auch in der Sozialwahl gewählte Vertreter der Sozialversicherungsträger ein Mitbestimmungsrecht. Das Gremium gibt jedes Jahr bis zum 15. Oktober die Höhe der voraussichtlichen Ausgaben der Krankenkassen und die Einnahmen des Gesundheitsfonds für das folgende Kalenderjahr bekannt.
Spitzenverband der Krankenkassen: Lauterbach hat Pflegekassen selbst belastet
In § 67 SGB XI, den der Gesetzesentwurf anspricht, geht es hingegen um einen monatlichen Ausgleich zwischen den einzelnen Pflegekassen und dem Ausgleichsfonds. Eine Befassung von Expertengremien ist dabei nicht vorgesehen. Die Pflegekasse teilt dem Bundesamt für Soziale Sicherung lediglich die notwendigen Berechnungsgrundlagen mit.
Erst im Vorjahr hatte der Spitzenverband der Krankenkassen Minister Lauterbach vorgeworfen, ohne Not zur Erhöhung von Defiziten in der Pflegeversicherung beigetragen zu haben. So habe dieser insbesondere durch eine mehrfach verlängerte Corona-Testverordnung ohne zusätzliche Steuerzuschüsse Pflegeeinrichtungen erhebliche Mehrkosten verursacht.
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