Faeser will Disziplinarrecht für Beamte nach „Reichsbürger-Razzia“ verschärfen

Ministerin Faeser hat eine Verschärfung des Disziplinarrechts für Beamte angekündigt. Anlass sind die jüngsten Festnahmen putschgeneigter Reichsbürger.
Eine Person (2.v.r.) wird von Polizisten aus einem Hubschrauber gebracht.
Eine Person (2.v.r.) wird von Polizisten aus einem Hubschrauber gebracht.Foto: Uli Deck/dpa
Von 9. Dezember 2022

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In der Talksendung „Maischberger“ hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser am Mittwoch, dem 7. Dezember, eine Verschärfung des Disziplinarrechts angekündigt. Auf diese Weise soll eine Entfernung aus dem Staatsdienst von Personen mit Nähe zu sogenannten Reichsbürgern leichter werden.

Faeser, die eine Radikalisierung in der Corona-Debatte für das Auftauchen solcher Tendenzen verantwortlich macht, erklärt dazu:

Man muss, glaube ich, gerade bei den Behörden, die mit Waffen zu tun haben, bei Bundeswehr, bei Bundespolizei noch mal genauer hinschauen.“

Anlass für die Ankündigung ist eine Großrazzia gegen Personen, die im Verdacht stehen, eine terroristische Vereinigung gegründet zu haben. Sie sollen dem „Reichsbürger“-Milieu angehören und bereits konkrete Pläne für einen Putsch ausgearbeitet haben. An dem Einsatz waren 3.000 Polizeibeamte in elf deutschen Bundesländern, in Österreich und in Italien beteiligt.

Narrativ der Reichsbürger nährte offenbar Glauben an den Erfolg

Wie die Generalbundesanwaltschaft mitteilte, kam es am Dienstag zur Festnahme von insgesamt 25 Personen, die Mitglieder oder Unterstützer der Vereinigung sein sollen. Sie sollen bis spätestens Mittwoch dem Haftrichter vorgeführt werden. Durchsuchungsmaßnahmen in bislang über 130 Objekten hätten sich gleichzeitig gegen insgesamt 52 Personen gerichtet.

Die Gründung der mutmaßlichen terroristischen Vereinigung soll bereits im Herbst des Vorjahres erfolgt sein. Die Protagonisten hätten sich zum Ziel gesetzt, „die bestehende staatliche Ordnung in Deutschland zu überwinden“. Sie hätten vorgehabt, diese „durch eine eigene, bereits in Grundzügen ausgearbeitete Staatsform zu ersetzen“.

Es sei den Verdächtigen bewusst gewesen, dass „dieses Vorhaben nur durch den Einsatz militärischer Mittel und Gewalt gegen staatliche Repräsentanten verwirklicht werden kann“. Die Begehung von Tötungsdelikten hätten sie dabei in Kauf genommen.

Die Sicherheit, dass ihr Vorhaben Aussicht auf Erfolg gehabt hätte, rührte demzufolge aus ihrem eigenen ideologischen Narrativ her. Diesem zufolge werde Deutschland derzeit zwar noch von einem „Deep State“ regiert, eine „Allianz“ von Regierungen und Nachrichtendiensten aus Siegermächten des Zweiten Weltkriegs würde jedoch bereits daran arbeiten, diesen „zeitnah“ zu entmachten.

Reichsbürger sollen Kasernen ausgekundschaftet haben

Die Gefährlichkeit des Unterfangens ergibt sich der Generalbundesanwaltschaft zufolge daraus, dass auch frühere Angehörige von Bundeswehr und NVA an den Planungen beteiligt gewesen seien. Diese hätten einen „militärischen Arm“ der Vereinigung repräsentiert und die Aufstellung sogenannter Heimatschutzkompanien übernehmen sollen. Diese hätten den Rest des bestehenden Staates und möglichen Widerstand zerschlagen sollen.

Die Verdächtigen sollen bereits Regierungsposten verteilt, Verwaltungsstrukturen und Versorgungswege erörtert und sogar Schießtrainings durchgeführt haben. Eine frühere AfD-Bundestagsabgeordnete war demnach als künftige Justizministerin vorgesehen. Zudem hätten mutmaßliche Angehörige der Vereinigung auch Bundeswehrkasernen ausgekundschaftet, um sie auf „Tauglichkeit für die Unterbringung eigener Truppen nach dem Umsturz“ zu testen.

Es soll auch Versuche gegeben haben, Regierungsstellen der Russischen Föderation auf eine mögliche Unterstützung des geplanten Umsturzes anzusprechen. Von dort habe es jedoch keine Resonanz gegeben. Allerdings sollen einzelne Beschuldigte „konkrete Vorbereitungen getroffen haben, mit einer kleinen bewaffneten Gruppe gewaltsam in den Deutschen Bundestag einzudringen“.

Bislang „nicht das große Schusswaffenarsenal gefunden“

Die Leiterin des ARD-Hauptstadtstudios, Tina Hassel, wies in der „Maischberger“-Sendung unterdessen Kritik zurück, man stilisiere lediglich ein paar Dutzend Verwirrte zu einer realen Gefahr hoch:

Was erst mal wirkt auf den ersten Blick wie eine Groteske rund um einen dubiosen Adligen und ein Schattenkabinett, was er sich ausgedacht hat, ist in der Tat – so wie es scheint – eine sehr, sehr große, sehr ernst zu nehmende Nummer.“

Auch „Welt“-Reporter Alexander Dinger verweist darauf, dass die Umsturzpläne „sehr konkret“ gewesen seien. Allerdings räumte er ein, die Ermittlungsbehörden hätten bisher „nicht das große Schusswaffenarsenal gefunden“.

NZZ: War die Sache am Ende doch nicht so gefährlich?

In der „Neuen Zürcher Zeitung“ (NZZ) schreibt Susanne Gaschke von einem „Putsch, der nie passiert wäre“. Der Einsatz gegen die mutmaßlichen Reichsbürger und dessen mediale Begleitung würfen Fragen auf.

Man müsse zwar ernsthaft darüber nachdenken, warum teils hochgebildete Bürger auf augenscheinlich absurde Narrative ansprängen. Zudem zeige der Bildungsstand vieler mutmaßlich Beteiligter, dass die reflexhafte Forderung nach mehr politischer Bildung nicht immer Sinn ergebe.

Es gebe einen von Gewaltfantasien begleiteten Extremismus, der in der gutbürgerlichen Mitte und unter Menschen gesetzteren Alters um sich greife. Dies, so Gaschke, könnte „heute auch etwas mit der Demografie“ zu tun haben.

Befremdlich sei allerdings auch, dass im politischen Berlin bereits seit Tagen die Rede von einer „großen Sache im Busch“ gewesen wäre. Manche Medien scheinen minutiös auf die Razzia vorbereitet gewesen zu sein und bereits fertige Texte dazu im Kasten gehabt zu haben. Ein „Phoenix“-Moderator habe geäußert:

Wir sind ganz froh, dass wir nichts vorher davon gehört haben, dann sind die Nachrichten hinterher umso stürmischer.“

Auch die „organisierte Medienbegleitung der Einsätze“ hätte ein unkalkulierbares Risiko für das Gelingen der ganzen Aktion bedeuten können. Es sei denn, dass „die Sache doch noch nicht so brandgefährlich war“.



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