Nach Kernkraft-Aus: Angst vor Abhängigkeit und weiter steigenden Strompreisen
Kaum waren die letzten drei verbliebenen deutschen Kernkraftwerke vom Netz, verkündete Energieriese E.ON eine drastische Erhöhung der Strompreise. In Teilen von NRW wird der Arbeitspreis in der Grundversorgung um rund 45 Prozent steigen, hat die „Rheinische Post“ berichtet. Bereits zuvor hatten 98 Grundversorger dort ihre Preise erhöht.
Der Zeitpunkt der Nachricht wirft vielerorts Fragen auf. Einige sehen einen direkten Zusammenhang zwischen dem Kernkraft-Aus und der Erhöhung der Strompreise. Andere befürchten zumindest perspektivisch einen entsprechenden Effekt.
Kernkraft-Aus in derzeitige Strompreise weitgehend eingepreist
Verivox-Energieexperte Thorsten Storck hat sich gegenüber „Agrarheute“ zu dem Themenkomplex geäußert. Er sieht keinen zwingenden, unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Kernkraft-Aus und der Erhöhung der Strompreise bei E.ON.
Dass die Abschaltung spätestens am 15. April erfolgen würde, sei allen Marktakteuren bekannt gewesen. Entsprechend sei davon auszugehen, dass eine Einpreisung des Wegfalls von Atomstrom an den Börsen bereits erfolgt sei.
Auf der Hand liege allerdings, dass eine Laufzeitverlängerung zusätzliches Angebot in den Großhandel gebracht hätte. Die Frage wäre dann nur gewesen, wie groß die Auswirkungen sein würden:
Preise in der Grundversorgung meist jenseits des staatlichen Deckels
Zuletzt hatten sich die Strompreise im Großhandel zwischen 7,7 und 17,9 Cent pro Kilowattstunde bewegt. Verivox zufolge zahlen die meisten Kunden in den Grundversorgungstarifen der kommunalen Versorger jedoch nach wie vor Preise jenseits der staatlichen Preisbremse. Diese liegt bei 40 Cent pro Kilowattstunde.
Im März seien immer noch 82 Prozent der Stromtarife für Bestandskunden teurer als der staatliche Preisdeckel gewesen. Im Schnitt kostete die Kilowattstunde Strom in der Grundversorgung im März 44,4 Cent pro kWh.
Unmittelbar preisrelevant seien demgegenüber eher andere Faktoren als das Kernkraft-Aus. So lasse sich Strom aus erneuerbaren Quellen derzeit zwar günstig erzeugen, gleichzeitig sei es erforderlich, den schwankenden Bedarf notfalls durch Importe oder Strom aus Gas zu decken. Gemäß den Grundsätzen der Merit-Order-Preisbildung hält dies den Preis tendenziell oben. Dennoch liegen die Preise an den Strombörsen zwischen einem knappen Fünftel und einem Drittel des Höchstniveaus vom Sommer 2022.
Fehlende Kapazitäten 2030 schon bei 30 Gigawatt
Amelie Vogler von der Verbraucherzentrale NRW betont zwar, dass die staatliche Preisbremse die Strompreise für die Kunden dämpft. Für 20 Prozent ihres Verbrauchs müssten sie dennoch den hohen Bestandskundenpreis bezahlen.
Einer McKinsey-Studie zufolge werden schon 2025 vier Gigawatt in der deutschen Stromversorgung fehlen. Bis 2030 steige die fehlende Kapazität bereits auf bis zu 30 Gigawatt an. Der angekündigte Kohleausstieg im Jahr 2038 werde die Versorgungssituation weiter verschärfen.
Der Strombedarf werde unterdessen weiter steigen, heißt es laut dem Portal „E-Fahrer“. Elektroautos, Wärmepumpen, aber auch der Automatisierungsbedarf der Industrie würden diese Entwicklung beschleunigen.
Mehr teure Importe oder sogar Rationierungen zu befürchten?
Deutschland wird den nicht selbst erzeugten Strom zu höheren Preisen importieren müssen – und Bundesländer wie Bayern sind jetzt schon importabhängig geworden. Detlef Fischer vom Verband der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft äußerte gegenüber dem „Bayreuther Tagblatt“, etwa 15 Prozent der bayerischen Stromproduktion sei aus der Kernkraft gekommen. Durch das Abschalten sei der Freistaat schon jetzt „von einem Strom-Exporteur zu einem Strom-Importeur geworden“.
Im schlimmsten Fall ist jedoch auch nicht mehr das erforderliche Maß an Importstrom verfügbar, um die Nachfrage auszugleichen. Das befürchtet Manuel Frondel vom RWI Essen vor allem an strengen Wintertagen. Im Zuge der Spitzenglättung wäre dann eine Rationierung möglich. Laut „Merkur“ erklärte Frondel, schon in absehbarer Zeit sei ein Nachfrageüberhang von sieben Prozent denkbar:
Es könnte darauf hinauslaufen, dass Strom dann häufiger rationiert wird, beispielsweise Wärmepumpen für zwei bis drei Stunden am Tag vom Netz abgeklemmt werden.“
Mobilität der Verbraucher kann Strompreise nach unten bewegen
Kurzfristig können Kunden durch einen Tarif- oder Anbieterwechsel für eine Entlastung im Bereich der Strompreise sorgen. Dazu raten Verbraucherverbände und Vergleichsagenturen. Verivox weist darauf hin, dass die Strompreise für Neukunden Mitte April im Schnitt 33,75 Cent betrugen. Dies sei deutlich unter dem staatlichen Preisdeckel.
Verivox-Experte Storck äußert, ein Tarifwechsel beim Strom könne bis zu 500 Euro im Jahr an Kosten einsparen. Auch Hans Weinreuter von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz mahnt Mobilität der Verbraucher an. Im „SWR Marktcheck“ erklärt er, die Neigung von Versorgern, Strompreise zu erhöhen, sinke mit der Bereitschaft von Verbrauchern zum Wechsel.
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