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Bayern

Nach Aiwanger-Entscheidung: Keine Rückkehr zum Polit-Alltag

Bayerns Ministerpräsident Söder hat entschieden: Sein Vize bleibt im Amt. Eine Rückkehr zum Alltag bedeutet dies aber nicht. Bald wird gewählt – und heute steht gleich ein heftiger Schlagabtausch an.

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Hubert Aiwanger sieht die Anschuldigungen gegen ihn als eine politische Kampagne gegen ihn.

Foto: Matthias Balk/dpa

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Lesedauer: 4 Min.

Nach der Entscheidung von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) für einen Verbleib seines Stellvertreters Hubert Aiwanger im Amt kann von einer Rückkehr zum politischen Alltag keine Rede sein.
Die Kritik ist breit, und nur einen Tag nach der Bekanntgabe von Söders Votum bekommen die politischen Gegner heute ein großes Podium: Gut einen Monat vor der Landtagswahl laufen sich die Parteien beim traditionellen politischen Schlagabtausch auf dem Gillamoos-Jahrmarkt in Niederbayern für den Endspurt warm. Die Flugblatt-Affäre um Freie-Wähler-Chef Aiwanger dürfte eines der bestimmenden Themen sein.

Was heute ansteht

CSU-Chef Söder kommt zur Bierzelt-Battle nach Abensberg im Landkreis Kelheim und wird vom CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz begleitet. Bei den Freien Wählern ist Wirtschaftsminister Aiwanger selbst angekündigt. Sein Auftritt dürfte mit Spannung beobachtet werden, weil Söder von ihm nun Demut erwartet und dass er das Gespräch mit den jüdischen Gemeinden sucht.
Die SPD schickt ihren Bundesvorsitzenden Lars Klingbeil ins Rennen. Bei den Grünen ist es der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Die FDP hat Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki angekündigt. Die AfD bietet Parteichefin Alice Weidel auf.

Was die Kritiker sagen

Die Kritik hält bereits seit Söders Entscheidung an. Für die SPD-Vorsitzende Saskia Esken ist diese „ein fatales Signal“ und Wasser auf die Mühlen derjenigen, die die NS-Zeit, Antisemitismus und Rassismus verharmlosen, wie sie der „Rheinischen Post“ sagte. „Nicht nur das mögliche Verhalten Hubert Aiwangers in seiner Jugend, sondern vor allem sein heutiger Umgang damit zeigt für mich ganz klar, dass er ungeeignet ist, Verantwortung in einer Regierung zu übernehmen.“
Die Bundestagsfraktionschefin der Grünen, Britta Haßelmann, schrieb auf der Internet-Plattform X, ehemals Twitter: „Markus Söder hat sich mit seiner Entscheidung zu Aiwanger für Taktik statt Haltung entschieden.“ Für Bayerns Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze ist „etwas verrutscht im Umgang mit der Erinnerungskultur“, dafür trage auch Söder die Verantwortung. „Jeder, der jetzt in Zukunft was Antisemitisches sagt, kann sich dann eigentlich im Endeffekt auf den stellvertretenden Ministerpräsidenten in Bayern beziehen“, sagte sie im ZDF-„Heute Journal“.
Der langjährige Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung an der Technischen Universität Berlin, Wolfgang Benz, nannte Söders Entscheidung „verheerend“. „Dieses antisemitische Flugblatt und die offensichtlich rechtsextremistischen Aktivitäten Aiwangers würde ich als Jugendsünden abtun, wenn er sich gleich klar dazu geäußert und seiner Scham Ausdruck verliehen hätte“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Was Aiwanger vorgeworfen wird

Aiwanger war vor gut einer Woche nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ verdächtigt worden, als Schüler in den 1980er Jahren ein antisemitisches Flugblatt verfasst zu haben. Er bestritt dies. Sein Bruder bezichtigte sich dann als Verfasser.
In der Folge wurden jedoch, teils anonym, immer mehr Vorwürfe zu Aiwangers damaligem politischen Verhalten erhoben. Nach mehreren Tagen entschuldigte er sich am Donnerstag, ging aber zugleich zum Gegenangriff über und beklagte eine politische Kampagne gegen sich.

Warum Söder so entschieden hat

Söder erklärte gestern, eine Entlassung wäre nicht verhältnismäßig gewesen. Kritik übte er am Krisenmanagement seines Stellvertreters. Dieser hätte die Vorwürfe früher, entschlossener und umfassender aufklären müssen. Seine Entschuldigung und Distanzierung sei zwar spät, aber nicht zu spät gekommen, sagte der CSU-Chef und forderte, Aiwanger müsse nun verlorenes Vertrauen zurückgewinnen, etwa im Gespräch mit jüdischen Gemeinden.
Zugleich unterstrich Söder, an der Koalition mit den Freien Wählern auch nach der Wahl am 8. Oktober festzuhalten. „Es wird definitiv in Bayern kein Schwarz-Grün geben.“
Mutmaßungen, er habe aus Angst vor einem Solidarisierungseffekt von Wählern mit Aiwanger so gehandelt, wies Söder zurück. „Angst ist für mich kein Maßstab“, sagte er im ZDF-Sommerinterview. „Mir ging es einfach um Fairness.“ (dpa/mf)

Kommentare

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info68vor 2 Jahren

Dieser Skandal ist doch an Verlogenheit kaum noch zu übertreffen. Während bei jugendlichen Mördern strengste Geheimhaltung der Ermittlungen gegeben ist und verurteilte erwachsene Mörder und Kriminelle 35 Jahre nach der Tat namentlich nicht mehr genannt werden dürfen (Schutz der Persönlichkeitsrechte), wird hier 35 Jahre nach der Tat die Jugendsünde eines 17j. Gymnasiasten breitgetreten, um für den bayerischen Wahlkampf Munition zu haben. Besonders möchten da profitieren die heuchlerischen R2G-Kreise, wo es nur so von üblen, genauso anrüchigen Jugendsünden wimmelt bei heute prominenten Personen ganz oben wie

stehenden Flugblatt, das in nichts sich an und gegen Juden richtet, um eine missglückte Satire, wo man zu einem Schulwettbewerb zur deutschen Geschichte den auch dort überwiegend linksaußen angesiedelten Lehrern (von denen sich nun einer zum Denunzianten machte) eins auswischen wollte. Das wird natürlich in dem philosemitisch devoten Bayern und BRD sofort instrumentalisiert und hysterisiert, obwohl (u.a. nach Aussage der hessischen FW-Landtagskandidatin Schulz) von Aiwanger keine einzige antisemitische Äußerung bekannt ist!

Margit Herbertvor 2 Jahren

Die ganze Diskussion ist doch einfach nur noch lächerlich und ein Ablenkungsmanöver, von den wahren Zielen, dieser Politik[].

Die wahren Nazis sitzen dort und unterstützen die Banderas mit Waffen.

Das ist ein Krieg gegen die eigene Bevölkerung und gegen alle nicht "konformen Denker", im Namen der "Demokratie", die es ja schon längst nicht mehr gibt!

Ilsevor 2 Jahren

Warum Söder Aiwanger nicht so ohne Weiteres entlassen kann? Was hat man euch nicht alles erzählt? Dazu braucht er die Zustimmung des Landtages (Art. 45 BayVerf). Das bedeutet das Ende der gegenwärtigen Koalition. Der Clou: es liegt dann ein Fall nach Art. 44/2 BayVerf. vor. D.h.: Söder müsste selber zurücktreten. Eine Besonderheit der BayVerf.