Mitarbeiter von Seehofer wegen kritischem Corona-Dossier freigestellt
Ein internes Papier des Bundesinnenministeriums zieht immer weitere Kreise. Der Verfasser des Papiers, Stephan Kohn, ist ein Mitarbeiter des Ministeriums und SPD-Mitglied.
Stephan Kohn ist 57 Jahre alt und Referent im Krisenmanagement des Innenministeriums – zumindest war er das bis gestern (13.5.), denn er wurde freigestellt und sei „von der Erfüllung seiner Dienstpflichten entbunden“, wie die „Bild“ schreibt.
Kohn verfasste eine Analyse über die Strategie der Bundesregierung in der Corona-Krise. Er kritisiert darin die Maßnahmen und den unverantwortlichen Umgang mit Daten, welche der Bevölkerung „gesundheitliche Kollateralschäden“ verursacht hätten. Es handle sich beim Umgang mit Covid-19 um einen „globalen Fehlalarm“. Die Gefahr des neuartigen Virus sei „nicht größer als die vieler anderer Viren“.
Die von den Behörden angeordneten Maßnahmen richteten demnach mehr Schäden an, als sie nutzten. Der Staat müsse sich in der Corona-Krise womöglich den Vorwurf gefallen lassen, „einer der größten Fakenews-Produzenten“ gewesen zu sein, so die Analyse.
Die Analyse sei eine Privatmeinung
„N-TV“ zufolge bezeichnete Kohn das Papier selbst als interne Analyse und spricht von einem „Vorgriff auf eine nach der Krise zu unternehmende Evaluation (…) des Krisenmanagements“.
Kohn kritisiert in dem Papier die Maßnahmen und formuliert ganz konkrete Appelle an die Politiker: „Die staatlich angeordneten Schutzmaßnahmen“ hätten „inzwischen jeden Sinn verloren“, zitiert „N-TV“ den Autor des Papiers. „Es wird dringend empfohlen, sie kurzfristig vollständig aufzuheben“, so Kohn weiter.
Innenstaatssekretär Hans-Georg Engelke sagte am Mittwoch (13.5.), jetzt finde eine disziplinarrechtliche Prüfung statt – mit offenem Ausgang, erklärt das „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Engelke geht es nicht um den Inhalt, „sondern dass sich jemand unseres Briefkopfes bedient“, um „persönliche Auffassungen zu verbreiten“, wie „Bild“ den Staatssekretär zitiert.
Horst Seehofer teilt die Thesen Kohns nicht, wie man in der „Bild“ lesen konnte. Und das schon deshalb nicht: „weil ich von Anfang an die Strategie der Bundesregierung mitentwickelt habe“.
Diese eigenständig vorgenommene „Analyse“ erfolgte außerhalb der sachlichen Zuständigkeit des Verfassers sowie der Organisationseinheit im Ministerium, für die er tätig war, erklärte das Innenministerium am Sonntag. „Für diese Zusammenstellung gab es weder einen Auftrag noch eine Autorisierung.“
Es sei nicht akzeptabel, wenn private Meinungsäußerungen und Gedankensammlungen unter Verwendung behördlicher Symbole, etwa dem offiziellen Briefkopf, verfasst und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Kritik von CDU und Experten: „Seehofer redet über Briefköpfe, ignoriert aber Inhalte“
Kritik über den Umgang mit der Analyse bekommt das Innenministerium von CDU-Politikern und Experten. In dem Text werden die Maßnahmen der Regierung kritisiert, aber auch das Wirken des Robert Koch-Instituts infrage gestellt.
Kohn könne es nicht nachvollziehen, warum die Regierung sich nur auf ein Institut stützt, dies sei „angesichts der Vielfalt von verfügbaren Instituten, Einrichtungen und Experten nicht akzeptabel“, zitiert „N-TV“ aus dem Papier. Die einseitige Beratung ließ die Regierung falsche Entscheidungen treffen, heißt es in der Analyse.
Axel Fischer von der CDU fordert eine Auseinandersetzung mit dem Inhalt des Papiers. „Bild“ zufolge sagte der Politiker, die Politik solle sich nicht wundern „wenn bundesweit Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen Zulauf erhielten, weil der Eindruck entsteht, es werde nicht mit offenen Karten gespielt“.
Auch Prof. Stefan Hockertz ging hart mit der Reaktion von Innenminister Seehofer um: „Seehofer redet über Briefköpfe, ignoriert aber Inhalte“, so Hockertz zur „Bild“. Er ist einer der Wissenschaftler, der von Kohn zu dem Themenkomplex befragt wurde.
Laut „N-TV“ hat Kohn seine Analyse vorher dem Referatsleiter geschickt und seine Kollegen fanden das Papier „sehr gelungen und zutreffend“. Danach bekam Kohn die Nachricht, dass er das Papier nicht im Namen des Ministeriums veröffentlichen sollte, da der Referatsleiter „den dienstlichen Bezug darin nicht sieht“.
Zu Seehofer drang das Papier vorher nicht durch, weil nach Angaben von „N-TV“ sein Büro es gleich abgelehnt hatte.
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