Merkel-Berater räumt Fehler in Russland-Politik ein
Christoph Heusgen ist Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz und ehemaliger außenpolitischer Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel. In einem Interview mit der „Welt“ räumte er Fehlentscheidungen in der Russland-Politik während seiner Amtszeit ein.
Durch Nord Stream 2 ist zwar nie ein Molekül Gas geströmt, aber wenn Sie mich fragen – ja, im Nachhinein war das ein Fehler“, sagte der Ökonom Heusgen.
Die Bundesregierung habe sich 2015 für das deutsch-russische Pipeline-Projekt entschieden, weil man nach dem Reaktorunfall im japanischen Fukushima rasch aus der Atomenergie aussteigen wollte. Das russische Gas sei die schnellste und preiswerteste Lösung gewesen, so Heusgen.
Heusgen: Unsere moralische Pflicht, der Ukraine zu helfen
„Die SPD und die Wirtschaft waren sehr dafür. Ich will das nur erklären. Es war trotzdem falsch.“ Mittlerweile fordert Heusgen die Lieferung deutscher Leopard-Kampfpanzer an die Ukraine.
Wir Deutschen haben im Zweiten Weltkrieg entsetzliche Verbrechen in der Ukraine begangen, und wir haben die moralische Pflicht, dieses Land zu unterstützen. Wir sollten endlich Leopard-Panzer liefern“, sagte er der „Welt“.
Diplomatische Wege, um mit Russland eine Einigung zu finden, würden laut dem Ökonomen stattfinden. Allerdings seien mit Putin keine verlässlichen Abmachungen zu treffen. „Wir haben alles versucht mit ihm. Er hat klar gezeigt, dass er einen imperialen Anspruch verfolgt und keine Abstriche macht.“
Man müsse der Politik von Russlands Präsident Wladimir Putin entgegentreten. „Er setzt darauf, dass wir einknicken, dass Deutschland keine schweren Waffen liefert, dass insgesamt die wirtschaftliche und militärische Unterstützung der Ukraine durch die USA und Europa abnimmt, während er Zehntausende russische Soldaten verheizt“, so Heusgen.
„Mit Russland einigermaßen in Frieden leben werden wir erst in einer Ära nach Putin.“ Kiew hatte Panzer vom Typ Leopard 2 von Deutschland erbeten. Die Bundesregierung verweigert die Lieferung bislang unter anderem mit der Begründung, nur gemeinsam mit Partnerländern agieren zu wollen.
Heusgen: Engagement mit China abschmelzen
Im weiteren Gespräch mit der „Welt“ sprach Heusgen über die Beziehung mit China. Den letzten Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz kurz nach dem Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas bezeichnete der Ökonom als „falsches Signal“. Er hätte wenigstens im Namen der gesamten EU und gemeinsam mit dem französischen Präsidenten anreisen sollen, wie Paris es vorgeschlagen hatte.
Heusgen ist nicht der Ansicht, dass Peking im Ukraine-Krieg vermitteln wird. „Peking ist ganz zufrieden damit, dass Moskau durch den Krieg geschwächt wird und in noch größere Abhängigkeit von China gerät.“
Ebenso erkennt Heusgen die „großen wirtschaftlichen Probleme“, welche die Volksrepublik momentan hat. Hierbei mahnte er jedoch zu überlegter Vorgehensweise: „Wir müssen Abhängigkeiten lösen, wir müssen unseren Handel mit China und unser Engagement dort abschmelzen. Wir müssen unsere Investitionsentscheidungen und unsere Handelspartner diversifizieren.“
(Mit Material von dts)
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