Mehr Waffen für die Ukraine, Mangellage bei der Bundeswehr
Der NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat die Bündnisstaaten dazu aufgerufen, noch mehr Waffen, Munition und Ersatzteile an die Ukraine zu liefern. Das berichtet unter anderem die „Westdeutsche Zeitung“.
Erst wenn Wladimir Putin davon überzeugt sei, dass er es nicht schaffen werde, die Kontrolle über die Ukraine zu erreichen, sei eine „friedliche Verhandlungslösung“ möglich, meint Stoltenberg.
Auch dieser Krieg werde wahrscheinlich am Verhandlungstisch enden, sagte der Norweger voraus. Bis es so weit sei, müsse man sich „auf einen langen Weg und auch auf neue russische Offensiven vorbereiten“. Entscheidend sei, dass die Ukraine „als unabhängiger demokratischer Staat“ überlebe.
Militär als „schnellster Weg zum Frieden“
„Es mag paradox klingen, aber militärische Unterstützung für die Ukraine ist der schnellste Weg zum Frieden“, sagte Stoltenberg im Interview mit der „Deutschen Presse-Agentur“ (dpa). Jedes Land habe das Recht, sich zu verteidigen.
Dies gelte insbesondere mit Blick auf die „massiven russischen Angriffe auf zivile Infrastruktur“, die die Versorgung der ukrainischen Bevölkerung mit Wasser, Heizung und Strom bedrohe. Es handele sich bei den russischen Militärschlägen nicht um einen „Angriff auf militärische Ziele mit zivilen Opfern“, sondern um einen „massiven Angriff auf Zivilisten“, betonte Stoltenberg. Von daher seien auch die jüngsten Angriffe auf militärische Ziele in Russland legitim.
Was die Frage nach Mittelstreckenraketen-Lieferungen angehe, gebe es einen „ständigen Dialog“ zwischen den NATO-Verbündeten und der Ukraine über spezifische Waffensysteme. HIMARS-Raketenwerfer, Artillerie mit großer Reichweite, Drohnen und gepanzerte Fahrzeuge seien bereits an die Ukraine geliefert worden, gab Stoltenberg zu bedenken.
Seit Beginn des Krieges im Jahr 2014 hätten „die NATO und ihre Mitgliedstaaten, insbesondere die USA, Kanada und Großbritannien, die Ukraine mit Ausbildungsprogrammen und Ausrüstung maßgeblich militärisch unterstützt“, sagte Stoltenberg. Dies erkläre, warum die Ukraine sich nun „viel besser verteidigen“ könne als vor acht Jahren. Es liege „in unser aller Sicherheitsinteresse, dafür zu sorgen, dass sich die Ukraine durchsetzt und Putin nicht gewinnt“.
Putin hatte am 22. Dezember, einen Tag nach dem Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in den USA, seine Bereitschaft zur Diplomatie geäußert: Er wolle den Krieg in der Ukraine beenden. Es sei „umso besser, je früher das geschieht“.
Biden gibt 45 Milliarden Dollar frei
Auch für US-Präsident Joe Biden gehört die Unterstützung der Ukraine offenbar weiter zu den wichtigsten Aufgaben. Mit seiner Unterschrift auf dem 1,7 Billionen Dollar starken US-Gesamthaushalt für das Jahr 2023 ebnete er am 29. Dezember den Weg für weitere Milliardenhilfen. Rund 45 Milliarden Dollar (etwa 42 Milliarden Euro) sind für die Unterstützung der Ukraine vorgesehen.
Die USA geben mit insgesamt rund 858 Milliarden Dollar jeden zweiten Dollar im Haushalt für Verteidigungszwecke aus. Zuletzt hatte der Kongress im Mai 2022 ein 40 Milliarden Dollar starkes Hilfspaket für die Ukraine verabschiedet.
Bundeswehr: erhebliche Ausrüstungsmängel
Unterdessen geht der Bundeswehr offenbar das Material aus. Vieles sei „zur Unterstützung der Ukraine abgegeben, aber noch nichts wieder ersetzt “ worden, beklagte die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl (SPD), nach Informationen des Nachrichtenportals „n-tv.de“ im Gespräch mit der „Rheinischen Post“ und dem Bonner „General-Anzeiger“.
„Die Bundeswehr hat fast von allem zu wenig“, stellte Högl fest. Es mangele unter anderem an „Helmen, Rucksäcken, Schutzwesten sowie kleinerem und großen Gerät – von Funkgeräten, Munition bis zu Panzern“. Wie fragil die Lage beim Großgerät sei, habe zuletzt der Schützenpanzer Puma gezeigt. Högl forderte, die „vollständige Einsatzbereitschaft“ herzustellen und verwies auf das 100 Milliarden Euro schwere „Sondervermögen“, das anlässlich des Ukraine-Kriegs zur Modernisierung der Truppe eingerichtet worden war.
Am 1. Januar soll die Bundeswehr die Führung der Speerspitze der „Schnellen Eingreiftruppe“ in der NATO antreten und muss dafür Tausende Soldaten in Bereitschaft vorhalten.
Strack-Zimmermann fordert Mentalitätswandel in der Truppe
Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), die Vorsitzende des Bundestagsverteidigungsausschusses, sieht die Bundeswehr derzeit nicht in der Lage, die Grenzen Deutschlands aus eigener Kraft zu verteidigen. Dies sei „nur im Zusammenspiel mit unseren NATO-Partnern“ möglich, sagte Strack-Zimmermann der „Rheinischen Post“ und dem Bonner „General-Anzeiger“. Vor dem Problem stünden auch die übrigen NATO-Armeen – mit Ausnahme der USA. In Deutschland existiere „deutlich Nachholbedarf“, was die Verpflichtungen innerhalb der NATO angehe. Zuletzt hatte Strack-Zimmerman an Weihnachten von Bundeskanzler Scholz Panzerlieferungen an die Ukraine verlangt, wie unter anderem auf n-tv berichtet wurde.
Abgesehen davon forderte Strack-Zimmermann eine „der Lage angepasste Mentalität“ in der Bundeswehr-Hierarchie: „Ich wünsche mir von Führungskräften, dass sie nicht herumschwurbeln, sondern offen aussprechen, wenn es Probleme gibt, aber auch konkrete Vorschläge machen, wie man diese lösen kann.“ Wer Verantwortung einfordere, müsse auch Fehler zulassen, wenn der Betroffene daraus lerne und offen damit umgegangen werde. „Wer Angst hat, Fehler zu machen, wird nicht in der Lage sein, mutig zu entscheiden“, so Strack-Zimmermann.
Deutsche Transformatoren für die Ukraine
Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums haben deutsche Unternehmen auf Bitten der Regierung bislang etwa 2.300 technische Güter für die Ukraine gespendet, darunter fast 30 Transformatoren. Unterstützung sei dabei von der „Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit“ (GIZ) geleistet worden. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) lobte das Engagement im Gespräch mit der dpa als einen „nicht zu verachtenden materiellen Beitrag für die Ukraine im Krieg“.
„In den letzten Wochen“ hätten „deutsche Unternehmen noch mal mehr als 60 Transformatoren zur Spende angeboten, darunter auch mehrere große“, lobte Habeck. Die Bundesregierung plane, noch mehr Transformatoren aus heimischer Produktion zu kaufen und in die Ukraine zu schicken, sobald sie gebaut seien. Transformatoren spielen im Stromnetz eine wichtige Rolle zur Spannungsregelung.
Zum Hilfsfonds der „Europäischen Energiegemeinschaft“ zur Unterstützung der Ukraine steuere die Bundesregierung außerdem 130 Millionen Euro bei, sagte Habeck. Mit dem Geld sollen ebenfalls Transformatoren und andere Güter bezahlt werden, die von den ukrainischen Versorgungsunternehmen gebraucht werden.
Bei der „Europäischen Energiegemeinschaft“ handelt es sich um eine internationale Organisation der EU-Mitgliedstaaten und einer Reihe ost- und südeuropäischer Länder. Das Zweckbündnis wurde 2005 gegründet. Seit September 2010 gehört auch die Ukraine dazu.
[Mit Informationen aus Agenturen]
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