Licht im Grundsteuer-Chaos: Was sich wo ändert

Ab dem 1. Januar 2025 gilt die neue Grundsteuer. Vor allem Eigentümer von Wohngrundstücken kann sie hart treffen: Die Beträge können sich um ein Vielfaches erhöhen. Doch was ändert sich mit der Reform? Eins ist sicher: Es wird komplizierter.
Grundsteuer
Wie viel sind Haus und Hof künftig wert?Foto: Richard Villalonundefined undefined/iStock
Von 9. November 2024

In weniger als acht Wochen gilt die neue Grundsteuer. Grundlage dafür ist ein Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2018. Dieser hat die noch geltende Grundsteuer als verfassungswidrig erklärt. Die Neuberechnung wird ab Anfang 2025 für Eigentümer von Grundbesitz gültig sein.

Die Reform hatte das Ziel, aufkommensneutral – also fair – gestaltet zu sein. Doch ist sie das wirklich?

Experte: „Ein absolutes Grundsteuer-Chaos“

Die meisten Eigentümer wissen weiterhin nicht, welche Kosten auf sie zukommen. Für manche kann es günstiger als bisher werden, für manche jedoch teils erheblich teurer. Der Steuerexperte von „Finanztip“ Jörg Leine warnte:

Wir reden hier von ungeplanten Kosten, die sich durchaus im vierstelligen Bereich bewegen können.“

Die erste Quartalszahlung der reformierten Grundsteuer soll bereits Mitte Februar 2025 bei den meisten Eigentümern von Grundstücken fällig sein. Dabei ist die Reform laut Leine „ein absolutes Grundsteuer-Chaos“.

Derselben Ansicht ist auch Kai Warnecke, Präsident von Haus & Grund Deutschland. Er sagte dem Medium: „Die Grundsteuer ist hochkomplex und intransparent.“

Vor rund zwei Jahren mussten Eigentümer relativ kurzfristig Erklärungen für 36 Millionen Grundstücke bei den Finanzämtern einreichen.

Mit diesen berechnen die Finanzverwaltungen die zu zahlende Grundsteuer. Viele Bescheide werden jedoch erst nach dem Jahreswechsel verschickt. Die Eigentümer erfahren die Höhe ihrer Grundsteuer somit nachträglich, also nach Inkrafttreten der Reform. Somit können viele noch gar nicht kalkulieren, welche Kosten sie erwarten.

Warnecke ist über die verspätete Zusendung nicht verwundert. „Die Steuer überfordert sogar die Finanzbehörden mit dem Ergebnis, dass die Städte die Hebesätze nicht rechtzeitig berechnen können.“

Alte Grundsteuer verfassungswidrig

Das Bundesverfassungsgericht hat das noch geltende System der grundsteuerlichen Bewertung als verfassungswidrig erklärt, weil es identische oder sehr ähnliche Grundstücke unterschiedlich behandelt. Darin sah Deutschlands höchstes Gericht einen Verstoß gegen das im Grundgesetz verankerte Gebot der Gleichbehandlung.

Bis Ende 2019 sollte es eine gesetzliche Neuregelung geben. Die Übergangsfrist der jetzigen Form wurde bis 31. Dezember 2024 angesetzt. Ab dem 1. Januar 2025 gilt dann die Grundsteuerberechnung auf Grundlage des neuen Rechts.

Bisher ermittelten die Behörden die Grundsteuer auf der Grundlage von jahrzehntealten Grundstückswerten, den sogenannten Einheitswerten. Dabei unterschieden sich die zugrunde gelegten Grundstückswerte in West- und Ostdeutschland deutlich. Im Westen galten die Grundstückswerte aus dem Jahr 1964 als Basis, im Osten die Werte von 1935.

Seitdem haben sich die Werte von Grundstücken unterschiedlich entwickelt. Dies bedeutet, dass die Einheitswerte längst nicht mehr mit den tatsächlichen Werten der Immobilien übereinstimmen. Vergleichbare Immobilien in benachbarter Lage können dadurch stark unterschiedliche Grundsteuerbeträge haben. Daher können steuerliche Ungleichbehandlungen auftreten. Aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts ist das mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.

Wie wurde die Grundsteuer bisher berechnet?

Die Grundsteuer muss jeder Eigentümer des Grundbesitzes zahlen. Hierzu gehören Grundstücke mit oder ohne Gebäude sowie Betriebe der Land- und Forstwirtschaft.

Bisher galt die Formel: Einheitswert × Steuermesszahl = Grund­steuer­mess­betrag.

Die Steuermesszahl – auch Grundsteuermesszahl genannt – ist ein Faktor, der die Art des Grundstücks bewertet. In Westdeutschland lag er im Bereich zwischen 0,26 und 0,35 Prozent. In Ostdeutschland lag der Faktor meist zwischen 0,5 und 1 Prozent.

Wenn also der Einheitswert eines Grundstücks bei 50.000 Euro liegt und die Steuermesszahl 0,32 Prozent beträgt, ergibt sich daraus ein Grundsteuermessbetrag von 160 Euro. Die Rechnung lautet: (50.000 Euro × 0,32) / 100 = 160 Euro.

Der Grund­steuer­mess­betrag ist aber noch nicht die endgültige, zu zahlende Steuer auf den Grundbesitz. Jede Gemeinde oder Stadt legt die sogenannten Hebesätze fest.

Jetzt folgte der letzte Rechenschritt: Grund­steuer­mess­betrag × Hebesatz = Grundsteuer. Der Hebesatz ist eine meist dreistellige Prozentzahl, beispielsweise 204 Prozent.

Demnach ergibt die Rechnung 160 Euro Grundsteuermessbetrag multipliziert mit dem Hebesatz von 204, geteilt durch 100 (aufgrund der Prozentrechnung) einen zu zahlenden Grundsteuerbetrag von 326,40 Euro.

Auch für 2025 entscheidet jede deutsche Gemeinde über ihren Hebesatz. Wie hoch die neuen Hebesätze sein werden, erfahren die Eigentümer erst mit dem Bescheid im kommenden Jahr – ebenso die Höhe der Grundsteuer.

Was ändert sich ab 2025?

Das Grundprinzip der Berechnung bleibt auch weiterhin bestehen. Der steuerliche Wert des Grundstücks wird mit einer Steuermesszahl multipliziert.

Das wirklich Komplizierte steckt im Detail. Denn künftig kann jedes Bundesland eine eigene Regelung aufstellen. Der Einheitswert wird in zwölf Ländern durch den Grundsteuerwert ersetzt. Diese Bundesländer haben jedoch künftig unterschiedliche Steuermesszahlen.

Steuermesszahlen in Promille (‰) und abweichende Grundsteuerfaktoren nach Bundesländern.

Steuermesszahlen in Promille (‰) und abweichende Grundsteuerfaktoren nach Bundesländern. Foto: ts/Epoch Times

In Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen wird die Steuermesszahl 0,31 Promille für Wohngrundstücke betragen. Bei allen anderen Grundstücken sind es 0,34 Promille.

Die höchste Steuermesszahl weist Baden-Württemberg vor. Für überwiegend zu Wohnzwecken genutzten Grundstücken liegt sie ab kommendem Jahr bei 0,91 Promille, ansonsten bei 1,3 Promille.

Die Hauptstadt Berlin berechnet 0,31 Promille bei Wohngrundstücken und 0,45 Promille für andere Grundstücke. Auch im Stadtstaat Bremen wird für Wohngrundstücke eine Steuermesszahl von 0,31 Promille gelten. Für alle anderen Grundstücke sind es dann jedoch 0,75 Promille.

Das Saarland will 0,34 Promille für Wohngrundstücke und 0,64 Promille für alle anderen Grundstücke berechnen. In Sachsen sind es 0,36 Promille für Grundstücke mit Wohnzweck und mit 0,72 Promille für alle anderen Grundstücke ist der Faktor doppelt so hoch.

Vier Ausreißer

Bayern, Hamburg, Hessen und Niedersachsen machen es hingegen ganz anders. Anstatt einen Grundsteuerwert für Grundstück und Gebäude zu verwenden, wird es eine Zahl für das Gebäude und eine weitere Zahl für das Grundstück geben.

Hinzu kommt, dass Niedersachsen und Hessen jeweils einen weiteren Faktor in die Rechnung einbauen: in Niedersachsen den sogenannten Lagefaktor und in Hessen einen gleich berechneten, aber unbenannten Faktor für den Bodenrichtwert.

Grundsteuer A, B – und ab 2025 noch C 

Bei der Grundsteuer gibt es die Unterscheidung in die Kategorien A, B und C. Zur Grundsteuer A zählen nur land- und forstwirtschaftliche Betriebe. Der Hebesatz ist hier normalerweise geringer als in der Kategorie B. Wie hoch die Grundsteuer ist, hängt beispielsweise von der Ertragsfähigkeit des Betriebs ab. Im Vergleich zur Grundsteuer B sind die Einnahmen aus der Grundsteuer A für den Bund aber gering.

Wenn von der Grundsteuer die Rede ist, ist meist die Grundsteuer B gemeint. Davon sind alle Grundstücke betroffen, die nicht land- oder forstwirtschaftlich genutzt werden. Die Grundsteuer B ist mit Abstand am weitesten verbreitet.

Ab kommendem Jahr kommt die Grundsteuer C neu hinzu. Diese wird auch als Baulandsteuer bezeichnet. Diese können Städte und Kommunen auf unbebaute baureife Grundstücke erheben, um Spekulationen mit Grundstücken unattraktiver zu machen.

Erste Hebesätze schon bekannt

Die drei Stadtstaaten haben die ab 2025 gültigen Hebesätze für die Grundsteuer B schon bekannt gegeben. In Berlin sinkt der Hebesatz von 810 auf 470 Prozent. In Hamburg wird er hingegen von 540 auf 975 Prozent steigen. Eine Erhöhung gibt es auch in Bremen. Hier steigt der Hebesatz von 695 auf 755 Prozent.

Andere Bundesländer haben Prognosen veröffentlicht, wie hoch die Hebesätze ab dem kommenden Jahr sein könnten.

Nordrhein-Westfalen gab bereits vor einigen Monaten die Hebesätze der Städte und Gemeinde bekannt. Zum Beispiel Düsseldorf 374 Prozent, in Köln bei 464 Prozent.

In Baden-Württemberg haben Behörden noch keine Angaben über konkrete Hebesätze gemacht. Lediglich ein grober Rahmen wird genannt, der aktuelle Wert von 520 Prozent soll auf 156 bis 172 Prozent sinken.

Schleswig-Holstein veröffentlichte ein Transparenzregister. Dort können Einwohner den Namen ihres Wohnorts eingeben und künftige Hebesätze abrufen.

Möglichkeit zum Einspruch

Grundlage für eine Klage bieten der Grundsteuerwertbescheid und der Grundsteuermessbescheid. Wer damit nicht zufrieden ist oder eine zu starke Preiserhöhung erkennt, kann mit Einhaltung einer einmonatigen Frist nach Zugang beim Finanzamt Einspruch einlegen. Eine konkrete Anleitung bietet das Portal „WISO Steuer“.

Im Jahr 2019, also ein Jahr nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, sollte die Reform laut dem damaligen Finanzminister Olaf Scholz (SPD) noch anders aussehen. Er sagte damals: „Es ist ein Gesetz, das dazu beiträgt, dass die Steuer für alle Steuerpflichtigen in Deutschland zusammen nicht steigt.“



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