Verfassungsrichterin: Corona-Entscheidungen waren „absolut richtig“

Für die einen war es „Corona-Diktatur“, für die anderen ein gerechtfertiger Grundrechtseingriff, um Leben und Gesundheit zu schützen. Auch rückblickend hält Doris König, Vizepräsidentin des Bundesverfassungsgerichts, an den Urteilen zur Corona-Politik fest.
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Doris König, Vizepräsidentin des Bundesverfassungsgerichts.Foto: Uwe Anspach/Pool/AFP via Getty Images
Von 3. November 2024

Die Vizepräsidentin des Bundesverfassungsgerichts, Doris König, hat die Urteile des Gerichts zu den Corona-Maßnahmen verteidigt. Der „Rheinischen Post“ sagte sie, dass sie die Corona-Rechtsprechung „absolut für richtig gehalten“ habe.

Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Corona-Politik hatte für Aufsehen gesorgt. So hatte das Gericht am 19. November 2021 mehrere Beschwerden zurückgewiesen und entschieden, dass die Regelungen in der Pandemie – darunter Schulschließungen sowie Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen – trotz der Grundrechtseingriffe mit ihren Gefahren für Leben und Gesundheit verhältnismäßig gewesen seien.

„In einer Zeit großer wissenschaftlicher Unsicherheit der Regierung einen großen Gestaltungsspielraum zu lassen, das halte ich für richtig“, sagte König. Niemand habe damals gewusst, was richtig und was falsch war.

Es sei nicht Aufgabe des Gerichts, „nach Gefühl Recht zu sprechen“, so König. Es sei auch nicht die Aufgabe der Rechtsprechung, die durch Corona-Maßnahmen zum Teil bei Bürgern entstandenen Wunden zu heilen, dafür müsse die Politik sorgen. Insoweit sei es auch nicht an ihr, Ratschläge zu erteilen.

„Aber man sollte sich schon überlegen, wie man mit dem Thema umgeht, weil es noch immer gärt“, sagte sie.

Andererseits bezeichnete die Richterin es als „widersinnig“, sich über eine „Corona-Diktatur“ zu beschweren und gleichzeitig „autoritäre Parteien“ zu wählen. Diese seien nicht dafür bekannt, dass ihnen die Freiheitsrechte aller Menschen am Herzen liegen.

Demokratie als Zusammenspiel

König äußerte, dass Demokratie keine Selbstverständlichkeit sei, „für die man selbst eigentlich gar nichts tun muss, außer ab und zu zur Wahl zu gehen“. Vielmehr seien alle Bürger aufgefordert, sich dafür einzusetzen. Auf kommunaler Ebene sei dies wegen zunehmender Bedrohungen jedoch immer schwieriger.

Angesprochen auf die von manchen vertretene Auffassung, dass man in Deutschland gar nichts mehr sagen könne, verweist die Richterin auf grundlegende Rechte wie das Recht auf freie Meinungsäußerung, die Presse- sowie Informationsfreiheit. Diese würden vom Bundesverfassungsgericht „in einem sehr weiten Umfang geschützt“.

„Ich finde, dass dieses Genörgel über die Politiker, die angeblich alles falsch machen, viel zu einfach ist“, kritisierte König. Politiker seien in der Regel Menschen, die sehr viel Zeit und Energie einsetzen, um das Gemeinwesen voranzubringen.

Richterin sieht Problem bei „Konsumentenhaltung“

Dass Menschen sich lieber heraushalten, sei für die Demokratie nicht gut. Insofern hält es König für sinnvoll, dass jeder bei sich selbst anfängt und politisch einbringt.

„Ich habe den Eindruck, dass sich über die Jahrzehnte mit dem wirtschaftlichen Wohlstand auch eine Art Konsumentenhaltung eingestellt hat. Dass man selbst etwas tun muss, ist zunehmend in Vergessenheit geraten“, schildert sie weiter.

Wenn Bürger den demokratischen Rechtsstaat nicht mehr respektieren und schützen, dann hätte auch das Bundesverfassungsgericht, das für die Einhaltung der Spielregeln sorge, einen schweren Stand.

Das Bundesverfassungsgericht allein könnte die Demokratie nicht retten, so König. „Wir sind immer auf die Akzeptanz unserer Urteile angewiesen. Wenn diese nicht umgesetzt werden, werde es schwierig.“

Wirbel um Kanzlerdinner

In der Vergangenheit war das Bundesverfassungsgericht in Kritik geraten, nachdem bekannt geworden war, dass sich am 30. Juni 2021 die Richter beider Senate hinter verschlossenen Türen mit der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel zu einem Abendessen getroffen hatten.

Der Berliner Rechtsanwalt Niko Härting sah das Kanzlerdinner als versuchte Einflussnahme auf laufende Verfahren zur sogenannten Bundesnotbremse, die der Corona-Politik zugrunde lag, und eine Verzögerung der Entscheidungen über die dem Gericht vorliegenden Anträge.

Laut Aussage des Gerichtspräsidenten Stephan Harbarth hingegen wurden die Themen des Abends „ohne konkreten Bezug zu anhängigen Verfahren“ erörtert.

Mehr als 40 Treffen mit Bundesrichtern

Wie die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der AfD vom 26. April 2024 zeigt, gab es allein im Zeitraum vom 6. Mai 2022 bis 8. November 2023 mehr als 40 Treffen zwischen Ministern oder Staatssekretären mit Richtern der obersten Gerichtshöfe und des Bundesverfassungsgerichts. Eine Dokumentationspflicht, um die dort geführten Gespräche und deren Ergebnisse – einschließlich Telefonate – zu erfassen, besteht nicht.

In einem „allgemeinen Austausch“ mit den Richtern sieht die Regierung auch keine Gefahr für die Gewaltenteilung. Rechtsexperten sind da zweigeteilt. Der Politologe Hans Vorländer von der TU Dresden sieht kein Problem in einem wechselseitigen Austausch. Dieser sei vielmehr „Teil einer verantwortungsvollen Staatsleitung“.

Volker Boehme-Neßler, Professor für öffentliches Recht in Oldenburg, zeigte sich hingegen besorgt. Er bezeichnete die zahlreichen Kontakte für „hochproblematisch“ – „eine Nähe und eine Vernetzung, die zwei wichtige Grundsätze des Rechtsstaates bedrohen: die Gewaltenteilung und die richterliche Unabhängigkeit“.

Der Rechtsstaat funktioniere nur, wenn die Richter vollständig unabhängig arbeiten können. Einflüsse der Regierung auf die Gerichte jedoch würden die richterliche Unabhängigkeit bedrohen.

„Regelmäßige Kontakte schaffen Nähe und gegenseitiges Verständnis. Das macht es für Richter schwierig, die Regierung dann unparteiisch und objektiv zu kontrollieren“, schilderte er.

(Mit Material der Agenturen)



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