Landwirt: „Wir sollten stolz auf hochwertige deutsche Nahrungsmittel sein“
Nach zwei Jahren coronabedingter Pause findet wieder die Grüne Woche live in Berlin statt. Die markanten grünen Fahnen mit dem Logo aus zwei Getreideähren wehen im kalten Januarwind. Dahinter erstreckt sich das riesig erscheinende Berliner Messegelände mit seinem weithin sichtbaren Eiffelturmverschnitt, dem Funkturm.
Vor dem Südeingang stehend, von oben herabschauend wandern die Menschen jetzt am Vormittag wie auf kleinen Ameisenstraßen durch winzig erscheinende Eingangstüren in den großen Gebäudekomplex. Reisebus an Reisebus reihen sich davor auf einem Busparkplatz.
Aus dem gesamten Bundesgebiet ist man angereist. Mit insgesamt rund 1.400 Ausstellern (2020: 1.810) aus 60 Ländern (2020: 75 Länder) fällt die 1926 gegründete weltgrößte Messe für Landwirtschaft, Ernährung und Gartenbau jedoch etwas kleiner aus als vor der Corona-Krise.
Fremdländische Düfte und Klänge erfüllen die Hallen
In den Hallen präsentieren sich die Länder und Regionen mit ihren Speisen und typischen Produkten. Fremdländische Düfte und Klänge erfüllen die Hallen und machen zusammen mit den Einkaufsmöglichkeiten für viele den Reiz aus, hier Jahr für Jahr herzukommen.
Von den Bundesländern sind 12 von 16 auf der Messe vertreten und zeigen ihre regionalen Spezialitäten. Russland, der zuvor mit 3.000 Quadratmetern größte ausländische Aussteller, ist in diesem Jahr nicht dabei. 2020 nahmen die Aussteller rund 52 Millionen Euro durch den Verkauf auf der Messe ein.
Tiergehege und eine Anlage für Reittiere bringen den Besuchern etwas Abwechslung und vor allen Dingen Realitätsnähe. Stammen doch viele der Produkte, die hier gekauft oder verspeist werden von Tieren. Neben Rindern, Eseln und Pferden wälzen sich hier auch einige Zebus (indisches Hausrind) im Stroh von doch eng bemessenen Stallungen.
Geruchsintensiv zeigen sie, dass die Landwirtschaft ein Kernthema der Messe darstellt. Wie die vielen Gespräche unter den Produzenten und Händlern zeigen, ist die Messe gut geeignet, neue Geschäftsbeziehungen aufzubauen und vorhandene zu pflegen. Doch wie geht es eigentlichen unseren deutschen Landwirten und der hiesigen Landwirtschaft, was bewegt sie momentan?
Landwirt: „Naturlandschaft und Existenz der Landwirte bedroht“
In der Sachsen-Anhalt-Halle gibt der Landwirt Dipl.-Ing.agr. Wolfgang Zahn, welcher für die Agrarmarketinggesellschaft Sachsen-Anhalt mbH im Börde-Landkreis arbeitet, Einblick in die aktuelle Lage.
Die Magdeburger Börde mit ihren sehr guten Böden biete natürlich wunderbare Voraussetzungen für die landwirtschaftliche Nutzung, wirbt er. Doch wie in allen Regionen in Deutschland schreibe auch hier die Europäische Union die Einhaltung einer enormen Anzahl an Paragrafen vor.
Jedes Jahr gebe es eine neue Düngeverordnung, neue Regelungen zum Tierwohl, kritisiert er. „Das sind immer wieder neue Herausforderungen, denen sich die Landwirte stellen müssen, die natürlich mit Kosten und Aufwand verbunden sind.“ Die Herausforderung für die nächsten Jahre sei, die EU-Vorgaben umzusetzen.
Unsere Bundespolitik sei auf grüne Politik ausgerichtet, so Zahn. Die konventionelle Landwirtschaft würde daher wahrscheinlich in den nächsten drei, vier Jahren noch weiter zurückgedrängt, um die Biolandwirtschaft zu stärken. „Wenn die konventionelle Landwirtschaft in Deutschland verschwindet, dann wird sich die jetzige Kulturlandschaft, die wir als Landwirte pflegen, stark wandeln.“
Er malt ein düsteres Bild: Sollten die Landwirte keine Wertschöpfung mehr durchführen dürfen und die Tierhaltung Stück für Stück abgeschafft werden, weil das Konsumverhalten dahin geht, dass keiner mehr Fleisch isst, wäre das für die Naturlandschaft in Deutschland und auch für die Existenz der Landwirte bedrohlich.
„Wir in der Landwirtschaft sind natürlich auch für Klimaschutz“, betont er. „Aber es muss alles im Konsens zwischen der EU-Verwaltung, dem Bund und den Landwirten hier erfolgen. Sonst schneiden wir die Landwirtschaft hier in Deutschland perspektivisch auf die nächsten 30 Jahre komplett ab.“
„Tendenz, dass Betriebe immer größer werden“
Dabei gebe es durchaus Betriebe, die immer größer würden, weil beispielsweise Familienbetriebe Schwierigkeiten hätten, Nachfolger zu finden, so der Landwirt. Kleine Familienbetriebe mit 80 oder 120 Hektar, bei denen die Nachfolge nicht geregelt sei, neigten dazu, sich mit anderen zu größeren Betrieben zusammenzuschließen. „Das hat jetzt erst mal nichts Negatives.“
Allerdings sei es bei den Familienbetrieben schon so, dass das Tierwohl dort noch mehr beachtet wird, erklärt der Agraringenieur. „Das machen die großen Betriebe auch.“ Aber die Familienbetriebe wären näher an ihren Produkten und intensiver über die gesamte Familie mit der Wertschöpfung verbunden. „Das bedeutet aber auch, dass diese Produkte noch teurer sind, weil mehr Personaleinsatz zum Tragen kommt.“
Bei den größeren Betrieben mit 2.000 bis 3.000 Hektar oder mit 10.000 Schweinen in einer Anlage sei dafür die Effizienz besser und letztendlich auch der Gewinn. Dadurch könnten konventionelle Betriebe den Markt besser bedienen. Denn der Markt bestimmt den Preis und die Endverbraucher verlangen nach billigen Preisen. „Was nicht gut ist für die Landwirtschaft in Deutschland.“
Der Verbraucher entscheide letztendlich mit seinem Kaufverhalten über das Aussehen der Landwirtschaft und ob mehr Familienbetriebe erhalten bleiben, so Zahn, – wenn der Verbraucher regionaler denke und regionaler einkaufe. Und wenn er auch qualitätsbewusst einkaufe, in der Art: „Ich weiß, das kommt vom Nachbarbauernhof nebenan“, dann stärke das natürlich die Landwirtschaft in Deutschland insgesamt.
„Bin auch mit Popcorn-Mais in der Direktvermarktung unterwegs“
Phillip Krainbring aus Wanzleben-Börde (Sachsen-Anhalt), ist seit 2016 Betriebsleiter auf einem Ackerbaubetrieb in der Magdeburger Börde mit rund 440 Hektar Marktfrüchten. „Das ist ein klassischer Ackerbaubetrieb, wie man ihn in der Bundesrepublik findet“, erklärt er. Hier baut er Raps, Weizen, Gerste, Zuckerrüben für die Zuckerfabrik und Mais für eine Biogasanlage an. „Und seit Kurzem bin ich auch mit Popcorn-Mais in der Direktvermarktung unterwegs“, erklärt der Landwirt.
Wo die gesamte Landwirtschaft jedoch gerade sehr herausgefordert sei, wären die „vielen politischen Auflagen“, was die Düngung und den Pflanzenschutz angehe. Hinzu kommen die Herausforderungen mit dem Wetter, führt der Betriebsleiter aus. „Schließlich ist da auch noch der gesellschaftliche Druck, weil ja nicht jedem die Produktion so schmeckt, wie sie gerade stattfindet.“ Die Herausforderungen wären dadurch sehr, sehr vielschichtig.
Was das für Lösungen wären? „Zum Beispiel, wenn man aufs Wetter guckt, da versuchen wir baulich Maßnahmen umzusetzen, die eine Wasserersparnis bringen, die Ressourcen sparen.“ Was den gesellschaftlichen Druck angehe, so sei ein Ansatz, „dass wir wieder mehr Produkte aus der Region direkt zum Kauf anbieten“. Damit würden die Landwirte gegenüber den Verbrauchern auch wieder ein Gesicht bekommen, welches sie in Verbindung mit den landwirtschaftlichen Produkten bringe.
Das Ziel ist dabei, die gesellschaftliche Akzeptanz von Landwirten wieder zu erhöhen.“
„Schwierigstes Feld ist die Agrarpolitik“
„Das schwierigste Feld, was ich gerade sehe, ist die Agrarpolitik.“ Hier hat der Betriebsleiter aus der Wanzlebener Börde noch nicht wirklich eine Antwort. Man könne den Politikern natürlich immer wieder seine Probleme und seine Wünsche nennen und sagen, was anders laufen solle, welche Gesetze vielleicht angepasst werden sollten. Aber die Prozesse seien sehr langsam. „Bei gewissen Politikern spielen auch gewisse Ideologien eine Rolle. Sie sind starr und wollen nicht von ihrem Weg abweichen.“
Dadurch wäre der Handlungsspielraum für Landwirte eingeschränkt. „Wir dürfen manchmal, obwohl wir das wollen, gar keine nachhaltigeren und gesünderen Nahrungsmittel produzieren oder gewisse Zielvorgaben erfüllen, die wir von der Politik bekommen, wie die Reduktion von Düngung, die Reduktion von Pflanzenschutz“. Denn der rechtliche Rahmen würde das überhaupt nicht hergeben. „Bei den Tierhaltern sieht es in diesem Bereich noch schlimmer aus.“
„Zudem muss man sagen, dass wir in Deutschland sehr hochwertige Nahrungsmittel im weltweiten Vergleich produzieren.“ Die Gesetzeslage verschärft sich laut Krainbring trotzdem immer weiter. Eine Folge ist, dass die Inlandsproduktion mehr und mehr runtergefahren werden und Deutschland zunehmend auf Importe aus dem Ausland angewiesen ist. „Das ist nicht der richtige Weg.“
Bürokratieabbau, wie er gern im Parlament benannt werde, finde nicht statt, so der Betriebsleiter. „Wir müssen immer mehr dokumentieren.“ Es sei manchmal wichtiger, zu dokumentieren, als das tatsächlich durchzuführen. Durch Smartphone und Co. nehme man die Büroarbeit schon mit auf den Traktor.
„Würde lieber auf dem Acker wühlen, als am Schreibtisch zu sitzen“
„Ich würde lieber mehr im Acker wühlen, als am Schreibtisch zu sitzen, um gewisse Dinge zu dokumentieren, die vielleicht nicht unbedingt sein müssen“, sagt der Sachsen-Anhalter. „Manche Dinge müssen wir gefühlt dreimal dokumentieren. Wir können unsere eigentliche Arbeit daher manchmal gar nicht mehr richtig machen.“
Was die Preise betrifft, so sei man bei den börsennotierten Früchten wie beispielsweise Raps, Weizen, Gerste auf einem „ganz guten Niveau“. Leider sei dies bedingt durch die Ukraine-Krise, durch den Krieg, der dort stattfindet. „Auf der anderen Seite sind natürlich auch die Kosten sehr stark gestiegen, womit sich der Erlös insgesamt dann wieder auf dem gleichen Niveau befindet.“
Bei den nicht börsennotierten Kulturen und dem Gemüse bestimme hingegen der Handel ganz stark die Preise, so Krainbring. „Dort muss man gucken, wie man in die Verhandlung geht.“ Der Handel habe da einen sehr langen Hebel. Durch die starke Position des Handels, fände die Preisverhandlungen eher einseitig statt, resümiert er.
Mehr Eigenverantwortung und stärkere regionale Strukturen
„Das Grundlegendste, was ich gerne wieder hätte, ist, dass wir Landwirte wieder mehr Eigenverantwortung und Freiheiten bekommen.“ Es funktioniere nicht, dass man irgendeinen Deckel aus Richtlinien und Gesetzen über Deutschland oder die Europäische Union darüber stülpe und sage: „So hat Landwirtschaft jetzt auszusehen.“
Dafür wären die Naturräume zu unterschiedlich. „Manchmal sind da schon bei zehn Kilometer Entfernung zwischen den Äckern große Unterschiede bei der Bewirtschaftung notwendig, weil die Voraussetzungen ganz anders sind.“
Eine Fokussierung auf 30 Prozent Öko-Landbau, wobei der Markt dies gar nicht hergebe, sei heikel. Störend seien auch pauschale Verunglimpfungen mit Dünger, Nitratwerten und Pflanzenschutzmitteln. „Die Politik sollte mal wieder ein bisschen mehr den Blick auf die Realität richten, sachlicher argumentieren“, so Krainbring.
„Ich würde auch gerne den chemischen Pflanzenschutz durch verschiedene Verfahrensweisen reduzieren, aber ich bin rechtlich eingeschränkt, weil Zulassungsverfahren und rechtliche Bedingungen mir das gar nicht erlauben.“ Die Landwirte würden alle sehr verantwortungsvoll arbeiten.
Wir wissen, was wir tun. Wenn wir diese Verantwortung auch wieder zurückkriegen, dann werden wir auch sehr sorgsam und gut damit umgehen.“
„Wir sind stolz auf hochwertige deutsche Nahrungsmittel“
Er findet: Politik und Gesellschaft sollten wieder hinter den deutschen Landwirten stehen und sagen: „Wir sind stolz darauf, dass wir so hochwertige Nahrungsmittel produzieren.“ Auch müssten die traditionellen Vermarktungsstrukturen mehr unterstützt werden.
„Der Metzger, die kleinen Bäckereien, sie alle haben ein schweres Leben. Die haben alle strenge Auflagen.“ Dadurch würden sie mehr und mehr wegbrechen. „Diese regionalen Vermarktungsstrukturen müssen wir wieder aufbauen und stärken.“
Russische Aussteller vermisst
Am späten Nachmittag machen sich viele Besucher wieder auf den Nachhauseweg. Die Reisebusse füllen sich einer nach dem anderen mit den angereisten Fahrgästen und verlassen den Busparkplatz. Eine Besucherin vermisst die russischen Aussteller, sie wäre gerne endlich einer Empfehlung von Freunden nachgekommen und hätte russische Butter probiert.
Aus Werlte im Emsland (Niedersachsen) ist eine kleine Männergruppe zur Grünen Woche angereist. Sie sammelt sich jetzt am Parkplatz, bevor sie rund sechs Stunden mit dem Bus wieder heimwärts fährt. Für sie gehört ein Besuch der Grünen Woche in der Hauptstadt seit Jahren zum festen Repertoire.
Der bewölkte Himmel nimmt nun ein dunkles Grau an, – die Hallen leeren sich langsam. Doch morgen werden sie wieder da sein: Die kleinen Ameisenstraßen aus Menschen, die wieder in die Hallen strömen und den Genuss der großen weiten Welt suchen.
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