Koalitionsdifferenzen gefährden Wirtschaftsstandort: Subventionsdebatte spitzt sich zu
An Streitpunkten mangelt es der Ampelkoalition auch nach der Sommerpause nicht. Gerade erst entbrannte innerhalb der Bundesregierung ein Streit um die Kindergrundsicherung. Dieser soll allerdings bis Ende dieses Monats beigelegt sein. Dann treffen sich die Bundesminister auf Schloss Meseberg in Brandenburg zu ihrer inzwischen fünften Klausurtagung der Ampelregierung. SPD, Gründe und FDP wollen neuen Schwung für die zweite Hälfte der Wahlperiode aufnehmen. Neuer Streit steht aber schon jetzt ins Haus: Dieses Mal geht es um das Konzept des sogenannten Industriestroms.
„Transformationsstrompreis“ für Industrieunternehmen
Am vergangenen Donnerstag beschloss der geschäftsführende Vorstand der SPD-Bundestagsfraktion ein Papier mit dem Titel „Wachstum nachhaltig sichern – ein 6-Punkte-Plan“, über das das „Handelsblatt“ berichtete. „Um die Konjunktur zu beleben, den Reformstau weiter anzugehen und dabei gleichzeitig die Transformation unserer Wirtschaft voranzubringen, müssen weitere Maßnahmen ergriffen werden“, begründet die Fraktionsspitze im Papier ihre Intention.
Unter anderem fordert die Fraktion einen „Transformationsstrompreis“ von fünf Cent pro Kilowattstunde für stromintensive Industrieunternehmen, der zunächst für fünf Jahre gelten soll.
Diese Forderung verwundert auf den ersten Blick, da die Fraktion, die mit Olaf Scholz derzeit den Kanzler stellt, hier eine deutlich stärker fordernde Haltung einnimmt als der Kanzler. Dieser hatte zwar einen subventionierten Strompreis im Wahlkampf 2021 gefordert, das Konzept als Kanzler dann aber immer wieder abgelehnt. Zuletzt bekräftigte Scholz seine ablehnende Haltung vor wenigen Tagen noch einmal bei einer Rede auf dem Unternehmertag NRW in Düsseldorf. „Eine Dauersubvention von Strompreisen mit der Gießkanne können wir uns nicht leisten und wird es deshalb auch nicht geben“, so der Kanzler.
Die Grünen machen sich seit Monaten für eine staatlich gestützte Senkung der hohen Strompreise stark, mit der energieintensive Unternehmen in den nächsten Jahren beim grünen Umbau unterstützt werden sollen. Die FDP hat sich gegen so eine Regelung bisher mit Händen und Füßen gewehrt.
Subventionierung des Stroms ökonomisch nicht sinnvoll
Die ablehnende Haltung unterstrich Finanzminister Christian Lindner (FDP) am 24. August im „Deutschlandfunk“ dann auch noch einmal, nachdem die Forderungen der SPD-Fraktion öffentlich wurden. Bislang habe noch niemand einen umsetzbaren Vorschlag gemacht, wie das zu finanzieren sei, so Lindner. Er halte es nicht für ökonomisch sinnvoll, wenn ein Teil der deutschen Wirtschaft auf Kosten der Breite der Gesellschaft subventioniert werde.
Es bleibt nun abzuwarten, wie sich Bundeskanzler Scholz in künftigen Debatten positionieren wird. Auch wenn die Forderung aus der SPD-Fraktion auf den ersten Blick wie eine Watsche gegen den Kanzler klingt, stellt man auf den zweiten Blick fest, dass man Scholz hier auch eine Brücke gebaut hat: Es geht in der Forderung um keine Dauersubventionierung, sondern um eine zeitlich begrenzte Förderung.
Ein Umdenken von Bundeskanzler Scholz hatte gerade erst in einem Interview mit der „Welt am Sonntag“ Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) eingefordert. „Die Unternehmen aus der energieintensiven Industrie sagen alle, wenn der Strompreis so hoch bleibt, kann es nicht gehen. Da droht ein Substanzverlust, und eine Industrie, die weggeht, kommt nicht wieder. Eine Deindustrialisierung kann sich dieses Land und kann sich auch Europa nicht leisten“, so der Ministerpräsident. Auf die bisher ablehnende Haltung seines Parteigenossen Scholz angesprochen, findet Weil deutliche Worte: „Das letzte Wort in dieser Sache ist nicht gesprochen. Das wird eine besonders wichtige Diskussion in diesem Herbst.“
In der Ampel stoßen zwei Grundkonzepte aufeinander
Die Diskussion um eine staatliche Subventionierung des Strompreises für energieintensive Branchen zeigt einen Grundkonflikt in der Ampelregierung auf. Finanzminister Lindner drängt darauf, die Schuldenbremse einzuhalten. In den Beratungen zum Doppelhaushalt 2024/25 betonte er dieses Anliegen immer wieder. Dem steht aber die Position von Grünen und SPD entgegen. Diese beiden Partner sind der Auffassung, dass gerade so große Transformationsprojekte wie die Energiewende ohne hohe staatliche Fördergelder nicht zu leisten sind.
Diese Konfliktlinie ist nicht so leicht aufzulösen. Politisch kann es daher bei diesem Streit auch schnell um den weiteren Fortbestand der Ampel gehen. Die Wirtschaft erwartet auf der anderen Seite auch endlich eine Grundsatzentscheidung der Bundesregierung. Für sie ist diese Entscheidung auch eine Entscheidung für die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschland.
Gewerkschaften und Wirtschaftsteile für Stromsubventionierung
Im „Handelsblatt“ macht der Chef der Münchner Wacker Chemie, Christian Hartel, dann auch eine deutliche Ansage: „Die kommenden Jahre werden anstrengend. Es gibt zwei Varianten, damit umzugehen: Entweder man schreckt vor den Kosten zurück, oder man begreift das als große Chance, um unser Land mit neuen Technologien nach vorn zu katapultieren.“
Hartel bringt für seine Branche auch das Thema Abwanderung ins Spiel. Die Chemiewerke in Deutschland seien zwar für Jahrzehnte konzipiert, mit vielen Verflechtungen zwischen Zulieferern und Herstellern. „Wir können nicht einfach umziehen.“ Aber: „Wenn wir etwas Neues aufbauen, überlegen wir uns genau, wo die Rahmenbedingungen am besten sind.“
Vor einigen Tagen hatte sich auch schon eine Allianz großer Industriegewerkschaften wie der IG BCE, IG Metall und des Deutschen Gewerkschaftsbunds sowie Wirtschaftsverbänden mehrerer Branchen mit einem Papier in der Sache zu Wort gemeldet. In dem Papier sprechen sich Gewerkschaften und Verbände klar für einen Industriestrompreis aus.
Nach monatelangem Hickhack müsse nun eine Entscheidung für die Zukunft der Industrie in Deutschland getroffen werden. Vor allem der Bundeskanzler müsse klar Stellung beziehen, fordern die Bündnispartner, die in den kommenden Wochen das Gespräch mit Regierungsvertretern und Abgeordneten aus Bund und Ländern suchen wollen.
Problem selbst herbeigeführt
Auch die Gegner eines subventionierten Strompreises formieren sich und melden lauten Protest an. Gegenüber dem „Handelsblatt“ sagte FDP-Fraktionsvize und Haushaltsexperte Christoph Meyer: „Was SPD und Grüne mit ihrem Industriestrompreis machen wollen, ist paradox.“ Erst habe das Abschalten der Kernkraftwerke den Strom verteuert. Jetzt solle eine grundgesetzliche Notlage konstruiert werden, um den Strompreis schuldenfinanziert dauerhaft zu subventionieren. „Das ist wie der Versuch, ein Symptom zu lindern, das man selbst hervorgerufen hat.“
Auch aus der Wirtschaft gibt es Protest an den Subventionsplänen von SPD und den Grünen. Die „Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK)“ erneuerte am Donnerstag ihre Bedenken gegen das Konzept, von dem nur bestimmte energieintensive Betriebe profitieren würden. Eine Senkung der Stromsteuer und eine schnellere Ausweitung des Stromangebots seien die bessere Alternative, heißt es. Davon könnte die deutsche Wirtschaft in der gesamten Breite profitieren.
Bis 2030 Kosten bis zu 30 Milliarden Euro
Schon im Mai hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ein eigenes Konzept von einem staatlich geförderten Preis für energieintensive Unternehmen vorgelegt. Habeck forderte sechs Cent pro Kilowattstunde – das wäre ein Cent mehr als nun vor der SPD-Fraktion gefordert. Im zweiten Halbjahr 2022 bezahlten Industrieunternehmen im Durchschnitt 19,86 Cent pro Kilowattstunde. Habeck bezifferte die Kosten für seinen Subventionierungsplan damals bis 2030 auf 25 bis 30 Milliarden Euro.
Angesichts der Schuldenbremse, die Finanzminister Lindner in den kommenden Jahren unbedingt wieder eingehalten wissen möchte, ist das viel Geld.
Anfang nächster Woche trifft sich die SPD-Fraktion zur Klausurtagung in Wiesbaden. Das Konzept zum Industriestrompreis soll dann neben dem Sechs-Punkte-Plan für die Wirtschaft offiziell beschlossen. Der nächste Ampelstreit dürfte so vorprogrammiert sein.
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