Koalitionen in Berlin: Nach der Wahl könnte es kompliziert werden
In Berlin hat am Sonntag die Wiederholungswahl begonnen. Gut 16 Monate nach der von Pannen und organisatorischen Problemen geprägten Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus sind etwa 2,4 Millionen Berliner aufgerufen, erneut ihr Landesparlament zu wählen.
In der Hauptstadt regieren seit 2016 gemeinsam SPD, Grüne und Linke. Im Dezember 2021 erneuerten sie die Koalition. Die Wiederholungswahl könnte die politischen Verhältnisse aber nun verändern.
In den letzten drei Umfragen vom vergangenen Donnerstag lag die CDU mit ihrem Spitzenkandidaten Kai Wegner mit 24 bis 25 Prozent vorn. Die CDU könnte somit seit Jahrzehnten wieder stärkste politische Kraft in der Hauptstadt werden.
Die SPD kam laut Prognose auf 19 bis 22 Prozent und rangierte damit vor den Grünen, die in den Umfragen 17 oder 18 Prozent erreichten. Die Linke lag bei 11 bis 12 Prozent, die AfD bei 9 bis 10 und die FDP bei 6 bis 7 Prozent. Die sonstigen Parteien kamen zusammen auf etwa 10 Prozent.
Rein rechnerisch sind fast alle Koalitionsoptionen möglich
Nach der Wahl könnte es also kompliziert werden. Rein rechnerisch wäre bei diesen Werten unter anderem eine Fortsetzung der Regierungskoalition aus SPD, Grünen und Linke möglich. Eine Mehrheit hätten auch Dreierbündnisse unter CDU-Führung. Ob es CDU-Spitzenkandidat Wegner gelingt, solche Koalitionen zu schmieden, ist aber unklar. Bündnisse mit der Linken oder der AfD schließen die Christdemokraten aus. Möglich wären ansonsten Koalitionen von CDU, FDP und Grünen.
Grüne und CDU fremdeln allerdings stark miteinander. Gespräche zwischen Schwarzen und Grünen hatte es zu Beginn des Wahlkampfes gegeben. Auf Forderungen der Grünen, wie unter anderem eine flächendeckende Einführung von Tempo 30 und der Abbau der Hälfte der Parkplätze in der Hauptstadt, will sich die CDU aber nicht einlassen.
„Ich kann mir eine Koalition mit den Grünen nach der Wahl nicht vorstellen“, sagte CDU-Spitzenkandidat Wegner schließlich am Donnerstagabend im „Rundfunk Berlin-Brandenburg“.
Die Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch nannte Wegners Ausführungen zur Verkehrspolitik hingegen „extrem unredlich“ und „Heuchelei pur“. Es könne nicht allen alles versprochen werden, das funktioniere nicht, sagte sie.
„Wir leben in einer extrem verdichten Stadt – es wird nur gehen, wenn die Autofahrer ein Stück Platz machen.“ Jarasch präferiert nach eigener Aussage eine Fortsetzung der bisherigen Koalition mit SPD und Linken – allerdings unter ihrer Führung.
SPD hält sich bedeckt
Die regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey hat bislang eine klare Koalitionsfestlegung vermieden und jeweils ihren Führungsanspruch bekräftigt. „Ich führe keinen Koalitionswahlkampf“, sagte die SPD-Politikerin am Freitag im „ZDF-Morgenmagazin“. Sie halte an dem Ziel fest, die SPD stark zu machen.
Unter Umständen könnte es nach der Abgeordnetenhauswahl auch für eine Koalition aus CDU und SPD reichen. Dagegen stemmt sich die Berliner FDP und warb für eine Koalition in den Deutschlandfarben. „Die CDU mag die stärkste politische Kraft in Berlin werden, aber den politischen Wechsel wird es nur mit der FDP geben“, sagte Spitzenkandidat Sebastian Djir-Sarai.
Laut dem „Berliner Trend“ hätten CDU, SPD und FDP auch eine Mehrheit. Doch warum sollte die SPD als Juniorpartner mit der CDU zusammengehen, wenn sich Giffey in anderer Konstellation im Rathaus halten könnte?
Legislaturperiode verlängert sich nicht
Wer auch immer künftig in Berlin koaliert, kann es maximal bis 2026 tun. Da es sich um eine Wiederholungs- und keine Neuwahl handelt, ändert sich nichts an der Legislaturperiode. Sie begann 2021 und dauert fünf Jahre. Die Parteien müssen mit denselben Bewerbern antreten wie bei der Pannenwahl. Direktkandidaten, die nicht nochmals antreten wollten oder konnten, wurden durch Nachrücker von den Parteilisten ersetzt.
Regulär besteht das Berliner Abgeordnetenhaus aus 130 Abgeordneten. Aktuell sind es durch Überhang- und Ausgleichsmandate 147. Sechs Parteien sind dort vertreten: SPD, Grüne, CDU, Linke, AfD und FDP.
Die Wahl zum Abgeordnetenhaus 2021 hatte die SPD mit 21,4 Prozent der Zweitstimmen gewonnen, ihrem historisch schlechtesten Ergebnis in Berlin. Es folgten die Grünen mit ihrem bis dato besten Berliner Ergebnis von 18,9 Prozent.
Die CDU folgte mit 18,0 Prozent und konnte damit ihr historisch schlechtestes Berlin-Resultat von 2016 (17,6 Prozent) nur knapp überbieten. Die Linke erreichte 14,1 Prozent, die AfD 8,0 Prozent und die FDP 7,1 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei 75,4 Prozent.
Risse in der Koalition
Hauptthemen im Wahlkampf, in dem auch Risse zwischen den bisherigen Koalitionspartnern SPD und Grüne deutlich wurden, waren Wohnungsbau und Mieten, die Modernisierung der Verwaltung sowie die Klima- und Verkehrspolitik.
Nach den Silvesterkrawallen mit Angriffen auf Polizisten und Rettungskräfte wurde heftig über Jugendgewalt, Täter mit Migrationshintergrund und Integrationsprobleme diskutiert. Zudem stritten die Parteien über die Umsetzung des Volksentscheids für eine Enteignung großer Wohnungskonzerne 2021. Das Thema könnte bei Koalitionsverhandlungen nach der Wahl eine große Rolle spielen. (dl)
(Mit Material von Agenturen)
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