Kevin Kühnert verlässt Twitter nach Panzerdebatte – Stimmung kippt

Im Zusammenhang mit der Forderung nach Lieferung deutscher Panzer an die Ukraine hat SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert nach Kritik durch den scheidenden Botschafter Melnyk seinen Twitter-Account gelöscht. Unterdessen kippt die Stimmung beim Thema „Russland-Sanktionen“.
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert ist nicht mehr mit eigenem Account auf Twitter.
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert ist nicht mehr mit eigenem Account auf Twitter.Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
Von 13. September 2022

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Im Zusammenhang mit der Debatte um eine mögliche Lieferung deutscher Kampfpanzer an die Ukraine hat SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert seinen Account beim Kurznachrichtendienst Twitter gelöscht. Dies berichtet der „Focus“. Zuvor hatte der scheidende ukrainische Botschafter Andrij Melnyk Kühnert wegen seiner zurückhaltenden Position in dieser Frage scharf kritisiert.

FDP und Grüne als Scharfmacher

Dass es der ukrainischen Armee in den vergangenen Tagen gelungen ist, einige zuvor von russischen Truppen kontrollierte Territorien im Osten des Landes zurückzuerobern, hat auch in den Reihen der Ampel-Koalitionsparteien FDP und Grüne Forderungen laut werden lassen, noch mehr schwere Waffen nach Kiew zu schicken – in der Hoffnung, dass der Vormarsch der Ukraine noch weitere Gebiete erreicht.

„Alle in der Regierung wissen indes, dass noch mehr möglich wäre“, erklärte Grünen-Chef Omid Nouripour der „Augsburger Allgemeinen“. „Da sollte nicht nur im Ringtausch, sondern wo möglich auch direkt aus den Beständen von Bundeswehr und Industrie geliefert werden.“

Beim Ringtausch rüstet Deutschland osteuropäische NATO-Partner mit Leopard-Kampfpanzern und Schützenpanzern Marder aus, die dafür ältere Panzer sowjetischer Bauart an die Ukraine abgeben. Nun fordern grüne und liberale Politiker stattdessen eine direkte Lieferung des Schützenpanzers Marder und auch des Kampfpanzers Leopard 2. FDP-Chef Christian Lindner erklärte auf Twitter, man müsse „jeden Tag prüfen, ob wir noch mehr tun können, um ihnen in diesem Krieg beizustehen“, und fügte hinzu: „Die Ukraine muss diesen Krieg gewinnen.“

Lambrecht: Kein Alleingang bei Panzern

Die SPD mahnt hingegen zur Vorsicht. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht hat bei einem Treffen der sogenannten Ukraine-Kontaktgruppe in der vergangenen Woche in Ramstein ihren US-Kollegen Lloyd Austin auf die Thematik angesprochen und dabei keinen Kurswechsel festgestellt.

In einer Diskussionsrunde der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) erklärte sie am Montag, 12. September, in Berlin: „Ich habe da zumindest diese Wahrnehmung nicht gehabt, dass es da ein Umdenken in den USA gibt dazu.“ Noch kein Land habe Schützen- oder Kampfpanzer westlicher Bauart geliefert und es werde keine deutschen Alleingänge geben.

Kühnert hatte am Montagmorgen bei den Sendern RTL und ntv ebenfalls darauf hingewiesen, dass bislang kein Staat westliche Panzer geliefert habe. Bei „allem heißen Herzen“ müsse bedacht werden, dass „wir Russland nicht noch dazu animieren wollen, völlig irrational am Ende zu handeln und noch ganz andere Staaten anzugreifen“, und dass man nicht schleichend selbst in den Krieg hineingezogen werden wolle.

Russland: Deutschland hat in Ukraine-Politik bereits „rote Linie überschritten“

In einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes im Bundestag hatte es bereits im Mai geheißen, direkte Waffenlieferungen an das Nicht-EU- und Nicht-NATO-Land Ukraine könne Deutschland selbst zur Kriegspartei machen.

Der russische Botschafter in Berlin, Sergei Netschajew, machte in der Tageszeitung „Iswestija“ deutlich, dass Deutschland bereits eine „rote Linie“ überschritten habe – in Form der „Lieferung tödlicher Waffen an das ukrainische Regime, die nicht nur gegen russische Soldaten, sondern auch gegen die Zivilbevölkerung im Donbass eingesetzt werden.“

Netschajew erinnerte an die moralische und historische Verantwortung Deutschlands für die Verbrechen des Nazismus im Zweiten Weltkrieg und sprach Berlin eine Vermittlerrolle im Konflikt ab.

Kühnert: Twitter schafft „verzerrte Wahrnehmung von Wirklichkeit“

Der am 14. Oktober aus seinem Amt scheidende ukrainische Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, kritisierte demgegenüber auf Twitter die „katastrophale Verweigerungspolitik der SPD und der Ampel“, die Ukraine „ausgerechnet in diesem kritischen Moment militärisch im Stich zu lassen“. Dies werde „verheerende Folgen für die Zukunft haben“. Melnyk schloss seinen Tweet mit: „Meine Güte, Kevin Kühnert.“

Kühnert erklärte daraufhin seinen Rückzug aus dem Kurznachrichtendienst, dessen Diskussionskultur zu „Fehlschlüssen und Irrtümern in politischen Entscheidungen“ führe. „Das scheint für meine politische Arbeit gerade nicht das richtige Medium zum Senden und Empfangen zu sein“, sagte der SPD-Generalsekretär im Videointerview mit dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (RND). Zudem habe er bei sich selbst festgestellt, dass er eine „verzerrte Wahrnehmung von Wirklichkeit“ habe, wenn er zu viel Zeit auf Twitter verbringe.

Schützenhilfe bekommt Melnyk von Christian Rickens im Morning Briefing des „Handelsblatts“, in dem dieser die Frage aufwirft, warum „die Ukraine keine Panzer bekommen“ dürfe, wo man doch wolle, dass „die Ukraine ihr Territorium zurückerobert – so wie es in diesen Tagen ja durchaus eindrucksvoll geschieht“. Zudem sei „manches an die Ukraine gelieferte Kriegsgerät, von der deutschen Panzerhaubitze 2000 bis zum Himars-Raketenwerfer der USA, an Vernichtungskraft einem womöglich jahrzehntealten Leopard-Panzer durchaus ebenbürtig“.

Mehrheit der Deutschen will keine weiteren Belastungen durch Russland-Sanktionen

Unterdessen scheint auch in Deutschland ein Stimmungsumschwung bezüglich der Bereitschaft, die Ukraine im Krieg gegen Russland um jeden Preis zu unterstützen, eingekehrt zu sein. Der „Stern“ zitiert eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa für „stern TV“, wonach deutschlandweit 55 Prozent der Befragten nicht mehr bereit sind, weitere Mehrbelastungen infolge der EU-Sanktionen gegen Russland hinzunehmen, 41 Prozent dagegen schon. Im August war das Verhältnis mit 47 zu 46 noch ausgewogen.

Selbst in Westdeutschland ist die Bereitschaft, eigene Opfer für die Solidarität mit der Ukraine und die westliche Konfrontationspolitik gegenüber dem Kreml zu bringen, bei einer absoluten Mehrheit von 51 Prozent der Befragten am Ende. Nur 45 Prozent sind zu weiteren Einbußen bereit. In Ostdeutschland ist das Verhältnis mit 77 zu 19 Prozent noch eindeutiger.

„Dass die Stimmung so schnell kippt, schon vor dem Winter, überrascht mich, aber das zeigt eben auch, wie tief die Sorgen sind“, erklärte „Capital“-Chefredakteur Horst von Buttlar dazu auf RTL. „Wir sollten diese Ängste ernst nehmen und nicht in Panik verfallen, denn genau da möchte Putin uns haben.“

(Mit Material der dpa)



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