Kein russisches Öl mehr: Deutsche Raffinerien brauchen Nachschub

Wie gut funktionieren deutsche Raffinerien ohne russisches Öl? TotalEnergies in Leuna und PCK in Schwedt sprechen von deutlich geringeren Auslastungen seit dem radikalen Embargo – was mindestens zu Preiserhöhungen führen dürfte.
Kein russisches Öl mehr: Deutsche Raffinerien in der Mangellage?
Seit Jahresbeginn fließt kein russisches Öl mehr nach Leuna.Foto: Sean Gallup/Getty Images
Von 6. Januar 2023

Die EU-Staaten setzen stufenweise die nächsten Schritte beim Embargo von russischem Öl um. Seit dem 5. Dezember 2022 gilt das von der EU wegen des Ukraine-Kriegs beschlossene Verbot für Importe von russischem Rohöl über den Seeweg. Ab 5. Februar 2023 sollen die EU-Länder dann auch auf Produkte aus russischem Rohöl wie Diesel verzichten. Vorerst sollen aber Ölimporte über Landleitungen weiterhin möglich bleiben. Darauf bestanden etwa Ungarn und Tschechien.

Deutschland geht hier allerdings einen radikaleren Weg: Die Bundesregierung beschloss, dass zu Jahresbeginn gar kein russisches Öl mehr ins Inland importiert werden darf. Auf weitere mögliche Lieferungen über die Druschba-Pipeline will sie konsequent verzichten – zum Leidwesen der deutschen Raffinerien in Leuna und in Schwedt. Beide waren bis zuletzt auf russisches Öl angewiesen. Jetzt muss schnell Ersatz her.

Leuna: Lieferverträge gekündigt – nach Abstimmung mit Bund

Kurz vor Beginn des Embargos bestätigte TotalEnergies im sachsen-anhaltischen Leuna auf Nachfrage vom MDR, dass sie „in enger Abstimmung mit der deutschen Regierung“ die Lieferverträge von russischem Öl an die Raffinerie gekündigt hätten.

Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Sven Schulze (CDU) sagte noch kurz vor Jahresende, dass die Situation bislang „nicht dramatisch“ sei, aber verbessert werden müsse. Die Raffinerie könne nur funktionieren, wenn sie wirtschaftlich laufe. Er plädiere dafür, dass der Bund die Bedeutung des Standorts anerkenne und mehr Unterstützung anbiete – so lange, bis die Öllieferungen wieder gesichert seien. Dies bedeutet im Klartext, dass Leuna bis auf Weiteres keine gesicherten Öllieferungen hat.

Laut Schulze müsse zudem in Zukunft sichergestellt werden, dass Leuna über den Weltmarkt zusätzliches Öl erhält. Er gehe nicht davon aus, dass es zu einem Benzinengpass in Mitteldeutschland komme. Möglich sei aber ein Anstieg der Preise. Das müsse die Bundesregierung regulieren.

Ebenfalls Ende Dezember bewertete eine Firmensprecherin von Leuna laut dem Presseportal die Umstellung mit Sorge. „Die aktuell vertraglich zugesicherten Mengen liegen unter der durchschnittlichen Auslastung der Raffinerie der letzten Jahre.“ Für einen wirtschaftlichen Betrieb der Raffinerie bräuchte diese jedoch eine Infrastruktur, mit der sie die Kapazitäten weiterhin voll auslasten könnte.

Eingebettet in den größten zusammenhängenden Chemiepark Europas verarbeitet die Raffiniere in Leuna jährlich bis zu 12 Millionen Tonnen Rohöl zu wichtigen Endprodukten wie Benzin, Diesel, Heizöl, Flüssiggas, Flugkraftstoffe, Bitumen und viele Spezialprodukte für die chemische Industrie.

Schwedt: Auslastung halbiert

Im brandenburgischen Schwedt ist die Rede von einem historischen Moment: Fast 60 Jahre lang kam russisches Rohöl aus der Druschba-Pipeline. Die Raffinerie PCK mit 1.200 Beschäftigten bekommt nun anderes Rohöl über den Hafen Rostock. Die Folge: Eine weit geringere Auslastung von 50 Prozent.

Ein „erster Meilenstein“ sei bewältigt, sagte PCK-Chef Ralf Schairer am 2. Januar, Tag zwei ohne russisches Öl, dennoch optimistisch. Die Umstellung der Anlage funktioniere. „Die Raffinerie läuft stabil, natürlich mit weniger Durchsatz.“ Zusätzliche Rohölmengen aus anderen Ländern sind seit Langem im Gespräch, fehlten zum Jahresanfang aber noch.

Auch wenn bislang nicht alle Fragen geklärt seien, „so ist doch ein vernünftiger Status quo erreicht, mit dem sich arbeiten lässt“, sagte der brandenburgische Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD), der das Engagement der PCK-Beschäftigten würdigte. Am Montag machte er sich ein Bild von der modernen Messwarte im Werk. In dem Kontrollzentrum überwachen Fachleute an rund 80 Monitoren die Prozesse und können sehen, ob irgendwo Probleme auftauchen.

Bund: 70 Prozent Auslastung ist das Ziel

Die Raffinerie wird seit dem 1. Januar allein über die rund 200 Kilometer lange Pipeline von Rostock nach Schwedt versorgt, die bislang nie unter Volllast lief. Die Vorbereitungen für den Maximalbetrieb dieser Pipeline seien alle getroffen, sagte Schairer. Er sei auch zuversichtlich, dass noch zusätzliches Öl über andere Wege komme. Wirtschaftsminister Steinbach sagte: „Zusätzliche Lieferungen, die aus Polen und gegebenenfalls aus Kasachstan angekündigt wurden, die müssen jetzt so schnell wie möglich hinterherkommen.“

Zusätzlich zu den Mengen an Tankeröl über den Hafen Rostock soll Rohöl über den Hafen Danzig kommen. Zusammen soll das laut Bundeswirtschaftsministerium reichen, um die Kapazität des PCK zu 70 Prozent auszulasten. Von Schwedt aus werden große Teile Ostdeutschlands mit Treibstoffen versorgt.

Steinbach sei guter Hoffnung, dass noch in der zweiten Januarhälfte Öllieferungen via Danzig ankommen. Zudem sei ein Test des Transportwegs aus Kasachstan geplant.

Ersatzlieferung aus Kasachstan

Das zentralasiatische Land ist laut dem „Manager Magazin“ bereit, Erdöl nach Deutschland zu liefern. Der Transport nach Europa könne aber nur über die russische Pipeline-Infrastruktur erfolgen oder auf dem Seeweg über das Kaspische Meer. Dort müsste der Rohstoff nach Aserbaidschan gelangen, wo er über Pipelines in die Türkei oder an die Schwarzmeerküste von Georgien weiterfließen kann.

Laut Magsum Mirsagalijew, Chef der staatlichen Öl- und Gasgesellschaft KazMunayGas, sei sein Unternehmen bereit, ab Januar Probelieferungen über die Druschba-Leitung nach Deutschland zur PCK-Raffinerie zu schicken. Die kasachische Pipeline-Gesellschaft KazTransOil habe bereits einen Antrag auf die Durchleitung von 1,2 Millionen Tonnen Öl nach Deutschland gestellt. Russland ist nach Angaben der russischen Führung bereit, die Nutzung der Druschba für die Durchleitung kasachischen Öls nach Deutschland zu erlauben.

(Mit Material von dpa)



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