Kampf gegen „russische Gefahr“ kann warten – Lindner bremst bei Zwei-Prozent-Ziel

Das Bundeskabinett hat erstmals eine Nationale Sicherheitsstrategie vorgelegt. Minister Lindner bremst jedoch Erwartungen in Sachen Zwei-Prozent-Ziel der NATO.
Der Bundesminister der Finanzen: Christian Lindner.
Bundesfinanzminister Christian Lindner will das Zwei-Prozent-Ziel der NATO nicht zum Preis höherer Steuern erreichen.Foto: Michael Matthey/dpa
Von 15. Juni 2023

Am Mittwoch, 14. Juni, hat die Bundesregierung erstmals eine Nationale Sicherheitsstrategie vorgelegt. Bundeskanzler Olaf Scholz und vier Kabinettsmitglieder stellten sie in einer Pressekonferenz vor. Doch während die übrigen Teilnehmer die „russische Gefahr“ beschworen und ihre Entschlossenheit betonten, blieb Bundesfinanzminister Christian Lindner zurückhaltend. Vor allem mit Blick auf das Zwei-Prozent-Ziel der NATO war er bemüht, allzu hohe Erwartungen einzubremsen.

Zwei-Prozent-Ziel wird nicht schon „ab jetzt“ erfüllt

Wie „table.Media“ berichtet, machte Lindner deutlich, man werde das Zwei-Prozent-Ziel „im mehrjährigen Durchschnitt“ einhalten. Kurzfristig wäre es nur zum Preis von Steuererhöhungen oder Eingriffen in gesetzliche Leistungen möglich. Dies schloss der Minister jedoch aus. Lindner betonte zudem, dass die Bundeswehr bis auf Weiteres auch mit dem im Vorjahr beschlossenen 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen auskommen müsse.

Bei „n-tv“ sieht man in der Äußerung eine Abkehr von der „Zeitenwende“-Rede des Bundeskanzlers vom Vorjahr. Darin hatte dieser vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine angekündigt, das Zwei-Prozent-Ziel „ab jetzt“ zu erfüllen.

Der Kanzler selbst widersprach seinem Minister auf der Pressekonferenz nicht. Er wurde stattdessen nicht müde, den Fortschritt zu preisen, der darin liege, dass es überhaupt jetzt eine Nationale Sicherheitsstrategie gebe:

Was sich früher als Weißbuch allein auf die Verteidigungspolitik beschränkte, folgt nun einem viel umfassenderen, systematischen Gesamtansatz.“

Nationale Sicherheitsstrategie bereits im Koalitionsvertrag verankert

Ursprünglich sei es bereits im Koalitionsvertrag verankert gewesen, ein solches Projekt in Angriff zu nehmen, heißt es in einem Eigenbericht der Bundesregierung. Der Auftrag zur Erarbeitung sei noch vor dem „russischen Angriffskrieg“ in der Ukraine und der „Zeitenwende“ an das Auswärtige Amt gegangen, so der Kanzler. Bei allen Veränderungen bleibe es „die zentrale Aufgabe des Staates, ohne Abstriche für die Sicherheit seiner Bürgerinnen und Bürger zu sorgen“.

Auch Außenministerin Baerbock äußerte, der Krieg in der Ukraine habe gezeigt, „dass Frieden und Freiheit nicht vom Himmel fallen“. Die Herausforderungen für die Sicherheit Deutschlands seien jedoch vielschichtiger. Sie zögen sich durch alle Lebensbereiche von Medikamenten über den Cyber-Raum bis hin zur Sauberkeit von Wasser.

Finanzminister Lindner verwies auch auf Ereignisse wie die Corona-Pandemie und den Energiepreisschock des vergangenen Jahres als sicherheitsrelevant. Ohne die fiskalische Stärke, um diesen gegenzusteuern, wäre es zu einer „erheblichen Gefährdung des sozialen Friedens“ gekommen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser wiederum stellte den Schutz sensibler Infrastruktur vor einer großen Bandbreite an Bedrohungen in den Mittelpunkt ihrer Ausführungen.

Grüne verhinderten Nationalen Sicherheitsrat – aus Angst vor Entmachtung Baerbocks

Die Leitmotive der Nationalen Sicherheitsstrategie seien „Wehrhaftigkeit, Resilienz und Nachhaltigkeit“. Der erste Punkt umfasse unter anderem die Stärkung der Bundeswehr sowie der Landes- und Bündnisverteidigung. Aber auch der Zivilschutz und die Beteiligung an internationalem Krisenmanagement fielen in diesen Bereich.

Bei der Resilienz gehe es darum, dass „Gesellschaft und Volkswirtschaft widerstandsfähig, anpassungsfähig und im Inneren gefestigt sind“. Dazu sei es erforderlich, „illegitime Einflussnahme“ von außen abzuwehren. Ein weiterer Aspekt sei diesbezüglich die Sicherung der Versorgung mit Rohstoffen und Energie durch Diversifizierung.

Die Folgen der „Klimakrise“ und ihre möglichen Auswirkungen auf die natürlichen Lebensgrundlagen seien ebenfalls ein Faktor der nationalen Sicherheit. Dies mache weitere Anstrengungen in der Klimapolitik ebenso wie zur Stärkung der globalen Ernährungssicherheit und Pandemieprävention erforderlich.

Die von SPD und FDP ins Spiel gebrachte Forderung nach einem Nationalen Sicherheitsrat scheiterte jedoch am Widerstand der Grünen. Ministerin Baerbock befürchtete eine Entmachtung durch ein solches regelmäßig tagendes Gremium, das im Kanzleramt angesiedelt gewesen wäre.

Zurückhaltung in Sachen China – noch keine Strategie formuliert

Während das Feindbild Russland einen breiten Raum bei der Vorstellung der Nationalen Sicherheitsstrategie einnahm, blieb man mit Blick auf China eher wortkarg. Minister Lindner erklärte, das von der KP totalitär regierte Land sei „Handelspartner, aber Werterivale“.

Konkrete Aussagen, inwieweit dies Konsequenzen für die Wirtschaftsbeziehungen oder „Klimaschutz“-Anstrengungen haben solle, gab es jedoch nicht. Während die Grünen zur Verteidigung der „Werte“ grundsätzlich zur Konfrontation mit dem gesamten Rest der Welt bereit wären, ist auch die SPD in Sachen China zurückhaltender.

Erst jüngst hatte Bundeskanzler Scholz grünes Licht für einen Einstieg des Cosco-Konzerns in den Hamburger Containerhafen gegeben. Zudem wird Ministerpräsident Li Qiang am kommenden Dienstag in Berlin erwartet. Zuvor will die Bundesregierung offenbar strategische Aussagen vermeiden.

Linkspartei: Zwei-Prozent-Ziel ist kein Sicherheitsfaktor, sondern „Brandbeschleuniger“

Kritik an der Nationalen Sicherheitsstrategie übte unter anderem die Linkspartei. Fraktionschef Dietmar Bartsch äußerte, die Aufrüstung der Bundeswehr bleibe „der kleinste gemeinsame Nenner“ der Ampel.

Dass diese das Zwei-Prozent-Ziel festgeschrieben habe, sei „kein Faktor für Sicherheit, sondern ein Brandbeschleuniger in einer zunehmend fragilen Welt“. Sicherheit im 21. Jahrhundert sei „mehr als Aufrüstung“, betonte Bartsch. Es gehe vielmehr um Themen wie „Cyber, Flucht, Klimaschutz“.

Auch die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) hat sich enttäuscht von dem Regierungskonzept für eine Nationale Sicherheitsstrategie gezeigt. Der DPolG-Bundesvorsitzende Rainer Wendt sprach am Mittwoch in Berlin von einem „Sammelsurium an Wünschen und Zielen, von denen niemand weiß, wann sie von wem umgesetzt werden sollen“. Es sei ein schwerer Fehler gewesen, die Länder nicht daran zu beteiligen, so Wendt.

(Mit Material von AFP und dpa)



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