Inflationsausgleichsgesetz: Menschen mit geringem Einkommen übersehen
Angesichts der Inflation sehen Pläne von Finanzminister Lindner mit einem „Inflationsausgleichsgesetz“ Entlastungen in Milliardenhöhe für die Bürger vor. Unter anderem soll der Grundbetrag, ab welchem Bürger ihr Einkommen versteuern müssen, von derzeit 10.345 Euro auf 10.633 Euro im nächsten Jahr und auf 10.933 Euro im übernächsten steigen. Außerdem sollen das Kindergeld angehoben und die kalte Progression abgebaut werden.
Der Begriff kalte Progression bezeichnet den Effekt, dass jemand durch eine Lohnerhöhung, die lediglich die Inflation ausgleicht, in einen höheren Steuertarif rutscht. Bezogen auf die Kaufkraft bedeutet dies letztlich, dass Bürger weniger Geld in der Tasche haben. Lindner will dies ausgleichen. Aus SPD und Grünen gibt es dagegen Stimmen, die stattdessen zielgerichtete Entlastungen für Menschen mit wenig Geld fordern. Begründet wird dies damit, dass ansonsten Gutverdiener von Steuersenkungen am stärksten profitieren würden.
Doch es gibt Kritik aus vielen Richtungen, das Geld werde nicht gerecht verteilt.
Laumann: Bund übersieht Menschen mit geringem Einkommen
Nordrhein-Westfalens Arbeits- und Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) hat der Bundesregierung vorgeworfen, bei ihren Steuerentlastungsplänen Menschen mit geringen Einkommen zu übersehen. Auch aus anderen Richtungen werden Forderungen nach Entlastung bedürftiger Bürger laut. „Die, die wenig verdienen und dementsprechend auch in geringem Umfang Steuern zahlen, sind aus fast allen Entlastungen, die die Bundesregierung auf den Weg gebracht hat und nach den bisher bekannten Aussagen noch bringen möchte, rausgefallen“, sagte Laumann der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“.
Allein in NRW arbeiteten 1,6 Millionen Menschen am oder unter dem Mindestlohn. Weil diese Geringverdiener keine oder nur wenig Steuern bezahlten, hätten sie zum Beispiel von der Erhöhung der Kilometerpauschale praktisch nichts. Laumann führte ein Rechenbeispiel an: Ein Arbeitnehmer, der den niedrigsten Steuersatz von 14 Prozent bezahle und theoretisch 2.000 Euro Kilometerpauschale absetzen könne, bekomme 280 Euro über die Steuer zurück. Wer den Spitzensteuersatz von 42 Prozent zahle und 2.000 Euro Kilometerpauschale absetzen könne, bekomme 840 Euro.
Niedriglohnempfänger benötigten „eine an ihre Lebensumstände angepasste, bessere Entfernungspauschale“, forderte Laumann. Diese Menschen müssten auch deutlich von den steigenden Preisen entlastet werden.
Auch der Linken-Vorsitzende Martin Schirdewan sagte der Nachrichtenagentur AP, Lindners Vorhaben sei „Ausdruck einer zutiefst unseriösen Finanzpolitik“. Schirdewan kritisierte, dass Lindners steuerliche Vorschläge ausgerechnet hohe Einkommen real stärker entlasten würden, während das Gegenteil notwendig sei. Von den zehn Milliarden Euro würden 90 Prozent auf die „oberen 30 Prozent“ bei den Einkommen entfallen, sagte Schirdewan.
Ministerpräsident Weil erwartet Hilfe für Bedürftige vom Bund
Angesichts der drastisch gestiegenen Energiepreise fordert der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil vom Bund Unterstützung für bedürftige Bürger. „Meine klare Erwartung ist, dass die Bundesregierung diesen Menschen hilft, gut durch Herbst und Winter zu kommen“, sagte der SPD-Politiker der „Welt am Sonntag“. Ein Zaudern des Staates wäre sozialer Sprengstoff.
Er gehe davon aus, dass Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) trotz der Schuldenbremse in der Verfassung mehr Kredite in Kauf nehmen werde. „Wenn wir jetzt nicht eine Notlage im Sinne des Grundgesetzes haben, wann dann?“, sagte Weil der Zeitung. Bei einer Reform des Wohngeldgesetzes müsse der Kreis der Wohngeldberechtigten deutlich vergrößert werden.
Bartsch schlägt „Wintergeld“ vor
Zur Abfederung der hohen Kosten schlägt Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch für die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen ein staatliches „Wintergeld“ vor. „Für kleine und mittlere Einkommen brauchen wir ein einmaliges Wintergeld gegen Inflation und explodierende Heizkosten: 1.500 Euro pro Haushalt plus 600 Euro für jedes weitere Haushaltsmitglied“, sagte Bartsch der „Rheinischen Post“. „Zur Finanzierung schlagen wir die Einführung einer Übergewinnsteuer und den Einstieg in eine große Steuerreform vor.“
Die Profiteure der Krise und der „deutsche Geldadel“ müssten ihren Beitrag für den Zusammenhalt des Landes leisten, forderte Bartsch. „Für die Milliardäre unseres Landes sollte es einen Wintersoli – eine einmalige Vermögensabgabe – geben, mit dem die Entlastungen und die Deckelung der Energiepreise finanziert werden könnten.“
Studentenwerk: Lage der Studierenden ist dramatisch
Das Deutsche Studentenwerk mahnt derweil dringend Unterstützung für Studenten an. „Die Lage ist dramatisch“, sagte der Generalsekretär des Studentenwerks, Matthias Anbuhl, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
„Die Steigerung der Preise für Strom und Heizen trifft die Studierenden hart – ebenso wie die Lebensmittelpreise.“ Nötig seien für diesen Winter weitere Hilfen – nicht nur für BAföG-Empfänger. „Und wir brauchen einen Fonds, der einspringt, wenn Studierende ihre Miete nicht mehr zahlen können.“ Anbuhl forderte von der Bundesregierung zugleich eine BAföG-Erhöhung.
Von den von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) vorgelegten Steuerplänen sollen 48 Millionen Bürger ab 2023 profitieren. Es geht um mehr als zehn Milliarden Euro Entlastung. Prozentual werden Geringverdiener demnach deutlich stärker entlastet als Gutverdiener. In absoluten Zahlen sieht das aber anders aus. Auch Politiker der Koalitionspartner Grüne und SPD im Bund sehen eine soziale Schieflage. (dpa/red/sk)
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion