Infektionsschutzgesetz: Fachleute fühlen sich von Lauterbach und Buschmann übergangen

Neues Infektionsschutzgesetz: Beratergremien bemängeln fehlende Kommunikation, Stiko kritisiert Impfempfehlungen des Gesundheitsministers.
Infektionsschutzgesetz: Fachleute fühlen sich von Lauterbach und Buschmann übergangen
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (l) sieht keinen Grund zur Sorglosigkeit.Foto: JOHN MACDOUGALL/AFP via Getty Images
Von 11. August 2022

Viel Kritik ernten Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) für ihren Entwurf zum neuen Infektionsschutzgesetz.

Wie die Welt auf ihrer Internetseite schreibt, lehnten die Beratergremien der beiden Politiker den Entwurf ab, weil Konzept und dessen Kommunikation im Widerspruch zu ihren Empfehlungen stünden. Die Strategie für die Herbst- und Wintermonate trage „alle Züge einer einsamen, beratungsresistenten Entscheidung“.

Groß ist die Entrüstung vor allem deshalb, weil die Minister ihre Ausarbeitung ausdrücklich bis zum Erscheinen des Gutachtens zu den Corona-Maßnahmen des nun übergangenen Sachverständigenrats zurückgehalten hatten.

Dabei hatten sie stets betont, die Berichte der Fachgremien bei ihren Beratungen hinzuzuziehen. Im Entwurf der beiden Politiker finden sich nun aber viele Widersprüche zu den Empfehlungen der Experten.

Kein Verständnis für Maskenpflicht bei Kindern

Der Virologe Hendrik Streeck, Mitglied im Corona-Expertenrat der Bundesregierung, bemängelt das Fehlen klarer Indikatoren für Maßnahmen. Er befürchtet einen „Überbietungswettbewerb“ der Länder beim Coronaschutz.

Der Epidemiologe Klaus Stöhr, der wie Streeck an der Evaluierung der Corona-Maßnahmen mitgearbeitet hatte, kritisiert die Maskenpflicht für Kinder. Sie sei mit der Datenlage über deren Krankheitslast und ihrer Rolle als Infektionsquelle nicht vereinbar.

Geht es nach Lauterbach und Buschmann, soll die Maskenpflicht in Innenräumen eine zentrale Maßnahme sein. Diese ist aber nach Ansicht der Sachverständigen nur dann sinnvoll, wenn die Bedeckungen richtig getragen werden. „Eine generelle Empfehlung zum Tragen von FFP2-Masken ist aus den bisherigen Daten nicht ableitbar.“ Im Freien sei der Sinn von Masken „zweifelhaft und/oder nicht nachvollziehbar“.

Die beiden Minister wollen trotz dieser Einschätzung den Ländern die Möglichkeit geben, eine Maskenpflicht an der frischen Luft dann zu verordnen, wenn Mindestabstände nicht eingehalten werden können.

„Unter diesen strengen Voraussetzungen kann eine Maskenpflicht im Freien angesichts der leichteren Übertragbarkeit der Omikron-Variante sinnvoll sein“, heißt es aus den Ministerien.

Rechtsverordnung laut Juristen verfassungswidrig

Lauterbach und Buschmann ignorieren auch die Empfehlungen der Juristen im Sachverständigenausschuss. So müssten im Infektionsschutzgesetz Strukturen geschaffen werden, die verschiedene Krankheitserreger mit ihren unterschiedlichen Übertragungswegen erfassen, heißt es im Evaluierungsbericht. Staatsrechtler und Ausschussmitglied Thorsten Kingreen kritisiert daher die deutsche Gesetzgebungstechnik als „kurzatmig und latent hektisch“.

Wegen der Befristung werde man im Frühjahr erneut unter Zeitdruck geraten. Derzeit erlaubt das Infektionsschutzgesetz dem Bundesgesundheitsminister, per Rechtsverordnung vom Gesetz abzuweichen.

Das sei „verfassungswidrig“, so die Sachverständigen. Für Kingreen ist es daher unverständlich, wieso diese Verordnungsermächtigung immer noch nicht gestrichen werden soll.

Neue Impfstoffe könnten etwas effektiver sein

Mit Unverständnis am „erneuten Alleingang“ Lauterbachs bei den Impfempfehlungen reagiert die Ständige Impfkommission (Stiko).

Im Interview mit dem TV-Sender der „Welt“ sagte Stiko-Mitglied Prof. Rüdiger von Kries: „Es gibt zurzeit keine Notwendigkeit, blitzschnell zu handeln. Es gibt keinen Grund, warum Lauterbach sich zu impfrelevanten Fragen äußert, bevor die Stiko sich mit diesen befasst hat.“

Bedeckt hielt er sich bei der Beurteilung neuer Impfstoffe gegen die für Herbst erwarteten Corona-Varianten. „Sie scheinen etwas effektiver zu sein, wobei kein Mensch weiß, wie effektiv sie gegen die Omikron-Variante sein werden, die wir dann im Herbst haben werden. Oder welche Variante auch immer.“

Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 57, vom 13. August 2022.



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