Industrie: „Verschwindend geringe“ Bundeswehr-Aufträge für neue Ausrüstung
Regelmäßig bietet die Bundesregierung der Ukraine militärische Ausrüstung zur Verteidigung und – seit Kurzem – auch zum Angriff an. Allerdings war bisher nicht zu beobachten, dass der Bund diese Lücken im deutschen Ausrüstungsbestand zügig wieder schließt.
Die Rüstungsindustrie hat fast ein Jahr nach Beginn des Ukraine-Kriegs kaum Aufträge für die Bundeswehr aus dem 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen erhalten.
„Bis heute ist der Bestelleingang bei der deutschen Industrie aus dem Sondervermögen verschwindend gering“, sagte Susanne Wiegand, Sicherheitsexpertin des Bundesverbands der Deutschen Industrie und Chefin des Panzergetriebe-Herstellers Renk, der „Augsburger Allgemeinen“ vom Samstag. „Irgendwann frage ich mich schon: Deutschland, was muss eigentlich noch passieren?“
Der Spezialgetriebebauer Renk mit Sitz in Augsburg stellt für unterschiedliche Panzer und Kettenfahrzeuge in vielen Armeen weltweit die Getriebe her. Auch der Leopard-2-Kampfpanzer rollt nur mit Renk-Getrieben.
Wiegand: „Bund muss Industrie hochhalten“
Die Industrie benötige Planungssicherheit, sagte Wiegand der Zeitung. „Wir sind von Zulieferungen abhängig, das heißt, wir müssen als Renk vorausschauend planen können, damit wir unsere Produkte im überschaubaren Zeitrahmen liefern können.“
Zudem sei ein Kulturwandel nötig. Ebenso soll eine Normalisierung im Verhältnis der Deutschen zu ihrer Rüstungsindustrie stattfinden, sagte Wiegand. „Wir müssen verstehen, dass Frieden und Freiheit nicht umsonst zu haben sind. Und wer das unterschreibt, muss dann auch die Konsequenz ziehen und die eigene Industrie hochhalten.“
Auch die Wehrbeauftragte Eva Högl stuft den stockenden Nachschub an militärischer Ausrüstung als äußerst bedenklich ein. „Für mich ist der Gradmesser, dass die Lücken bei der Bundeswehr nicht zu groß werden. Deswegen bin ich immer zurückhaltend, wenn es um Gerät der aktiven Truppe geht.“
Zunächst solle man bezüglich der Waffenlieferungen ins Ausland das Material in den Blick nehmen, das bei der Industrie zur Verfügung steht. So etwa die Marder, auch die Leopard-1-Panzer. Deutschland dürfe nicht die eigene Einsatzbereitschaft aus dem Blick verlieren.
Die 14 Leopard-Panzer, die aus dem Panzerbataillon 203 in Augustdorf kommen, reißen dort eine gewaltige Lücke, erklärte Högl. Denn dieses Panzerbataillon habe selbst nicht genügend Ressourcen, um auszubilden und vollständig einsatzbereit zu sein.
Auch der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsbundestagsfraktion, Florian Hahn (CSU), kritisierte die mangelnden Bestellungen des Bundes. „Scholz’ Agieren schwächt die Bundeswehr. Wir haben nun ein Panzerbataillon ganz ohne Material. Ein Sechstel der Panzertruppe ist also nicht einsatzbereit. Das hätte verhindert werden können“, sagte Hahn. „Die Bundeswehr wartet in allen Bereichen auf Nachbeschaffungen, doch es kommt einfach nichts bei der Truppe an“, sagte er der „Augsburger Allgemeinen“.
Bestellung von Sturmgewehren
Wie das Portal „Esut“ berichtet, war die letzte größere Bestellung am 23. Januar. Das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr schloss mit der im Schwarzwald ansässigen Handwaffenschmiede Heckler & Koch einen Vertrag. Dieser beinhaltet die Herstellung und die Lieferung des neuen „System Sturmgewehr“ auf Basis des HK416 A8.
Demnach würden zunächst für Testzwecke 390 Sturmgewehre an die Bundeswehr ausgeliefert. Bei erfolgreicher Erprobung beabsichtigt die Bundeswehr dann bis zu 118.718 Sturmgewehre inklusive Zubehör zu beschaffen. Ab 2026 soll sie das Gewehr erhalten. Hierfür soll der Hersteller der Waffe laut 25-Millionen-Euro-Vorlage einen Rahmenvertrag in Höhe von rund 273,3 Millionen Euro erhalten.
Es sind nur noch 93 Milliarden Euro
Unterdessen könnte die tatsächliche Summe aus dem Sondervermögen, die für die Modernisierung der Bundeswehr zur Verfügung steht, nach Angaben des Verteidigungsministeriums in diesem Jahr weiter schrumpfen. Hintergrund sind die steigenden Zinsen, die der Bund für die Kreditaufnahme auch aus dem Sondervermögen begleichen muss. Es könne derzeit aber nicht gesagt werden, welche Investitionen dafür konkret wegfallen würden. Bisher ist die „echte“ Investitionssumme den Schätzungen zufolge bereits auf 93 Milliarden Euro gesunken.
Das vollständig kreditfinanzierte Sondervermögen, das der Bundestag im Juni 2022 beschlossen hatte, muss die Zinslasten für die Kredite selbst tragen. Steigen diese, steht weniger Geld für die konkreten Anschaffungen für die Bundeswehr zur Verfügung. Hinzu kommt, dass durch die derzeit hohe Inflation die Kaufkraft der verbliebenen Summe sinkt.
Das Verteidigungsministerium hatte im Dezember aus dem Bundestag grünes Licht für die ersten milliardenschweren Bundeswehr-Projekte erhalten, darunter auch für die Beschaffung des Tarnkappenjets F-35, den Kauf eines neuen Sturmgewehrs als Nachfolgemodell für das G-36 und die Nachrüstung des Schützenpanzers Puma.
Mitte Januar hieß es aus dem Finanzministerium, es seien bisher Verträge über etwas mehr als zehn Milliarden Euro geschlossen worden, noch sei aber kein Geld geflossen. Vor zwei Wochen teilte Pistorius‘ Ministerium mit, dass die Beschaffung von acht „mobilen sanitätsdienstlichen Behandlungseinrichtungen“ für 40 Millionen Euro aus dem Sondervermögen genehmigt worden sei.
(Mit Material von AFP)
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