Heute Paula, morgen Otto – Kabinett verabschiedet Selbstbestimmungsgesetz
„Es war ein zäher Kampf“, schreibt der Staatssender „Deutsche Welle“, seines Zeichens eigentlich Auslandsrundfunkanstalt der Bundesrepublik Deutschland. Künftig soll demnach jeder Mensch in Deutschland seinen eigenen Geschlechtseintrag und Vornamen selbst festlegen und auch wieder ändern können. Denn heute hat das Bundeskabinett von Olaf Scholz das sogenannte Selbstbestimmungsgesetz verabschiedet.
Um wen geht’s?
Maßgeblich beteiligte Ministerien sind dabei das Familienministerium von Lisa Paus (Grüne) und das Justizministerium von Marco Buschmann (FDP). Nach Angaben der Ministerien richte sich das Gesetz an transgeschlechtliche (Personen, die glauben, in einem falschen Körper zu leben), intergeschlechtliche (mit natürlich vorkommenden Hormon-, Chromosomen- oder Geschlechtsorganstörungen) und nicht-binäre Menschen (Personen, die sich gar nicht oder nur teilweise als männlich oder weiblich identifizieren oder dazwischen wechseln).
Der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann, nennt den Beschluss des Entwurfs des neuen Selbstbestimmungsgesetzes einen wichtigen Tag für die „Grund und Menschenrechte“. Die Bundesregierung habe damit als erste Bundesregierung überhaupt den Willen gezeigt, „das alte und diskriminierende Transsexuellengesetz zu ersetzen“.
Die Frauenzeitschrift „Emma“ twittert: „Das Kabinett verabschiedet schon wieder einen schrägen Gesetzesentwurf, der fatale Folgen hätte. Diesmal geht es um Transsexualität, verschleiernd ‚Selbstbestimmungsgesetz‘ genannt.“ In dem verlinkten Bericht heißt es, dass das Gesetz Jugendliche und Frauen schwer gefährde. Man fragt: „Was wird das Parlament dazu sagen?“ Es gebe bereits Proteste, nicht nur von Oppositionellen, sondern auch von Abgeordneten der Koalition.
Heute Paula, morgen Otto
Alle, die das wollen, können sich künftig allein mit einer Erklärung und einer Eigenversicherung vor dem Standesamt einmal pro Jahr ihren Geschlechtseintrag eintragen oder ändern lassen.
Bei Kindern bis 14 Jahren müssen die Eltern (oder das Jugendamt) die Erklärung abgeben, ab 14 Jahren dann nur noch zustimmen. Bisher war in solchen Fällen ein psychologisches Gutachten und ein Gerichtsentscheid nötig.
Denn: „Wer ich bin, das weiß nur ich selbst“, erklärt die grüne Bundesfamilienministerin zum neuen Gesetz. Das Grundgesetz garantiere die freie Entfaltung der Persönlichkeit. Dass man diesen Umstand während der Corona-Gesetze vergessen zu haben schien und große Teile der Bevölkerung durch 2G & Co. aus Restaurants und Friseurläden ausschloss, scheint vergessen.
„Wer ich bin, das weiß nur ich selbst“, so @lisapaus zum #Selbstbestimmungsgesetz. Das Gesetz wird es nichtbinären, trans*-, und intergeschlechtlichen Menschen zukünftig erleichtern, ihren Geschlechtseintrag selbstbestimmt zu ändern & löst das veraltete Transsexuellengesetz ab. pic.twitter.com/pEW1lgCrfY
— Familien-, Senioren-, Frauen- & Jugendministerium (@BMFSFJ) August 23, 2023
Eine Ausnahme gibt es jedoch: im Kriegsfall bleibt ein Mann ein Mann, auch wenn er/sie nun Friederike heißt.
„Viele“ wollten es, nun drohen Bußgelder
Schon im Vorfeld des Gesetzes hatte der Bundesjustizminister erklärt, dass das neue Gesetz ein „langgehegter Wunsch vieler“ sei und ein „Vorhaben ganz im Geist unserer Verfassung“. Wer zukünftig aber diesem langgehegten Wunsch der zitierten Vielen zuwiderhandelt, könnte sich ein Bußgeld einhandeln, etwa wenn man frühere Vornamen von Transgender offenbart.
Sollte Ihnen beispielsweise ihre neue Nachbarin Dorothea wegen eines Vollbartes oder aus irgendeinem anderen Grund merkwürdig vorkommen und Sie Nachforschungen anstellen und herausfinden, dass Frau Nachbarin früher einen männlichen Geschlechtseintrag hatte und Hartmut hieß, müssen Sie das für sich behalten.
Der in London lebende deutsche Journalist und Wirtschaftskorrespondent Philip Plickert, Buchautor von „Merkel: Die kritische Bilanz“, nennt das Selbstbestimmungsgesetz auf X, ehemals Twitter, „beunruhigend“. Der Volkswirt, der unter anderem auch zur Wirtschaftsredaktion der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ gehört, warnt:
Es geht mit den beabsichtigten Straftatbeständen sogar in eine totalitäre Richtung. Die Wahrheit über das biologische Geschlecht eines Menschen zu sagen, wird künftig unter Strafe gestellt. Das ist Orwell-verdächtig.“
Wird Jack the Ripper zu Beatrice, die Schöne?
Die Daten werden vom Standesamt zudem an die Meldebehörden, unter anderem die Strafverfolgungsbehörden, weitergereicht. Damit will man den Sorgen des Bundeskriminalamtes begegnen, dass sich Kriminelle neue Identitäten verschaffen. Wie die DW dazu schreibt, sollen die übermittelten Daten bei Personen, nach denen gefahndet oder gegen die ermittelt wird, in den Akten hinzugefügt werden. Sei dies nicht der Fall, sollen sie wieder gelöscht werden.
Hier bleibt eine Frage offen: wenn ein Täter noch nicht direkt mit seinen Taten in Verbindung gebracht wird, beispielsweise ein Serienmörder, der laut Zeugen ein Mann ist, könnte jener sich als neue „Frau“ aus der Affäre ziehen, da in dem Fall gar nicht nach einer Frau gefahndet wird.
Mit Bart und Penis in der Frauensauna
Doch das neue Gesetz könnte auch weniger dramatische Folgen in der Gesellschaft nach sich ziehen. Ein immer wieder angesprochenes Thema sind die Umkleiden im Fitnessstudio mit Duschen oder Saunas und ähnliches. Nach Angaben der Familiensprecherin der Union, Silvia Breher, überlasse das Gesetz den Bademeistern, Fitnesstrainern usw. die Entscheidung, ob Transpersonen in die Frauenumkleideräume dürften.
Die Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, gibt an, dass es in Deutschland ja ohnehin überwiegend gemischte Saunen gebe, sodass kein Mann seinen Geschlechtseintrag ändern müsse, um „eine nackte Frau zu sehen“.
Doch manchmal wollen auch nackte Frauen ganz unter sich sein und nicht einer Person mit Penis und Vollbart gegenübersitzen, die meint, sie sei eine Frau. Was dann?
Zwar stehe im neuen Selbstbestimmungsgesetz laut DW, dass das eingetragene Geschlecht nicht automatisch Zugang zu geschützten Räumen verschaffe und das private Hausrecht bleibe, aber wie sieht das bei staatlichen Einrichtungen wie Schwimmbädern aus? Und wie verhält es sich im Zusammenhang mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, das einer Diskriminierung auch von transgeschlechtlichen Personen entgegenwirken soll?
Der Catcher mit dem sanften Blick
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Sport. Müssen sich Frauen mit biologischen Männern, die gern Frauen sein möchten, im gleichen Wettkampf messen? In den USA sorgen solche Fälle für Furore.
2021 machte ein Fall Schlagzeilen, als ein ehemals männlicher MMA-Fighter als Transgender ins Frauen-Kämpfen ging und dort seiner Kontrahentin den Augenhöhlenknochen brach. Dabei ereignete sich der Vorfall bereits 2014. Nach nur zwei Minuten Kampf musste der Ringrichter eingreifen und den Kampf nach den brutalen Attacken der Transgender-„Frau“ abbrechen. Die schwer verprügelte Frau, selbst Profikämpferin, erklärte gegenüber „Whoa TV“: „Ich habe schon gegen viele Frauen gekämpft, aber ich habe noch nie so viel Kraft in einem Kampf gespürt wie in dieser Nacht. (…) Ich kann nur sagen, ich habe mich noch nie in meinem Leben so überwältigt gefühlt und bin selbst eine ungewöhnlich starke Frau.“
Auch erfolgreiche Schwimmerinnen wie Riley Gaines verweisen immer wieder auf den Einfluss von Transfrauen auf die Sportszene und machen das Leid zahlreicher Sportlerinnen publik, die sich mit biologischen Männern messen müssen, die sich als Frauen fühlen. „Zusätzlich zu dem Zwang, unsere Preise, unsere Titel und Möglichkeiten aufzugeben, nötigte die NCAA Schwimmerinnen dazu, sich eine Umkleidekabine mit Thomas [Transgender Lia Thomas] zu teilen – einem 1,93 Meter großen, 22-jährigen Mann mit völlig intakten männlichen Genitalien. Lassen Sie mich das klar sagen: Wir wurden nicht vorgewarnt. Wir wurden nicht nach unserem Einverständnis gefragt.“ Der NCAA ist der amerikanische Universitätssportverband.
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