Gigantische Summen und ein Tabubruch: Was steckt im neuen Finanzpaket?

Union und SPD haben bei Sondierungen eine Einigung über Finanzfragen erzielt. Es geht um sehr viel Geld. Verteidigungsausgaben sollen ab 1 Prozent der Wirtschaftsleistung von der Schuldenbremse ausgenommen werden. Was bedeutet das?
Davos
Im Reichstagsgebäude und dem Marie-Elisabeth-Lüders-Haus (vorn) berät die deutsche Regierung über die nächsten Schritte.Foto: Jarama/iStock
Epoch Times5. März 2025

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Es sind gigantische Summen – und eine Überraschung: Union und SPD wollen nicht nur ein Sondervermögen für Investitionen in die Infrastruktur schaffen, sondern für Verteidigungsausgaben auch an die Schuldenbremse ran. Das hatte die Union zuletzt noch ausgeschlossen. Für einen Beschluss im Bundestag sind die Stimmen von Grünen oder FDP nötig.

Was ist der Vorschlag?

  1. Die Schuldenbremse soll für Verteidigungsausgaben gelockert werden. Verteidigungsausgaben, die über 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen, sollen davon ausgenommen werden.
  2. Ein Sondervermögen für die Infrastruktur wird geschaffen. Es umfasst 500 Milliarden Euro über eine Dauer von zehn Jahren. Die Kommunen und Bundesländer erhalten davon 100 Milliarden Euro.
  3. Die Bundesländer können sich künftig in Höhe von 0,35 Prozent des BIP jährlich neu verschulden.

Um diese finanzielle Neustrukturierung zu ermöglichen wurde Folgendes vereinbart:

  1. Es wird ein Planungs- und Beschaffungsbeschleunigungsgesetz für die Bundeswehr geschaffen.
  2. Es wird eine Prioritätenliste geschaffen, die schnell zu beschaffende Rüstungsmaterialien umfasst.
  3. Diese Festlegungen sollen noch vom alten Bundestag beschlossen werden. Im neuen Bundestag haben Union und SPD nicht mehr die dafür notwendige Zweidrittelmehrheit.
  4. Es wird eine Expertenkommission eingesetzt, die einen Vorschlag für eine Reform der Schuldenbremse entwickelt. Die neue Gesetzgebung dazu soll bis Ende 2025 verabschiedet sein.

Hier ein Blick in den Text, wie er auf der Plattform X kursiert:

Was heißt das?

Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse soll so verändert werden, dass Verteidigungsausgaben ausgenommen sind, die über 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen. Nach oben soll das nicht gedeckelt werden – es sind theoretisch unbegrenzte Kredite möglich.

Um das finanziell zu stemmen, muss die Wirtschaft angekurbelt werden – über Investitionen in die Infrastruktur, also Straßen, Schiene, Brücken und anderes. Dafür sollen Kredite in Höhe von 500 Milliarden Euro aufgenommen werden, die in ein Sondervermögen fließen.

Zum Vergleich: Das ist etwas mehr als das Volumen eines Bundeshaushalts und mehr als ein Zehntel des deutschen Bruttoinlandsprodukts. Das Geld soll schnell zur Verfügung stehen und über zehn Jahre abfließen.

Damit das an der Schuldenbremse vorbeilaufen kann, soll das Sondervermögen im Grundgesetz verankert und dort von der Schuldenregel ausgenommen werden.

Außerdem sollen auch die Bundesländer die Möglichkeit bekommen, mehr Schulden zu machen. Ihre Schuldenbremse, die bisher besonders streng ist, soll an die etwas flexiblere Bundesregelung angepasst werden.

Welche Chancen haben die Pläne im Bundestag?

Union und SPD können das nicht allein beschließen, da für Grundgesetzänderungen eine Zweidrittelmehrheit benötigt wird.

Im alten Bundestag ginge das zusammen mit Grünen oder FDP. Die FDP hat aber bisher eine Reform der Schuldenbremse kategorisch abgelehnt. Die Sondierer dürften daher auf die Grünen setzen.

Im neuen Bundestag, der sich am 24. oder 25. März konstituiert, haben Union, SPD und Grüne keine Zweidrittelmehrheit mehr. Linke und AfD können eine Grundgesetzänderung blockieren – beide lehnen Sondervermögen ab. Deshalb soll der alte Bundestag auf den letzten Metern nochmal zusammenkommen.

Wer muss die Kredite bezahlen?

Der Staat besorgt sich frisches Geld, indem er Anleihen auf dem Kapitalmarkt ausgibt. Erstmal kommt das Geld also von Anlegern, das können zum Beispiel Pensionsfonds oder Kreditinstitute sein.

Einer der größten Investoren der Welt ist etwa der norwegische Staatsfonds. Auf lange Sicht muss der Kredit dann aber getilgt werden.

Bei Sondervermögen stellt der Bund dafür einen Zeitplan auf. Beim bisherigen Sondervermögen für die Bundeswehr ist die Tilgung zum Beispiel ab 2031 geplant. Das Geld dafür muss dann aus dem Bundeshaushalt kommen, also aus Steuergeldern und anderen staatlichen Einnahmen.

Warum ist mehr Geld für die Bundeswehr nötig?

Das Sondervermögen über 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr ist fast komplett verplant. Der reguläre Verteidigungsetat besteht aus etwa 53 Milliarden Euro und erfüllt das Zwei-Prozent-Ziel der NATO nur, weil das bisherige Sondervermögen eingerechnet wird.

Allein für das Zwei-Prozent-Ziel sind nach den Worten von Verteidigungsminister Boris Pistorius ab 2028 insgesamt 85 bis 90 Milliarden Euro im Jahr nötig, für Verteidigungsausgaben in Höhe von 3 Prozent sind es also 120 Milliarden Euro.

Eine kriegstüchtige Bundeswehr, die Angreifer abschreckt und in einem Kampf bestehen kann, benötigt eine Vollausstattung über 100 Prozent hinaus („Ersatz“), eine umfangreiche Luftverteidigung und Cyberabwehr und eine verbesserte, eigenständige Beobachtung möglicher Gegner („Aufklärung“).

Die Bundeswehr braucht viel Geld.

Die Bundeswehr braucht viel Geld. Foto: picture alliance / dpa

Zudem weitreichende Präzisionswaffen („deep precision strike“), Vorräte an Munition, eine Art Drohnenarmee sowie einen funktionierenden Heimatschutz über die bislang geplante neue Division hinaus. Das Personal dafür soll sich auch aus einem neuen Wehrdienst speisen, wobei Kasernen und Unterkünfte derzeit der Engpass sind.

Das bisherige Sondervermögen hat eine eng gefasste Zweckbestimmung und beschränkt Investitionen in Infrastruktur. Noch völlig ungeklärt: Deutschland könnte sich im Falle einer Einigung am nuklearen Abschreckungspotenzial Frankreichs und Großbritanniens beteiligen.

Warum braucht der Bund so viel Geld für die Infrastruktur?

Marode Brücken und Schienen, Baustellen auf Straßen: Bei der Verkehrsinfrastruktur gibt es einen riesigen Investitionsstau. „Der Güter- und Personenverkehr wird durch die überalterte Infrastruktur mittlerweile deutlich eingeschränkt, was die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands beeinträchtigt“, heißt es im Jahresgutachten der „Wirtschaftsweisen“.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie hat errechnet, dass innerhalb von zehn Jahren zusätzliche Mittel von rund 160 Milliarden Euro notwendig sind für das Schienennetz, für Autobahnen und Bundesstraßen, die Brückenerneuerung, Bundeswasserstraßen, für Häfen und den Ausbau des ÖPNV.

Der BDI sieht außerdem einen Bedarf von zusätzlichen 100 Milliarden Euro für die Bildungsinfrastruktur, also für Kitas, Schulen und Hochschulen sowie von 56 Milliarden Euro für Gebäude und Wohnen.

CSU-Chef Markus Söder sprach von einem Wirtschafts- und Infrastrukturpaket „XXL“, das in der Größe einmalig sei in Deutschland. Es gehe auch um die Stärkung der Energieversorgung, um Bau, Kinderbetreuung, digitale Schulen und Krankenhäuser.

Was könnte ein Sondervermögen Infrastruktur bewirken?

Bisher muss bei den Gesprächen über den Bundeshaushalt jedes Jahr über Investitionen in die Infrastruktur verhandelt werden – also nach Kassenlage, abhängig von Konjunktur und Steuereinnahmen. Ein Sondervermögen schafft eine verlässliche Finanzierungsperspektive sowie Planungssicherheit für Auftraggeber, Ingenieurbüros und die Bauwirtschaft.

Sondervermögen böten die Vorteile, finanzielle Mittel zweckgebunden sowie mit klar definierten Zielvorgaben einzusetzen und Planungssicherheit für Infrastrukturprojekte zu schaffen, heißt es beim Hauptverband der Deutschen Bauindustrie.

„Ein langfristig geschnürtes Paket könnte den Bau einer ökologischen und zukunftssicheren Infrastruktur endlich vom jährlichen Haushaltszank befreien“, sagte Greenpeace-Verkehrsexpertin Lena Donat. Der Interessenverband Allianz pro Schiene sieht die Chance, den gigantischen Sanierungsstau bei der Schiene abzubauen. (dpa/red)



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