„Gemeinsame Kraftanstrengung“: Faeser kündigt neuerlichen Flüchtlingsgipfel an
Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat am Sonntagabend (5. Februar) die Einberufung eines erneuten Flüchtlingsgipfels angekündigt. In der ZDF-Sendung „Berlin direkt“ erklärte sie, dass „nach wie vor Handlungsbedarf“ bestehe. Aus diesem Grund werde sie „jetzt wieder alle Beteiligten zu einem erneuten Flüchtlingsgipfel zu mir ins Haus einladen“.
Zuletzt hatte es im Oktober des Vorjahres ein solches Spitzentreffen mit Vertretern von Ländern und Kommunen gegeben. Damals hatte unter anderem der Vizepräsident des Deutschen Städtetages, Burkhard Jung, konkrete finanzielle Zusage vonseiten des Bundes eingefordert. Er begründete dies mit der Dringlichkeit einer adäquaten Unterbringung von Geflüchteten – insbesondere aus der Ukraine.
Einladungen für Flüchtlingsgipfel von Faeser noch für diese Woche angekündigt
Faeser hatte es damals abgelehnt, verbindliche finanzielle Zusagen zu machen. Stattdessen verwies sie auf die Möglichkeit, zusätzliche Bundesimmobilien zwecks Unterbringung zur Verfügung zu stellen. Konkret sprach die Ministerin von 56 zusätzlichen Bundesimmobilien für die Unterbringung von 4.000 Geflüchteten.
Sie wies darauf hin, dass 300 bislang angebotene Immobilien des Bundes bisher erst zu 68 Prozent ausgelastet seien. Gleichzeitig räumte sie ein, dass nicht alle genannten Immobilien auf der Stelle nutzbar wären. In einigen Fällen sei erst eine Renovierung vonnöten. Faeser verkündete auch die Aufrechterhaltung der Grenzkontrollen zwischen Bayern und Österreich. Allerdings waren schon im Vorjahr deutlich häufiger Flüchtlinge über die Schweiz oder Tschechien in Deutschland eingereist.
Nun spricht sie von einer „gemeinsamen Kraftanstrengung“, die erforderlich sei, um die Kommunen zu entlasten. Aus diesem Grund wolle Faeser, die in der Vorwoche ihre Landtagsspitzenkandidatur für die SPD in Hessen angekündigt hatte, noch in dieser Woche die Einladungen verschicken.
Faeser: Bund hat schon „weit über 300“ eigene Liegenschaften überlassen
Im ZDF erklärte die Ministerin auch, man habe „schon einiges getan“, und ihr Ministerium stehe in stetigem Austausch mit kommunalen Spitzenverbänden. Der Bund habe „weit über 300“ eigene Liegenschaften zur Verfügung gestellt.
Obwohl Faeser keine konkreten finanziellen Zusagen gemacht habe, seien „für das letzte Jahr allein 3,25 Milliarden Euro für die Kommunen“ an Geldmitteln geflossen. Für das neue Jahr habe man jetzt schon 2,7 Milliarden zur Verfügung gestellt. Nun seien die Länder am Zug:
Aber wir drängen auch darauf, dass die Länder diese Gelder eins zu eins weiterzugeben, das ist nicht in jedem Bundesland der Fall.“
Auf europäischer Ebene bemühe sich die Ministerin um eine „solidarischere Verteilung“ von Flüchtlingen.
Union: Flüchtlingsgipfel soll zur Kanzlersache werden
Vielen Vertretern von Ländern und Kommunen sowie der Opposition genügen diese Ansagen nicht. Hessens Ministerpräsident Boris Rhein forderte Bundeskanzler Olaf Scholz schon vor Faesers Ankündigung auf, das Thema zur Chefsache zu machen. Immerhin sei „der Druck enorm“. Auch die Unionsfraktion im Bundestag rief den Kanzler dazu auf, sich einzuschalten.
Bei einem solchen Gipfel solle es zudem nicht nur um Geld gehen, erklärte Ministerpräsident Rhein. Auf der Agenda stehen müssten auch Gespräche über „Möglichkeiten der Bundesregierung […], die Migration zu steuern und zu begrenzen“.
Im Vorjahr stieg die Anzahl der Erstanträge auf Asyl in Deutschland auf knapp 218.000, das war die höchste Zahl seit 2016. Gegenüber 2021 war das ein Plus von etwa 47 Prozent. Dazu fanden rund eine Million Kriegsflüchtlinge Aufnahme. Sie müssen keinen Asylantrag stellen, sondern finden auf der Basis einer EU-Richtlinie vorübergehenden Schutz.
Nachholeffekt nach Corona trug zu höheren Asylzahlen bei
Migrationsforscher wie Franck Düvell von der Universität Osnabrück warnt davor, Szenarien einer Neuauflage der Massenflucht von 2015 und 2016 zu beschwören. In vielen Fällen habe sich im Vorjahr ein „Nachholeffekt“ bemerkbar gemacht. Zahlreiche Flüchtlinge, die über die Balkanroute eingereist seien, hätten bedingt durch die Corona-Pandemie in Griechenland festgesessen.
Allerdings sah auch er bereits im Vorjahr den Bund in der Pflicht, den Ländern und Kommunen entgegenzukommen. Gegenüber „t-online“ erklärte er damals:
Es wurden keine Vorbereitungen getroffen. Und jetzt sind alle ganz überrascht, dass die Zahlen steigen und manche Kommunen an ihre Grenzen stoßen.“
Wie schwierig die Lage in einzelnen Gemeinden ist, zeige sich nicht nur daran, dass Städte wie Leipzig oder Dresden Turn- oder Messehallen zur Unterbringung Asylsuchender heranziehen mussten.
Upahl: Landkreis sucht weiter nach dauerhafter Lösung
Ein besonders illustratives Beispiel für die Überforderung von Ländern und Kommunen ist die Situation in Upahl, einem Teil von Grevesmühlen (Landkreis Nordwestmecklenburg). Dort sollen bis auf Weiteres 400 Asylsuchende in einer Containersiedlung wohnen – in einem Dorf, das selbst nur 500 Einwohner hat.
Der Kreis Nordwestmecklenburg begründet dies mit einer deutlichen Steigerung der Anzahl zugewiesener Flüchtlinge seit November 2022. In einer Bürgerversammlung sagten Vertreter des Landkreises nun zu, dass es sich um keine Dauerlösung handeln solle. Man sei weiter auf der Suche nach einem Grundstück mit 5.000 Quadratmetern, um darauf Unterkünfte für mindestens 200 Menschen errichten zu können. Diese Lösung solle dann längerfristig das Problem entschärfen, berichtet das ZDF.
(Mit Material der dpa)
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