FDP-Taktik geht auf: Sektorziele vom Tisch – Ampel einigt sich auf Novelle zum Klimaschutzgesetz und Solarförderung

Die Debatte über mögliche Fahrverbote an Wochenenden ist beendet. Die Parteien der Ampel haben sich auf die im Kern bereits vereinbarte Reform des Klimaschutzgesetzes geeinigt. Im Jahr 2028 soll dessen Notwendigkeit generell auf den Prüfstand kommen.
Der Verkehrssektor hat 2023 erneut die im Klimaschutzgesetz festgelegten Jahresemissionshöchstmengen überschritten.
Der Verkehrssektor hat 2022 erneut die im Klimaschutzgesetz festgelegten Jahresemissionshöchstmengen überschritten.Foto: Peter Kneffel/dpa
Von 15. April 2024

Seit Montag, 15. April, ist die jüngst von Bundesverkehrsminister Volker Wissing angestoßene Debatte um mögliche Wochenendfahrverbote vom Tisch. Wie die Fraktionen mitteilten, haben sich SPD, Grüne und FDP darauf geeinigt, die im Vorjahr dem Grunde nach beschlossene Reform des Klimaschutzgesetzes in den Bundestag einzubringen. Damit sind die rigiden Sektorziele vom Tisch. Wissing hatte dafür eine Frist bis zum 15. Juli gesetzt. Außerdem haben sich die Fraktionen auf ein Solarpaket geeinigt.

FDP drängte auf zügige Verabschiedung von novelliertem Klimaschutzgesetz

Am Freitag berichtete „Bild“ über einen Brief, den Wissing an seine Kabinettskollegen gerichtet hatte. Darin hatte er bemängelt, dass es noch keine Novelle des Gesetzes gebe, obwohl seit Juli des Vorjahres Einigkeit über dessen Eckpunkte herrsche. Außerdem sei es bereits am 22. September in erster Lesung in den Bundestag eingebracht worden.

Kern des Reformvorhabens war das Ende der verbindlichen Sektorziele bezüglich der Reduktion von Emissionen. Stattdessen werde nur geprüft, ob die Bundesregierung die Einsparungsziele insgesamt erreicht habe. Dem Klimaschutzgesetz zufolge muss Deutschland bis 2030 seine Treibhausgasemissionen um 65 Prozent gemessen am Stand von 1990 verringern.

Dazu sieht die geltende Fassung auch Sektorziele für die Bereiche Energie, Verkehr, Gebäude, Industrie, Abfall und Landwirtschaft vor. Insgesamt hat Deutschland das Etappenziel erreicht und dem Bundesumweltamt zufolge seine Emissionen von 2022 auf 2023 um 10,1 Prozent reduziert. Allerdings seien die Sektoren Gebäude und Verkehr noch deutlich von ihren dort gesetzten Einsparungszielen entfernt.

Verkehrsleistung kurzfristig stärker drosseln als im Corona-Jahr?

Was die Gebäude anbelangt, geht die Bundesregierung davon aus, mit dem Heizungsgesetz im Vorjahr die erforderlichen Maßnahmen getroffen zu haben. Im Bereich des Verkehrs müsste es hingegen, so Minister Wissing unter Berufung auf das Umweltbundesamt, zu einer kurzfristigen zusätzlichen Einsparung von 22 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalenten kommen, um 2024 die Sektorziele zu erreichen.

Dies entspreche einer Einschränkung der Summe der Verkehrsleistung von mehr als 15 Prozent bei Pkw und zehn Prozent bei Lkw. Selbst im Corona-Jahr 2020 war diese gegenüber dem Jahr zuvor insgesamt nur 9,5 Prozent gesunken.

Wissing erklärte, eine solche Verringerung sei lediglich über Maßnahmen wie unbefristete Wochenendfahrverbote zu erreichen. Nach geltender Gesetzeslage müsste die Bundesregierung jedoch „Sofortmaßnahmen“ beschließen, würde ein Sektor die Ziele in zwei aufeinanderfolgenden Jahren verfehlen.

Eine kurzfristige Verlagerung des Transports von der Schiene auf die Straße wäre nicht möglich. Auf diese Weise würden nicht nur die individuelle Freiheit, sondern auch Lieferketten und Tourismus leiden.

Expertenrat widerspricht Einschätzung von Wissing

Auch Bundesfinanzminister Christian Lindner hatte am Samstag auf dem Landesparteitag der FDP in NRW vor Mobilitätseinschränkungen dieser Art gewarnt. Das 2019 von der CDU unter dem Eindruck von Fridays-for-Future-Demonstrationen auf den Weg gebrachte Klimaschutzgesetz sei „zutiefst planwirtschaftlich“.

Es stoße an die Freiheit der Menschen und könne zu Klagen gegen die Bundesregierung führen, weil „unerreichbare Ziele im Bereich des Verkehrs verfehlt werden“. Erst in der Vorwoche hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg geurteilt, dass das Verfehlen selbst gesetzter Einsparungsziele durch die Schweiz eine „Verletzung der Menschenrechte“ darstelle.

Grüne und Umweltverbände wiesen die Kritik zurück. Sie warfen Wissing vor, bewusst Verunsicherung zu schüren. Wie „table.media“ berichtete, gehe der Expertenrat der Bundesregierung davon aus, dass ein Sofortprogramm ein Sektorziel nicht sofort, sondern kumuliert bis 2030 erreichen müsse.

Zudem könnten bereits jetzt neben Sofortmaßnahmen im betroffenen Sektor auch solche in anderen und sektorübergreifend ergriffen werden, um auf Kurs zu bleiben. Allerdings würde, so die Plattform, kein Weg mehr an Tempolimits und am Aus für umweltschädliche Subventionen im Verkehr vorbeiführen.

FDP-Fraktionsvize Köhler: „Klimaschutzgesetz soll 2028 auf den Prüfstand“

Nun soll das Ende der Sektorziele jedoch definitiv beschlossen werden. SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch zeigt sich zufrieden. Es werde durch die Novelle „kein Gramm CO₂ mehr“ ausgestoßen, äußerte er laut „Deutscher Presse-Agentur“. Gleichzeitig gebe es mit dem Solarpaket „wichtige Impulse für den Ausbau der Fotovoltaik, der Windkraft und Biomasse“.

FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler erklärte, durch die Neuregelung werde „die deutsche Klimapolitik vom Kopf auf die Füße“ gestellt. Ab sofort zähle die Erreichung der Klimaziele insgesamt, in den einzelnen Bereichen wüchsen hingegen die Spielräume. Außerdem solle 2028 überprüft werden, „ob auch die übrigen Regelungen im Klimaschutzgesetz abgeschafft werden können“.

Der energiepolitische Sprecher der Liberalen, Michael Kruse, warnte im Vorfeld der aktuellen Einigung vor einer möglichen schwarz-grünen Regierung. Die Ampel würde die „weltfremden Klimaschutzmaßnahmen“ korrigieren, die von der Union gesetzt worden seien. Sollte es zu Schwarz-Grün kommen, drohten „planwirtschaftliche Klimaschutzmaßnahmen, die nicht wirken und am Ende in Fahrverbote münden – zulasten der deutschen Autofahrer“.

Solarpaket wird keinen „Resilienzbonus“ enthalten

Grünen-Fraktionsvize Julia Terlinden kündigte bereits an, das überarbeitete Klimaschutzgesetz verpflichte die Bundesregierung erstmals, auch für die Zeit von 2030 bis 2040 konkrete Ziele zu setzen. Es bleibe dabei, dass am Ende jeder Sektor die gesetzten Ziele erreichen müsse. Mit Blick auf den Verkehr müsse mit Blick auf das wesentlich strengere Klimaziel bis 2040 „mehr passieren“.

Zufrieden ist man in der Ampel unterdessen bezüglich der Einigung über das Solarpaket. So solle der Betrieb von Balkonkraftwerken einfacher werden – ebenso die Nutzung selbst erzeugten Solarstroms in Mehrfamilienhäusern sowie auf Äckern und Wiesen. Dafür solle die Bürokratie abgebaut werden. Die FDP setzte sich durch mit ihrem „Nein“ zu einem „Resilienzbonus“.

Diese von Grünen und Solarunternehmen geforderte Maßnahme hätte, so Köhler, bedeutet, „einzelne Unternehmen auf Kosten der Allgemeinheit zu subventionieren“.



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