Einzelhändler machtlos? Ladendiebstähle nehmen drastisch zu

Geklaut, geraubt, eingesteckt. Seit wenigen Jahren nehmen Ladendiebstähle wieder massiv zu. Wie kommt es dazu? Epoch Times hat im Einzelhandel vor Ort nach Antworten gesucht.
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Der Einzelhandel kalkuliert den Schaden durch Diebstähle vorher oft mit ein.Foto: SPmemory/iStock
Von 8. Dezember 2024

Es ist Dienstagmittag in einem Einkaufszentrum in Berlin-Tegel. In den meisten Läden zeigt sich geschäftiges Treiben – das Verkaufspersonal ist gut beschäftigt. Besonders die Gastronomie ist jetzt gefordert, denn viele Mittagsgäste haben sich eingefunden.

In einem Schreibwarenladen einer bekannten Kette packt eine Verkäuferin neben der Kasse gerade Waren aus. Angesprochen auf das Thema Ladendiebstahl und eine gestiegene Anzahl an Anzeigen in diesem Bereich, berichtet sie der Epoch Times von einer eindeutigen Zunahme an Ladendiebstählen.

Sicherheitsmaßnahmen im Laden gebe es nicht. Die Kamera an der Decke sei eine Attrappe. Das sei beim Lebensmitteldiscounter Lidl, wo sie vorher neun Jahre lang gearbeitet habe, ganz anders gewesen. Der Discounter habe hohe Sicherheitsmaßnahmen, die im Laufe der Zeit aufgrund zunehmender Ladendiebstähle immer weiter verschärft worden seien.

In dem Schreibwarenladen „wird nichts gemacht“, erklärt sie weiter. Wenn sie Dienst im Schreibwarengeschäft hat, ist sie allein. Sie bekäme das gar nicht mit, wenn jemand klaut. Der Laden wirkt tatsächlich unübersichtlich mit seinen Ecken und Winkeln und hohen Verkaufsregalen, deren Rückseiten von der Kasse aus nicht einsehbar sind. Sie vermutet, dass die Schreibwarenkette die finanziellen Verluste durch die Diebstähle mit einkalkuliert.

Die einzige Sicherheitsmaßnahme ist, dass die kleinen Kuscheltiere an einem Regalrondell mit Kabelbindern gesichert sind. „Die wären schon alle weg, wenn wir das nicht machen würden!“, erklärt sie mit ernstem Gesichtsausdruck.

100.000 Ladendiebstähle pro Verkaufstag

Tatsächlich zeigt die Kurve der Anzahl an angezeigten Ladendiebstählen im Einzelhandel deutlich nach oben. In den vergangenen Jahren nahmen die Anzeigen stark zu. Waren es 2021 noch rund 256.700 Anzeigen wegen Diebstahl in Deutschland, registrierten die Behörden im vergangenen Jahr bereits mehr als 426.000 angezeigte Ladendiebstähle. Das ist eine Zunahme von knapp 66 Prozent.

Ladendiebstähle

Entwicklung der Fallzahlen beim Ladendiebstahl. Quelle: Bildschirmfoto polizeiliche Kriminalstatistik 2023

Im vergangenen Jahr gab es damit so viele Ladendiebstähle wie seit 2006 nicht mehr. Im Jahr 2000 war die Anzahl mit rund 570.000 Ladendiebstählen allerdings noch höher.

Dabei dürfte das nur die Spitze des Eisbergs sein. Forscher des EHI Retail Institute schätzen, dass rund 0,5 Prozent der Ladendiebstähle – also lediglich jeder 200ste – zur Anzeige kommt.

Der durchschnittliche Schaden aller angezeigten Diebstähle sowie der durch Inventuren festgestellte Warenschwund im Handel führen zu der Schlussfolgerung, dass es jährlich rund 24 Millionen Ladendiebstähle in Deutschland gibt. Das entspricht rund 100.000 Ladendiebstählen pro Verkaufstag. Allein in Berlin sind es mehr als 100 pro Tag – Tendenz steigend. Bei jedem Ladendiebstahl erbeuten die Täter im Schnitt Waren im Wert von 117 Euro.

Eine Erklärung für den aktuellen Anstieg könnte der Post-Corona-Effekt sein. Während der Pandemie sind die Diebstähle aufgrund der kürzeren Öffnungszeiten auf ein Rekordtief gesunken. Als der Staat die Lockdowns und andere Maßnahmen wieder aufgehoben hat, stellte sich bei den Menschen die Kauflaune wieder ein. Die Geschäfte wurden wieder voller. Allerdings nahmen auch die Diebstähle wieder zu. Eine oft geringe Anzahl an Mitarbeitern begünstigt Ladendiebstähle.

Wer sind die Täter?

Die Verkäuferin im Schreibwarengeschäft erwähnt als Beispiel, dass ihr Mann Leiter einer Berliner Lidl-Filiale in einer Gegend mit hohem Migrationsanteil ist. Oft käme die ganze Familie in den Supermarkt, um zu stehlen. Sogar deren Kinder würden sich am Warenklau beteiligen. Dazu würden sie laut der Verkäuferin teilweise Kinderwagen nutzen. Das heißt, der Kinderwagen ohne Kind wird mit reingenommen, vollgepackt und dann die Abdeckung zugemacht.

Zudem hat sie in letzter Zeit festgestellt, dass immer mehr Rentner als Gelegenheitsdiebe Waren klauen, wie sie uns mitteilte. Deren Motiv ist oft die finanzielle Situation. Die Renten sind in den vergangenen krisengeprägten Jahren nicht im gleichen Maße gestiegen wie die Kosten alltäglicher Waren.

Der gestiegene finanzielle Druck verleitet viele zu Ladendiebstählen – neben Rentnern auch andere Menschen in finanziellen Schwierigkeiten. Denn mit dem Ende der Corona-Krise begann direkt die nächste Krise in Europa: der Ukraine-Krieg. Dieser kurbelte die Inflation in vielen Bereichen weiter an und belastete die Menschen zusätzlich.

Trotz der Zunahme an Diebstählen fühlt sich die Verkäuferin in dem Laden sicher, wie sie meint – weil er in Tegel ist. Es wäre etwas anderes, wenn das Geschäft in manchen anderen Berliner Bezirken läge, wo die Kriminalitätsrate höher ist. Entscheidend ist also auch die Lage.

Häufigste Tatorte von Ladendiebstählen sind laut dem EHI Retail Institute mit Abstand Lebensmittelgeschäfte. Dahinter folgen Baumärkte, Drogerien und Bekleidungsgeschäfte.

Mangelnde Sicherheitsmaßnahmen?

Ähnlich wie in dem Schreibwarenladen sieht es in einem Reformhaus aus. Dort sprach die Epoch Times ebenfalls mit einer Mitarbeiterin im Dienst. Sie arbeitet seit 35 Jahren im Einzelhandel als Verkäuferin und betrieb rund 30 Jahre lang ein eigenes Blumengeschäft. Seit einigen Jahren arbeitet sie nun im Reformhaus.

Dort gibt es keine Sicherheitsmaßnahmen. Allerdings ist das Geschäft so eingerichtet, dass es keine unübersichtlichen Ecken gibt. Die Regale sind niedrig, sodass das Personal problemlos darüber hinwegschauen kann. Der Verkaufsraum wirkt hell, freundlich und ist gleichmäßig ausgeleuchtet.

Diese Gestaltung entspricht auch den Tipps, die Sicherheitsprofis Ladenbesitzern geben, um Diebstählen vorzubeugen. Die Filialleitung hat die Mitarbeiter angewiesen, der Kundschaft nie den Rücken zuzukehren. Die Benutzung des eigenen Handys ist absolut tabu. Denn der Fokus soll auf den Kunden liegen. Sie sollen unaufdringlich beobachtet werden.

Allerdings werden keine weiteren Sicherheitsmaßnahmen ergriffen. Jeder Diebstahl im Geschäft wird zur Anzeige gebracht. Dies betrifft jedoch nur die Fälle, in denen die Mitarbeiter den Dieb auf frischer Tat ertappen.

Die Mitarbeiterin im Reformhaus erzählte von einem eher überraschenden Diebstahl. Eine edel gekleidete Dame betrat das Geschäft. Dann beobachtete die Mitarbeiterin, dass sie sich verdächtig verhielt. Kurz darauf ging die Dame weiter. Die Mitarbeiterin ging zu dem Regal, wo die Dame sich aufhielt und stellte fest, dass von einem Produkt nur noch die Verpackung vorhanden war, der Inhalt aber herausgenommen worden ist. Zu diesem Zeitpunkt hat die Dame das Geschäft bereits verlassen – mit ihrer Beute.

Ein Kunde im Reformhaus sagte: „Das ist ganz schlimm mit den Ladendiebstählen. Und wer trägt das? Wir, die Kunden. Denn durch solche Diebstähle steigen die Preise.“ Und tatsächlich bleibt den Ladenbetreibern nichts anderes übrig, als den Verlust letztlich durch Preiserhöhungen wieder wettzumachen.



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