Ein Fall für den Verfassungsschutz? Datenleck bei Klimaaktivisten „Letzte Generation“

Daten, die offenbar im Zuge von Rekrutierungsversuchen angelegt wurden, waren vorübergehend frei zugänglich. Ein Rechtsanwalt spricht dabei von einem „Daten-Super-GAU“.
Ein Aktivist von «Letzte Generation» klebt seine Hand mit Sekundenkleber auf der Straße in Berlin während einer Sitzblockade fest.
Ein Mitglied der Gruppierung „Letzte Generation“ klebt seine Hand mit Sekundenkleber auf einer Berliner Straße fest.Foto: Carsten Koall/dpa
Epoch Times5. Februar 2023

Die Klima-Protestgruppe „Letzte Generation“ führt akribisch Buch über Mitglieder und Interessenten. Die „Welt am Sonntag“ berichtet über ein großes Datenleck der Gruppierung: In mehreren Excel-Listen fanden sich persönliche Daten von mehr als 2.200 Personen, die mit der Bewegung in Kontakt standen. Die Listen waren über den Cloud-Dienst Google-Drive für jedermann zugänglich.

Unter den Daten waren Telefonnummern, Mailadressen, Wohnorte, Angaben zu belegten Seminaren und Trainings der Letzten Generation, Auskünfte über die Bereitschaft, im Zuge des Protests ins Gefängnis zu gehen sowie teilweise Details zur Lebenssituation und Ausschnitte aus persönlichen Mails. Kurz nach Anfrage der „Welt am Sonntag“ schränkte die Gruppierung den Zugang zu den Daten für Unbefugte ein.

Eine Sprecherin antwortete: „Die `Letzte Generation` ist eine schnell wachsende Bewegung. Menschen, die mitmachen wollen, geben ihre Kontaktdaten an, damit wir sie kontaktieren können.“ Der angesprochene Ordner sei veraltet und werde nicht mehr genutzt.

Die Daten sammelte die „Letzte Generation“ offenbar im Zuge von Rekrutierungsversuchen. Ziel war es, Personen, die beispielsweise bei Vorträgen der „Letzten Generation“ mit der Gruppe in Kontakt gekommen waren, im Anschluss telefonisch oder per E-Mail von einem weiteren Engagement zu überzeugen.

„Fürchte Deportation im Falle einer Festnahme“

In den Tabellen sollen sich unter anderem solche Kommentare über Interessenten gefunden haben: „Konnte sich bislang nicht durchringen, das Studium zu schmeißen“, „zu ängstlich für Gefängnis“, „gesundheitlich nicht so fit“, „depressive Phase“, oder: „fürchtet Deportation im Falle einer Festnahme“.

Mehr als 250 Personen gaben den Daten zufolge gegenüber der Gruppe an, für den Klimaprotest auch ins Gefängnis zu gehen. Der Berliner Rechtsanwalt Niko Härting, der sich auf Datenschutz und IT-Sicherheit spezialisiert hat, sieht in dem Leck einen „Daten-Super-GAU“. Datenschutzrechtlich würden derartige Daten als Daten über „politische Meinungen“ einer Person zu den nach Art. 9 DSGVO gesteigert geschützten „besonderen Kategorien (sensibler) personenbezogener Daten“ zählen.

Die Datenschutzerklärung, die die „Letzte Generation“ auf ihrer Internetseite abgebe, sei zudem „völlig unzureichend und verstößt gegen die Vorgaben der DSGVO“. Dort sei nicht korrekt angegeben, „zu welchen Zwecken die von der `Letzten Generation` gesammelten Personendaten verwendet werden“. Politiker sehen die Angaben zur „Gefängnisbereitschaft“ als Indiz für die kriminelle Energie der Gruppe.

Ein klarer Fall für den Verfassungsschutz?

Alexander Throm, innenpolitischer Sprecher der Union, sagte: „Die Recherchen erhärten den Verdacht, dass es sich bei der ‚Letzten Generation‘ um eine kriminelle Vereinigung handelt.“ Die Organisation biete ihren Mitgliedern offenbar eine professionalisierte Plattform, um bewusst und zielgerichtet Straftaten sogar unter Inkaufnahme von Haftstrafen zu begehen.

Der Kriminalhauptkommissar und Bundestagsabgeordnete Sebastian Fiedler (SPD) sagte: „Wenn diese Bewegung ihre Aktivisten danach kategorisiert, ob sie bereit für den Knast sind, ist die `Letzte Generation` ein klarer Fall für den Verfassungsschutz.“

Ein Rückblick

Angefangen hatten die Proteste 2021, kurz vor der Bundestagswahl, mit einem Hungerstreik in Berlin. Das Ziel war damals, eine radikale Klimawende zu erwirken. Der Ausstoß sogenannter schädlicher Klimagase und eine tödliche Überhitzung der Erde gelte es zu vermeiden.

Die Hungerstreikenden erstritten ein Gespräch mit Wahlgewinner Olaf Scholz. Als Scholz auf ihre Forderungen nicht einging, begannen die Straßenblockaden. Dazu kamen Proteste in Museen, Stadien, an Erdölpipelines oder Flughäfen. In der Regel kleben sich die radikal auftreten Klimaaktivisten an Oberflächen fest, damit die Räumung lange dauert.

Laut eigenen Angaben hat die Gruppe bislang 1.250 Straßenblockaden in ganz Deutschland durchgeführt, bei denen sich rund 800 Menschen festgeklebt hätten. Mehr als 1.200 Mal kamen sie dabei in Polizeigewahrsam.

Allein in Berlin meldete die Polizei bis Mitte Januar rund 262.700 Einsatzstunden für die Proteste der Letzten Generation. 770 Tatverdächtige sind in der Hauptstadt aktenkundig, 2.700 Strafanzeigen gestellt. Inzwischen rollt eine Prozesswelle.

Brei auf Gemälde, Ministerien blockiert, Flughäfen lahmgelegt

Im Herbst wuchs die Kritik gegenüber den Klima-Protestlern. Bei einem Unfall zwischen einem Betonmischer und einer Berliner Fahrradfahrerin, bei dem die Frau unter dem Baufahrzeug eingeklemmt war, steckte ein Bergungsfahrzeug der Feuerwehr minutenlang im Verkehr fest. Wohl auch, weil es kilometerweit entfernt eine Blockade der Klimaaktivisten gab. Schließlich verstarb die Frau.

Auch dass die radikalen Klimaaktivisten Gemälde in Museen, die mit Glas geschützt waren, mit Kartoffelbrei bewarfen, Feueralarme auslösten, Ministerien blockierten und Flughäfen zeitweise lahmlegten, weil sie sich auf den Landebahnen festklebten, sorgte für heftige ablehnende Reaktionen. Die Staatsanwaltschaft Neuruppin startete Ermittlungen wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung, weil Aktivisten Pipelines der brandenburgischen PCK-Raffinerie abdrehten.

Gegen einen der radikalen Klimaaktivisten, der von Anfang an mit dabei ist, laufen nach eigenen Angaben mehr als 30 Verfahren. Bei einem anderen seien es etwa zwei Dutzend – einige davon bereits eingestellt. Teilweise wurden Wohnungen von Aktivisten durch die Polizei durchsucht. Manche schmeißen gar ihr Abitur, ihr Studium oder ihren Arbeitsplatz hin. Für sie zählt nur noch Protest. Mehrere haben schon vorübergehend in Polizeizellen gesessen.

900.000 Euro Spendengelder für „Bildungsarbeit“

Einigen Vollzeit-Aktivisten zahlt die Letzte Generation aus Spendengeldern finanzielle Zuwendungen, wie es in einem Transparenzbericht heißt. „Es werden derzeit 41 Menschen für ihre Bildungsarbeit unterstützt“, sagte Sprecherin Carla Hinrichs dem Portal t-online. 2022 erhielt die Gruppe gut 900.000 Euro an Spenden und gab etwa 535.000 Euro aus. Die Hälfte floss in Mieten von Veranstaltungsräumen, Wohnungen für Demonstranten und Autos, weitere 100.000 Euro in Material wie Sekundenkleber, Transparente, Warnwesten, Sitzkissen und Handwärmer.

Kernforderungen der Gruppe sind Tempo 100 auf Autobahnen und ein dauerhaftes 9-Euro-Ticket. Obwohl die radikalen Klimaaktivisten von einem gewissen Zulauf an neuen Teilnehmern sprechen, fehlt der Gruppe offensichtlich die breite Unterstützung in der Bevölkerung. In einer Civey-Umfrage vom November sagten 86 Prozent der Befragten, die Letzte Generation schade mit ihrem Vorgehen dem Anliegen des Klimaschutzes. (dts/dpa/er)



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