Deutliches Urteil: Klebeblockaden sind strafbar

Erstmals hatte das Landgericht in Berlin über Klebeblockaden zu entscheiden. Das Urteil fiel eindeutig aus. Der verurteilte Mann möchte nun bis vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.
Seit Mitte Januar protestiert die Gruppe Letzte Generation immer wieder in Berlin und anderen Städten, um die Dringlichkeit des Themas Klimaschutz ins öffentliche Bewusstsein zu rücken.
Seit Mitte Januar protestiert die Gruppe Letzte Generation immer wieder in Berlin und anderen Städten, um die Dringlichkeit des Themas Klimaschutz ins öffentliche Bewusstsein zu rücken.Foto: Paul Zinken/dpa
Von 21. Januar 2023

Zum ersten Mal hat das Landgericht in Berlin die Strafbarkeit von „Klima“-Blockade-Aktionen bestätigt. Der Berliner Medizinstudent Johann O. war nach seiner Verurteilung durch das Amtsgericht Tiergarten in die Berufung gegangen. Das Amtsgericht hatte den 21-jährigen Mann im Oktober der Nötigung schuldig gesprochen und ihn zu 30 Tagessätzen je 20 Euro verurteilt. Er wollte nun vor dem Landgericht seinen Freispruch erreichen. Das Gericht bestätigte allerdings das Urteil der Vorinstanz und verwarf damit die Berufung.

Kein Ziel rechtfertigt Eingriff in die Rechte Dritter

Nach Auffassung des Landgerichts habe es sich bei der Tat des Mannes um strafbare Nötigung gehandelt. Am 4. Februar des letzten Jahres hatte sich der Mann an einer Straßenblockade der „Letzten Generation“ beteiligt. Die Blockade hatte ungefähr eineinhalb Stunden gedauert. Nach Auffassung des Gerichts habe die Aktion der Lahmlegung des Verkehrs gedient. Durch das Verhalten des Angeklagten seien andere Personen physisch für eine nicht unerhebliche Zeit blockiert worden. Es sei in der Rechtsprechung anerkannt, dass Straßenblockaden grundsätzlich als Nötigungshandlung zu bewerten seien. Hierbei berief sich das Gericht auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, wonach Straßenblockaden grundsätzlich als Nötigungshandlung zu werten seien. Auch das Versammlungsrecht der Blockierer rechtfertige es nicht, gezielt den Verkehr lahmzulegen und in die Rechte Dritte einzugreifen, um eigene politische Ziele zu erreichen. „Es gebe kein noch so hehres Ziel, das einen gezielten Eingriff in die Rechte anderer rechtfertige.“, stellte Richter Vogel in der Urteilsbegründung klar. Das Thema Klimaschutz spiele bei der strafrechtlichen Bewertung keine Rolle.

Die Strafe fiel vergleichsweise milde aus. Das hat der Student der Tatsache zu verdanken, dass er die Tat eingeräumt hatte und bisher nicht vorbestraft war. Der 21-Jährige hatte zuvor in der Verhandlung ausgesagt, er stehe zu der Tat. „Trotz des Klimanotstands passiert nicht genug.“ Demonstrationen würden aus seiner Sicht nicht ausreichen – „wir müssen stören, um zu schützen“. Für eine Rettungsgasse sei bei der Aktion allerdings gesorgt gewesen.

Niemand steht über dem Gesetz

Die Klimaradikalen berufen sich in ihren Einlassungen vor Gerichten immer wieder auf das Bundesverfassungsgericht. Das hatte im März 2021 in einem Urteil den Staat zum Klimaschutz verpflichtet. Die „Letzte Generation“ sieht dadurch ihre Aktionen legitimiert. Dieser Auffassung stellte sich das Landgericht in Berlin vehement entgegen.

Wie die Nachrichtenagentur dpa schreibt, kritisierte der Richter den Angeklagten dafür, nicht einsehen zu wollen, dass er nicht über dem Gesetz stehe. Er sehe in dem Verhalten „eine Gefahr einer weiteren Radikalisierung“, so Vogel.

Student kündigt Verfassungsbeschwerde an

Das Urteil ist im Moment noch nicht rechtskräftig. Binnen einer Woche kann der Mann Revision beim Kammergericht einlegen. Dieses würde dann das Urteil auf Rechtsfehler überprüfen. Laut dem „Tagesspiegel“ will der Medizinstudent aber gleich zum Bundesverfassungsgericht ziehen und dort Verfassungsbeschwerde einlegen. „Jetzt geben wir dem Bundesverfassungsgericht die Möglichkeit, festzustellen, dass Protest, der stört, im Angesicht des Klimanotfalls angemessen ist“, sagte der Student. Ob ihm dieser Weg gelingt, ist fraglich. Damit die Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe durch die Richter angenommen wird, müssen vorher alle rechtlichen Instanzen ausgeschöpft sein. Die Revision vor dem Berliner Kammergericht ist daher eigentlich unabdingbar.

Wenn das Landgericht in Berlin sich dem Urteil des Amtsgerichts angeschlossen hat, besteht bundesweit bei der strafrechtlichen Bewertung der Straßenblockade der „Letzten Generation“ nicht unbedingt Einigkeit.

Ein Gericht, zwei unterschiedliche Urteile

Die meisten Gerichte haben in der Vergangenheit in Deutschland Straßenblockaden als strafbare Nötigung angesehen und entsprechend geurteilt. Allerdings gibt es auch Richter, die das anders sehen. Schlagzeilen machten in diesem Zusammenhang zwei Urteile des Amtsgerichts Freiburg. Für die gleiche Blockade bekam ein Teilnehmer einen Freispruch, ein anderer Teilnehmer eine Geldstrafe.

Am 7. Februar des letzten Jahres setzten sich morgens im Berufsverkehr 13 Blockierer auf eine Brücke und sperrten für eine Stunde den Verkehr.

Am 21. November gab es dann vor dem Amtsgericht Freiburg die erste Verhandlung. Der Blockierer wurde vom Richter freigesprochen. Nur einen Tag später wurde ein Lehramtsstudent, der ebenfalls an der Blockade teilgenommen hatte, zu einer Geldstrafe wegen Nötigung in Höhe von 40 Tagessätzen zu 10 Euro verurteilt. Zwei unterschiedliche Richter urteilten und vertraten unterschiedliche Rechtsauffassungen.

Unterschiedliche Ansichten über die „Verwerflichkeit“

Beide Richter hatten in ihren Urteilen nicht über das Ziel der Aktion zu urteilen. Zu bewerten war, ob der Versammlungszweck und die ausgelöste Behinderung in einem stimmigen Verhältnis stehen. Die entscheidende Frage bei der Nötigung ist die „Verwerflichkeit“. Bei Blockaden müssen die Richter immer entscheiden, ob das Grundrecht der Versammlungsfreiheit höher zu bewerten ist als die Fortbewegungsfreiheit der blockierten Autofahrer. Genau hier vertraten die Richter entgegengesetzte Meinungen.

Der Freispruch wurde damit begründet, dass Autofahrer „maßgeblich für den CO₂-Ausstoß verantwortlich und damit Teil der Klimaproblematik“ seien. Die Blockade sei daher „nicht verwerflich“.

Das zweite Urteil hielt diese Verknüpfung dagegen nicht für ausreichend. Es sei nur eine „zufällige Auswahl“ von Autofahrern blockiert worden, „ohne Ansehung des genutzten Fahrzeugs und seines jeweiligen Emissionsausstoßes“. Letztlich gehe es um die Behinderung der Autofahrer „um der Behinderung selbst willen“. Diese „Instrumentalisierung“ der Autofahrer sei „verwerflich“, so die Begründung der Verurteilung.

Bisher sind Freisprüche dieser Art in der deutschen Justiz zugegebenermaßen Einzelfälle. Eine Entscheidung des höchsten deutschen Gerichts in Karlsruhe könnte aber Rechtsklarheit schaffen.



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