Deutschland und Österreich wollen Prüfung von Asylanträgen nach Afrika auslagern

In der Ampel und in Österreich will man nach dem Vorbild Großbritanniens Asylverfahren in Afrika ermöglichen. Ministerin Faeser ist skeptisch: Sie setzt auf Abkommen wie jenes, das sie jüngst mit Marokko abgeschlossen hatte. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte könnte dazwischenfunken.
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Deutsche Asylverfahren sollen nach dem Willen von Politikern mehrerer Parteien künftig auch in Afrika stattfinden können. Symbolbild.Foto:  iStock
Von 2. November 2023

Angesichts des deutlichen Anstiegs der Zahl der Asylanträge in Deutschland gegenüber dem Vorjahr bemüht sich die Ampel um eine härtere Gangart in der Asylpolitik. Bis dato war 2023 ein Plus von 70 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres zu verzeichnen.

Bis einschließlich September wurden in Deutschland insgesamt mehr als 251.000 Asylanträge gestellt, mehr als 233.000 davon waren Erstanträge. Im gesamten Jahr 2022 stellten 244.000 Menschen in Deutschland einen Asylantrag, dazu kam noch etwa eine Million Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine.

In Österreich war die Zahl der Erstanträge auf Asyl bis dato zwar rückläufig. Dennoch überlegt man zusätzliche Maßnahmen, um die Alpenrepublik als Zielland unattraktiver zu gestalten.

FDP will noch in dieser Legislaturperiode Asylverfahren in Drittstaaten prüfen

Wie „Euractiv“ berichtet, hat nun die FDP einen neuen Vorstoß unternommen, um die Zahl der Asylbewerber in Deutschland zu senken. Ähnlich wie Großbritannien, das ein entsprechendes Abkommen mit Ruanda hat, soll auch Deutschland die Möglichkeit haben, Asylsuchende zur Bearbeitung ihrer Anträge in Drittstaaten zu verweisen.

Die migrationspolitische Sprecherin der Fraktion, Ann-Veruschka Jurisch, forderte Bundesinnenministerin Nancy Faeser dazu auf, diese Option „umgehend“ zu prüfen. Es sei im Koalitionsvertrag vereinbart, die Möglichkeit von Asylverfahren in Drittstaaten zu prüfen. Dies solle noch in dieser Legislaturperiode vonstattengehen.

Gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ erklärte unterdessen FDP-Fraktionschef Christian Dürr, warum er eine solche Option begrüßen würde:

Eine solche Regelung würde Klarheit über den Schutzstatus schaffen und verhindern, dass sich Menschen ohne Perspektive auf die gefährliche Route übers Mittelmeer begeben.“

Wüst sieht Flüchtlingsdeal mit der Türkei als Vorbild

Zuvor hatte auch der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst, eine Bearbeitung von Asylanträgen im Ausland ins Spiel gebracht. Mit Blick auf den bevorstehenden Bund-Länder-Gipfel am kommenden Montag, 6. November, forderte er einen solchen Schritt zur Beendigung irregulärer Migration.

Wüst forderte weitere Abkommen nach dem Vorbild des Flüchtlingsabkommens mit der Türkei aus dem Jahr 2016. Gegen finanzielle Zusagen sollen die Partnerstaaten sich verpflichten, Flüchtlinge nach einem Aufgreifen in Europa direkt in Partnerländer entlang der Fluchtrouten zu bringen. Dort sollen „Verfahren und Schutzgewährung nach rechtsstaatlichen Regeln stattfinden“.

Die Partnerstaaten sollen, so Wüst, „jeden, der irregulär die See- und Landgrenzen von seinem Land in Richtung der Europäischen Union überschreitet, wieder zurücknehmen“. Im Gegenzug werde es finanzielle Unterstützung geben. Der Ministerpräsident verspricht sich davon ein Ende der gefährlichen Überfahrten über das Mittelmeer. Wer keinen Schutzstatus erwarten könne, würde gar nicht erst nach Deutschland kommen.

Faeser hält Migrationsabkommen für sinnvoller als Verträge über Asylverfahren

Mittlerweile arbeiten sogar SPD-Abgeordnete an einem Konzept, das Asylverfahren in Drittstaaten ermöglichen könnte. Bundesinnenministerin Nancy Faeser unterdessen setzt auf Abkommen wie jenes, welches sie am Dienstagabend in Marokko abgeschlossen hatte. Der nordafrikanische Staat sagte darin eine erleichterte Rücknahme abgelehnter Asylbewerber zu. Im Gegenzug sollen legale Möglichkeiten einer Einwanderung nach Deutschland ausgebaut werden.

Faeser erklärte mit Blick auf die Vereinbarung, dass Migrationsabkommen mit nordafrikanischen Ländern eine erfolgversprechendere Variante seien, um irreguläre Migration einzudämmen. Erst jüngst hatte sich Nigerias Präsident Bola Tinubu gegenüber Bundeskanzler Olaf Scholz zur Rücknahme von Landsleuten aus Deutschland grundsätzlich bereit erklärt.

Im Juni hatte die EU-Kommission mit Tunesien ein Abkommen zur Grenzsicherung geschlossen. Der Erfolg ließ vorerst auf sich warten: Wenige Wochen später starteten von Sfax aus mehrfach Dutzende an Flüchtlingsbooten in Richtung Lampedusa.

Karner nimmt explizit auf britisches Modell Bezug

In Österreich lässt sich am Donnerstag unterdessen Österreichs Innenminister Gerhard Karner von seiner britischen Amtskollegin Suella Braverman beraten. Gegenüber der APA nahm er ausdrücklich auf die dortige Praxis der Auslagerung von Asylverfahren in Drittländer Bezug:

Großbritannien hat viel Erfahrung, wenn es darum geht, Asylverfahren künftig außerhalb Europas durchzuführen.“

Das Abkommen zwischen Großbritannien und Ruanda sei für Österreich besonders interessant, so Karner. Es könne „als Modell für die EU dienen“. Der Regelung zufolge fliegt Großbritannien Asylsuchende, deren Antrag als wenig aussichtsreich eingeordnet wird, nach Ruanda aus. Dort soll über diesen entschieden werden.

Sollte es doch eine positive Entscheidung geben, dürfte der anerkannte Flüchtling trotzdem nicht zurück nach Großbritannien. Er müsste sein Asyl stattdessen in Ruanda in Anspruch nehmen.

EGMR stoppt pro Jahr bis zu 200 Maßnahmen im Eilverfahren

Die Zulässigkeit der Regelung ist umstritten. Vor allem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) könnte sich als Störfaktor erweisen. In einem laufenden Verfahren hat der EGMR bereits 2022 einem Eilantrag gegen die Rückführung nach Ruanda stattgegeben. Der Oberste Gerichtshof des Landes hat in der Sache selbst noch nicht entschieden.

Pro Jahr stoppt der Gerichtshof, der auf der Grundlage der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) agiert, etwa 100 bis 200 geplante Maßnahmen im Eilverfahren. Meist geht es dabei um geplante Aufenthaltsbeendigungen. Üblicherweise überprüft der EGMR Entscheidungen erst, wenn der gesamte innerstaatliche Rechtszug ausgeschöpft ist. In solchen Fällen kann auch die Bearbeitungsdauer mehrere Jahre in Anspruch nehmen.

Großbritannien will sich nun mit einem Gesetzentwurf gegen „Einmischungen“ des EGMR wehren. Im äußersten Fall erwägt man sogar einen Austritt aus der Europäischen Menschenrechtskonvention. In Deutschlands will daran noch kein Befürworter einer Regelung nach britischem Vorbild denken.



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