Der Taurus-Leak – ein Skandal mit politischer Brisanz
Sie besprachen militärisch brisante Fragen auf einer Plattform für Videokonferenzen, die auch von mittelständischen Büros genutzt wird: Weil die Webex-Konferenz von Bundeswehr-Offizieren zu Taurus-Marschflugkörpern in russische Hände geriet, sind Bundesregierung, Opposition und Bundeswehr alarmiert. Fragen und Antworten.
Was ist zu der Besprechung bekannt?
Das geleakte Gespräch ist 38 Minuten lang und hat nach russischen Angaben am 19. Februar stattgefunden. Teilnehmer waren drei hochrangige Offiziere sowie Luftwaffenchef Ingo Gerhartz.
Inhalt des Gesprächs waren die Möglichkeiten einer Lieferung von Marschflugkörpern Taurus an die Ukraine. Die Ukraine hat die Waffen erbeten, insbesondere Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) lehnt die Lieferung ab.
Was macht den Inhalt des Gesprächs brisant?
Die Teilnehmer besprachen verschiedene Details, die nicht für die Öffentlichkeit gedacht waren. So geht es um konkrete Mengen, die geliefert werden könnten. In den Raum gestellt werden 100 Marschflugkörper, davon 50 in einer ersten Tranche.
Es wird auch darüber gesprochen, ob die Kertsch-Brücke zwischen der von Russland annektierten Halbinsel Krim und dem russischen Festland mit Taurus-Raketen getroffen werden könnte.
Außerdem sprechen die Beteiligten darüber, dass die Briten wegen der Lieferung ihrer Storm-Shadow-Marschflugkörper an die Ukraine dort ein paar Soldaten vor Ort haben. Die britische Regierung bestreitet eine direkte Beteiligung am Einsatz der Marschflugkörper.
Wie konnte solch ein Gespräch in russische Hände kommen?
Das Verteidigungsministerium vermutet einen internen Verstoß gegen die eigenen Sicherheitsregeln der Bundeswehr. Die Teilnehmer sollen sich mit Webex verbunden haben, die Software ist ein gängiges Programm für Video- und Telefonkonferenzen und seit der Corona-Pandemie sehr populär.
Nach Angaben des Vize-Chefs des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Roderich Kiesewetter (CDU), hatte womöglich ein russischer Teilnehmer Zugang zu der Konferenz. Sollte sich das bestätigen, saß der Spion die ganze Zeit mit am Tisch – warum er nicht bemerkt wurde, ist ebenso rätselhaft wie die Frage, wie er an die Zugangsdaten kommen konnte.
Inwieweit betrifft Bundeskanzler Scholz der Skandal?
Für Scholz ist die Veröffentlichung im doppelten Sinn bitter, er selbst sprach von einer „sehr ernsten Angelegenheit“. Einerseits ist es offenbar gelungen, die Bundeswehr auszuspähen.
Andererseits weckt der Inhalt des Gesprächs Zweifel an Scholz‘ Argumentation, weshalb er gegen eine Taurus-Lieferung ist. Denn dem geleakten Gespräch zufolge könnte die Ukraine sehr wohl ohne deutsche Soldaten vor Ort die Marschflugkörper bedienen. Scholz hingegen sagt, dass für die Zielführung deutsche Hilfe nötig sei.
Wie geht es jetzt weiter?
Der Militärische Abschirmdienst (MAD) soll die internen Hintergründe aufklären. Politisch stehen drei Szenarien im Raum: Die Union beantragte bereits eine Sondersitzung des Verteidigungsausschusses und verlangt von Scholz, dort persönlich zu erscheinen.
Auch eine Regierungserklärung fordert sie. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt wollten darüber hinaus einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss nicht ausschließen.
Was sagt Russland?
Russische Vertreter versuchen das abgehörte Gespräch für ihre Seite auszunutzen. Der russische Außenminister Sergej Lawrow sagte, das Gespräch zeige, „dass das Kriegslager in Europa immer noch sehr, sehr stark ist“, es solle Russland eine „strategische Niederlage auf dem Schlachtfeld“ zugefügt werden.
Der frühere russische Präsident Dmitri Medwedew schrieb: „Deutschland bereitet sich auf einen Krieg mit Russland vor“. Die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sagt, der Zeitpunkt der Veröffentlichung zeige, dass Russland unter allen Umständen eine Lieferung der Taurus an die Ukraine verhindern wolle. (afp)
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