Bundestag: 38 Lobbyisten pro Abgeordnetem – 28 Abgeordnete selbst Lobbyisten

38 Lobbyisten kommen laut dem Lobbyregister auf einen Bundestagsabgeordneten, dabei sind mindestens 28 der 736 Abgeordnete selbst als solche tätig. Doch nicht alle werden erfasst.
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Ein Mann, der einen Koffer trägt, geht an den Büros des Bundestages im Bezirk Berlin Mitte vorbei.Foto: Sean Gallup/Getty Images
Von 9. August 2022

Von der Rüstungsindustrie bis zu Bioenergie: Im Bundestag gehen weit aus mehr Lobbyisten ein und aus, als es Bundestagsabgeordnete gibt.

Während 12.552 Personen die Interessenvertretung unmittelbar ausüben, ist die Gesamtzahl noch mal etwas mehr als doppelt so hoch. Insgesamt 28.427 Personen sind nach dem Lobbyregister berechtigt, eine Interessenvertretung im Bundestag auszuüben. (Stand: 8.8.2022)

Bei 736 Sitzen im Parlament macht das rein rechnerisch 38,6 Lobbyisten pro Abgeordnetem. Unter den 4.999 Einträgen befinden sich Unternehmen, Verbände, Netzwerke, Plattformen, aber auch Einzelpersonen und andere. Seit März sind diese gesetzlich verpflichtet, sich in das Lobbyregister einzutragen.

Bericht: 28 Abgeordnete als Lobbyisten registriert

Die Wirtschaft ist bei den Interessenbereichen wie erwartet mit 45,89 Prozent am stärksten vertreten, gefolgt von den Umweltlobbyisten mit 40,8 Prozent auf dem zweiten Platz. Dabei können mehrere Interessen gleichzeitig vertreten werden.

Einem Bericht zufolge sind 28 Abgeordnete zusätzlich als Funktionäre von Lobbyverbänden verzeichnet. Die Abgeordneten von CDU/CSU, SPD, FDP und den Grünen engagierten sich unter anderem in Lobbyvereinen der Rüstungsindustrie, der Energiebranche oder einer Handelskammer, hieß es in dem Bericht weiter.

Auf Anfrage teilte die Bundestagsverwaltung mit, dass bei ehrenamtlichen Interessenvertretungen nur eine verhältnismäßige Aufwandsentschädigung von „höchstens 10 Prozent der monatlichen Abgeordnetenentschädigung“ vorgesehen sei. Sollten sich im Einzelfall Hinweise auf Verstöße ergeben, gehe die Bundestagsverwaltung diesen nach.

Abgeordnetenwatch.de zufolge soll die Zahl von 28 registrierten Lobbyisten „nur die Spitze des Eisbergs“ sein. Auch andere Parlamentarier, männlich wie weiblich, übten „herausgehobene Tätigkeiten in einer Organisation aus, im Lobbyregister taucht ihr Name jedoch nicht auf“.

EU-Kommission verlangt stärkeres Vorgehen

Auch die EU-Kommission hat Deutschland dazu aufgerufen, stärker gegen die Einflussnahme von Lobbyisten auf die Politik vorzugehen. Die Bundesregierung müsse die Vorschriften gegen den sogenannten Drehtür-Effekt verschärfen, hieß es in dem im Juli vorgestellten Jahresbericht. Dabei geht es um den Wechsel früherer Politiker oder Staatsbediensteter in die Wirtschaft.

Verbessern müsse der deutsche Gesetzgeber auch „die Transparenz der Genehmigungen für die künftige Beschäftigung hochrangiger Beamter und die Dauer der Karenzzeiten für Bundesminister und parlamentarische Staatssekretäre“. Wegen seiner Tätigkeit für russische Energiekonzerne steht zum Beispiel Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) stark in der Kritik.

Auch Frankreich muss der Kommission zufolge stärker gegen Lobbyismus vorgehen. So soll sich Präsident Emmanuel Macron Enthüllungen zufolge als Wirtschaftsminister für den US-Fahrdienstanbieter Uber starkgemacht haben. In dem Kommissionsbericht werden weder Schröder noch Macron namentlich erwähnt.

Lobbyregister mit Lücken

Nicht jede Organisation ist im Sinne des Lobbyregistergesetzes registrierungspflichtig. Auf gezielte Anfrage von Abgeordnetenwatch kam von der Bundestagsverwaltung „eine Mail mit vielen Gründen und Paragraphen, warum Organisationen sich nicht eintragen müssen“.

Für die aktuellen Ausnahmen vom Lobbyregister für Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände und Kirchen gebe es nur vorgeschobene Argumente, sagt Hartmut Bäumer, Vorsitzender von Transparency Deutschland. Er beklagt weiterhin Schlupflöcher und fordert, dass auch festgehalten werden solle, zu welchem Thema lobbyiert wurde.

Eine Reform des Lobbyregisters ist bereits geplant, eine Zusicherung gibt es im Koalitionsvertrag der Ampel. Wann die kommt, ist noch unklar. Die Organisation befürchtet jedoch bereits, dass nur unzureichend nachgeschärft wird.

(Mit Material der Nachrichtenagenturen)



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